Schlagwort-Archiv Dr. Reinhard Popp

Arztbesuch während der Arbeitszeit ist nicht selbstverständlich

Auch wenn ein Arztbesuch während der Arbeitszeit üblich ist, ist er nur in Ausnahme­fällen erlaubt. Ein Ausnahmefall liegt ins­be­son­dere dann vor, wenn ein Arbeitnehmer akut erkrankt und dringend auf ärztliche Hilfe angewiesen ist.

Liegt eine akute Erkrankung nicht vor, muss ein Arzttermin wäh­rend der Freizeit des Arbeitnehmers wahrgenommen werden. Ein Arbeitnehmer muss sich hier gegebenenfalls bei mehreren Ärzten um einen Termin bemühen. Ist dies nicht möglich, weil insbesondere Facharzttermine während der Freizeit des Arbeit­nehmers nicht wahrgenommen werden oder weil bestimmte Untersuchungen nur zu einer bestimmten Zeit stattfinden können, hat der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber einen sogenannten Freistellungsanspruch.

Bleibt dem Arbeitnehmer keine andere Möglichkeit als den Arzt­besuch während seiner Arbeitszeit wahrzunehmen, muss die versäumte Arbeitszeit nicht nachgeholt werden. Allerdings muss der Arbeitnehmer über den Grund und die Dauer seiner Ab­we­sen­heit im Vorfeld informieren und, falls dies gefordert wird, den erforderlichen Arztbesuch durch eine Bescheinigung belegen.

Erfolgt der Arztbesuch unberechtigt, verstößt ein Arbeitnehmer gegen die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag und kann im Wiederholungsfall nach entsprechenden Abmahnungen auch aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden.

Unter oben genannten Voraussetzungen dürfen Arbeitnehmer auch ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zum Arzt begleiten und haben dann einen dementsprechenden Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitszeit.

Grundsätzlich empfiehlt es sich den Arbeitgeber im Vorfeld eines Arztbesuches genau mitzuteilen, weshalb der Arzttermin nur während der Arbeitszeit stattfinden kann.

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Haftung aus dem Mietverhältnis nach einer Scheidung

Im Rahmen einer Scheidung taucht regelmäßig folgendes Problem auf:
Was passiert mit der gemieteten gemeinsamen Ehewohnung nach der Scheidung?

Nach § 1568 a BGB wird das Mietverhältnis nach der rechts­kräftigen Scheidung nur mit dem Ehegatten fortgesetzt, der in der Wohnung bleibt. Das bedeutet, dass der Ehegatte, der aus­gezogen ist, keine Miete mehr bezahlen muss und dem Ver­mie­ter auch nicht mehr für Mietausfälle o.ä. haftet. Diese Rechts­wirkung tritt aber nur dann ein, wenn beide Ehe­gatten dem Vermieter mitteilen, wer in der Wohnung bleibt. Dies kann dann zu Streit führen, wenn der in der Wohnung verbleibende Ehe­gatte auch nach der Scheidung die Abgabe einer ent­spre­chen­den Erklärung verzögert und damit auch die Entlassung des aus­ge­zo­genen Ehegatten aus dem Mietvertrag.

Hierzu hat nun das Oberlandesgericht Hamm mit rechts­kräftigem Beschluss des 12. Senats für Familiensachen vom 21.01.2016 (Az: 12 UF 170/15) Folgendes entschieden:

Überlässt ein Ehegatte nach der Trennung die zuvor von ihm oder von beiden Ehegatten gemeinsam gemietete Ehewohnung dem anderen Ehegatten zur alleinigen Nutzung, kann er bereits während der Trennung und nicht erst nach Rechtskraft der Scheidung verlangen, dass der in der Wohnung verbleibende Ehe­gatte an der gegenüber dem Vermieter abzugebenden Erklärung mitwirkt, durch die der ausgezogene Ehegatte bei der Scheidung aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Nach dem Auszug eines Ehepartners hat dieser ein berechtigtes Interesse daran, nach der Scheidung nicht mehr finanziellen Belastungen aus dem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein. Dies gilt ins­be­son­dere im Hinblick auf Mietzinsansprüche des Vermieters für die Zeit nach dem Auszug.

Wichtig an dieser Entscheidung ist, dass der in der Wohnung verbleibende Ehegatte seine Mitwirkung an dieser Erklärung nicht davon abhängig machen kann, dass sich die Ehegatten zuvor über die Verteilung der das Mietverhältnis betreffenden Kosten geeinigt haben. Beispielsweise darüber, wer die Kosten durchzuführender Schönheitsreparaturen übernimmt.

