Informationen wurden für Sie zusammengestellt von Rechtsanwältin Christine Gerlach, Fachanwältin für Erbrecht.
Das Europäische Nachlasszeugnis soll vor allem die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle erleichtern.
- Wer ist für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses zuständig?
Gemäß Art. 64 Abs. 1 Satz 1 EU-ErbVO ist für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses über den gesamten Nachlass in erster Linie die Behörde in dem Mitgliedstaat, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, international zuständig. Hierbei kann es sowohl um ein Gericht als auch um eine andere Behörde handeln. Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat, sind gem. Art. 10 Abs. 1 EU-ErbVO die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, deren Staatsangehörigkeit der Erblasser zum Todeszeitpunkt besaß.
- Worum handelt es sich bei dem Europäischen Nachlasszeugnis?
Im Gegensatz zum deutschen Erbschein, der im Original an den Erbberechtigten erteilt wird, wird dem Antragsteller ab dem 17.08.2015 bei dem Erlass eines Europäischen Nachlasszeugnisses nur eine beglaubigte Abschrift des Europäischen Nachlasszeugnisses ausgehändigt. Die Urschrift verbleibt bei der Ausstellungsbehörde. Gemäß Art. 70 Abs. 2 EU-ErbVO hat die ausstellende Behörde über alle Empfänger einer beglaubigten Abschrift ein Verzeichnis zu führen.
Neu ist ebenfalls, dass mit Ablauf von 6 Monaten nach Ausstellung die beglaubigte Abschrift ihre Gültigkeit verliert. Dies wird in einem sogenannten Beglaubigungsvermerk festgehalten. Nach Ablauf dieser 6-Monatsfrist muss eine Neuerteilung der beglaubigten Abschrift beantragt werden.
- Was bedeutet die Richtigkeitsvermutung des Europäischen Nachlasszeugnisses?
Grundsätzlich wird vermutet, dass der im Europäischen Nachlasszeugnis ausgewiesene Sachverhalt zutrifft. Die Richtigkeitsvermutung der beglaubigten Abschrift bezieht sich insbesondere auf den ausgewiesenen Sachverhalt, die aufgeführten Erben, die dinglichen Vermächtnisnehmer sowie die Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, die die im Zeugnis genannte Rechtsstellung haben und keinen anderen als den im Europäischen Nachlasszeugnis aufgeführten Beschränkungen unterliegen.
- Was muss bei Änderung oder Widerruf des Europäischen Nachlasszeugnisses beachtet werden?
Bis zum jetzigen Zeitpunkt war bei Änderung oder Widerruf des deutschen Erbscheins eine Einziehung oder Kraftloserklärung desselben notwendig. Da das Europäische Nachlasszeugnis jedoch nicht im Original sondern in einer beglaubigten Abschrift an den Berechtigten erteilt wird, sieht die EU-ErbVO gem. Art. 71 nur die Änderung und den Widerruf des unrichtigen Europäischen Nachlasszeugnisses vor. Statt der Einziehung wird nunmehr in Zukunft eine Information der Personen vorgenommen, die eine beglaubigte Abschrift des Europäischen Nachlasszeugnisses erhalten haben.