Informationen wurden zusammengestellt von Rechtsanwalt Dr. Reinhard Popp, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Informationen wurden zusammengestellt von Rechtsanwalt Dr. Reinhard Popp, Fachanwalt für Arbeitsrecht
In einem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschiedenen Fall ging es darum, dass eine Altenpflegerin, die öffentlich auf Pflegemissstände aufmerksam gemacht hat, ihren Arbeitgeber angezeigt hat.
Das Arbeitsverhältnis wurde ihr daraufhin von ihrem Arbeitgeber wegen eines Verstoßes gegen die Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber gekündigt.
Obwohl die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Deutschland rechtskräftig festgestellt wurde, hat der EGMR in seinem Urteil vom 21.07.2011 (Aktenzeichen 28274/08) entschieden, dass die Arbeitnehmerin durch die Kündigung in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention verletzt wurde.
Durch die Anzeige habe sie berechtigt gehandelt, da sie eine von wenigen Personen gewesen sei, die die Missstände erkennen konnte. Als letztes Mittel durfte sich die Arbeitnehmerin daher mit ihrer Anzeige an die Öffentlichkeit wenden. Dem stand nach Abwägung der Umstände auch die Loyalitätspflicht der Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Arbeitgeber nicht entgegen, so dass die Kündigung unverhältnismäßig gewesen sei.
Genutzt hat diese Entscheidung der Arbeitnehmerin zunächst wenig. Da die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt war, erhielt die Arbeitnehmerin ihren Arbeitsplatz zwar nicht zurück, erhielt aber, nachdem das Urteil des deutschen Gerichts nach der Entscheidung des EGMR falsch war, zumindest eine Entschädigung zugesprochen.
Nachdem Anzeigen gegen den Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind, sollten derartige Maßnahmen sorgfältig geprüft werden.