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Elternwille bestimmt Religionszugehörigkeit des Kindes

Rechtskräftiger Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 29.03.2016 (2 UF 223/15)
Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 06.05.2016

Bestimmen Kindeseltern die Religions­zu­ge­hö­rig­keit ihres Kindes, bleibt diese Bestimmung auch dann verbindlich, wenn das Kind – nach einem Entzug der elterlichen Sorge unter vormundschaftlicher Verantwortung des Jugendamtes – in einer Pflegefamilie aufwächst, die einer anderen Religion angehört und nach dieser lebt. Der Vormund ist dann nicht befugt, die Erstbestimmung der leiblichen Eltern zu ändern. Das hat der 2. Senat für Familien­sachen des Oberlandesgerichts Hamm am 29.03.2016 in einer vom Amts­gericht – Familiengericht – Dorsten in erster Instanz entschiedenen Familiensache beschlossen und damit den Antrag des Vormundes, die römisch-katholische Erziehung des Kindes zu genehmigen, zurück­gewiesen.

Die im 1986 Jahre geborene Verfahrensbeteiligte aus Duisburg ist Mutter der im Jahre 2007 geborenen Tochter. Die Kindes­mut­ter stammt aus einem Land Nordafrikas und ist mus­li­mi­schen Glaubens. Der im Jahre 1968 in Duisburg geborene, nicht sorgeberechtigte Kindesvater stammt von evangelischen Eltern ab.
Unmittelbar nach der Geburt nahm das Jugendamt das Kind in Obhut und verbrachte es in eine Bereitschaftspflegefamilie. Tags darauf entzog das Familiengericht der Mutter Teile der elterlichen Sorge, u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge. In dem danach durch­ge­führ­ten Sorgerechtsverfahren brachte die Kindesmutter in meh­re­ren an das Familiengericht gerichteten Schreiben ihre Er­war­tung zum Ausdruck, dass das Kind nach dem mus­li­mi­schen Glauben groß gezogen werden solle. In diesem Sinne äußerte sie sich auch gegenüber der in dem Verfahren bestellten Sachverständigen.

Im Jahre 2008 entzog das Familiengericht der Kindesmutter die elterliche Sorge und übertrug diese dem Jugendamt als Vor­mund. Seit dem Jahre 2009 lebt das Kind inkognito in einer Dauerpflegefamilie, die ihre eigenen Kinder nach christlichen Wertvorstellungen erzieht und römisch-katholisch taufen ließ. Nach den Vorstellungen der Pflegeeltern und des Vormundes soll die Pflegetochter katholisch getauft werden, damit sie nach ihrer Teilnahme am katholischen Religionsunterricht auch die Erstkommunion empfangen kann. Dies entspreche, so diese Beteiligten, auch dem Wunsch des Kindes.

Das Familiengericht hat die vom Vormund getroffene An­ord­nung, das Pflegekind in der römisch-katholischen Religion zu erziehen, genehmigt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter, die mit einer Taufe ihrer Tochter und ihrer römisch-katholischen Erziehung nicht einverstanden ist.
Die Beschwerde war erfolgreich. Der 2. Senat für Familien­sachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die familien­gerichtliche Genehmigung, das Pflegekind nach dem römisch-katholischen Glauben zu erziehen, abgelehnt.

Der Vormund könne die (römisch-katholische) Religions­zuge­hörigkeit des Kindes, so der Senat, nicht mehr bestimmen. Das ließen die Vorschriften des Gesetzes über die religiöse Kinder­erziehung nicht zu. Die Kindesmutter habe zuvor entschieden, dass ihre Tochter nach dem muslimischen Glauben erzogen werden solle. An diese Erstbestimmung sei der Vormund gebunden. Das Gesetz über die religiöse Kindererziehung erlaube ihm nicht, diese zu ändern.
Ihr Erstbestimmungsrecht habe die Kindesmutter noch vor dem vollständigen Entzug der elterlichen Sorge ausgeübt. Das ergebe sich aus ihren im Sorgerechtsverfahren dokumentierten schriftlichen und persönlichen Äußerungen. Zu Zeitpunkt dieser Äußerungen sei die Kindesmutter noch Inhaberin des zur religiösen Erziehung des Kindes berechtigenden Teils der elterlichen Sorge gewesen.
Nach dem einschlägigen Gesetz sei insoweit unerheblich, ob diese Entscheidung auf heutiger Sicht dem Kindeswohl entspreche. Unerheblich sei auch, dass die Kindesmutter zu keiner Zeit in der Lage gewesen sei, mit ihrem Kind ihre Religionszugehörigkeit zu leben. Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift erfordere lediglich ein nach außen dokumentiertes Bekenntnis der Kindeseltern zur Religionszugehörigkeit des Kindes. Ein solches Bekenntnis habe die Kindesmutter abgegeben.

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Unterhaltsrecht: Dienstwagen

Nutzt der Unterhaltsschuldner ein Dienst­fahr­zeug auch privat, erhöht sich der von ihm zu zahlende Unterhalt.

Neben ihrem Grundgehalt erhalten Mitarbeiter häufig weitere geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers beispielsweise auch dadurch, dass ihnen ein Firmenfahrzeug sowohl für berufliche als auch private Zwecke zur Verfügung gestellt wird. Nach ein­hel­liger Auffassung ist dies als Sachbezug zu qualifizieren und damit bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Ein­kom­mens des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen. Wichtig zu wissen ist, dass der vermögenswerte Vorteil für die Privat­nut­zung des Firmenfahrzeugs nicht identisch mit dem Gehalts­be­stand­teil der PKW-Nutzung, der sich nach der sogenannten 1%-Regelung richtet (1% des Bruttolistenpreises). Dieser Vorteil ist vielmehr in jedem Einzelfall nach der jeweiligen Sachlage ent­sprechend dem Umfang der Arbeitgeberleistung zu schätzen. Be­rücksichtigt wird hier beispielsweise, wer die KFZ-Versicherung be­zahlt oder wer die Kosten für Steuern und Benzin übernimmt. In der gerichtlichen Praxis wird für den Anteil der Privatnutzung in der Regel ein Betrag zwischen 200,00 bis 500,00 € als an­ge­messen erachtet. Übernimmt der Arbeitgeber die Betriebskosten für das Fahrzeug, kann in aller Regel ein pauschaler Abzug von 5 % des Nettoeinkommens für berufsbedingte Aufwendungen nicht mehr erfolgen.

Neben einer Schätzung des vermögenswerten Vorteils besteht aber auch die Möglichkeit einer konkreten Berechnung des Sachvorteils. Im Grundsatz geht es darum, ein fiktives Ein­kom­men ohne Sachbezug zu errechnen und hieraus den bereinigten Sachvorteil zu ermitteln. Obwohl die Berechnungsweise hierzu kompliziert ist, kann eine konkrete Berechnung aus Sicht sowohl des Unterhaltsschuldners als auch des Unterhaltsgläubigers zu günstigeren Ergebnissen führen.

Festzuhalten bleibt, dass sowohl nach einer konkreten Be­rech­nung als auch bei einer Schätzung ein vermögenswerter Vorteil für die Privatnutzung des Firmenfahrzeugs errechnet wird, wel­cher das unterhaltsrechtliche Einkommen des Unterhalts­schuldners erhöht und damit auch die Unterhaltsforderung der Gläubigerin.

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Oberlandesgericht Hamm konkretisiert Anforderungen an die Einwilligung der Eltern in die ärztliche Behandlung ihrer Kinder

Ein ärztlicher Heileingriff bei einem minder­jährigen Kind bedarf grundsätzlich der Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern. Erscheint nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt, darf dieser in von der Rechtsprechung präzisierten Ausnahmefällen – abhängig von der Schwere des Eingriffs – darauf vertrauen, dass der ab­wesende Elternteil den erschienenen Elternteil zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff ermächtigt hat.

Ausgehend hiervon hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29.09.2015 die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Bielefeld bestätigt, nach der die gegen eine Bie­le­felder Klinik und behandelnde Ärzte dieser Klinik gerichtete Scha­densersatzklage von Eltern aus Bad Oeynhausen erfolglos ge­blie­ben ist. Mit der Klage hatten die Eltern 500.000 Euro Schmer­zens­geld für ihr im Alter von 2 ½ Jahren verstorbenes Kind verlangt.

Die im November 2008 in der 32. Schwangerschaftswoche mit multiplen Krankheitssymptomen geborene Tochter der Kläger wurde nach der Geburt zunächst im Herzzentrum Bad Oeyn­hausen betreut. Im Januar 2009 erfolgte ihre Verlegung auf die kinderchirurgische Klinik des beklagten Krankenhauses zur diagnostischen operativen Biopsie mit dem Zweck des Aus­schlusses eines Morbus Hirschsprung. Bei dem ärztlichen Auf­klärungsgespräch war nur die Klägerin anwesend, die auch den anästhesistischen Aufklärungsboden allein unterzeichnete. Im Rahmen der kurz darauf durchgeführten Operation kam es zu Schwierigkeiten bei der Intubation und Beatmung des Kindes, so dass letztendlich vom operativen Eingriff abgesehen wurde. In der Folgezeit wurde das Kind fast durchgehend in Kranken­häusern behandelt, bevor es im Juli 2011 verstarb.

Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm haben die Kläger weiter geltend gemacht, vor dem Eingriff der Be­klag­ten nicht hinreichend über Risiken und Behandlungsalternativen aufgeklärt worden zu sein. Zudem habe der Kläger selbst keine Einwilligung erteilt, obwohl dies zwingend erforderlich gewesen sei.

Die Schadensersatzklage ist auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben. Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm konnte keinen die Haftung der Beklagten begründenden Aufklärungsfehler feststellen. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, so der Senat, dass die Klägerin vor dem Eingriff hinreichend über die mit der Narkose ver­bun­de­nen Behandlungsrisiken aufgeklärt worden sei. Weil es insoweit keine Behandlungsalternativen gegeben habe, habe über solche nicht aufgeklärt werden müssen.

Die Einwilligung der Kläger in die Behandlung sei auch nicht deshalb unwirksam gewesen, weil nur die Klägerin am Auf­klärungsgespräch teilgenommen und den Aufklärungsbogen unterzeichnet habe.

Grundsätzlich müssten beide sorgeberechtigten Eltern einem ärztlichen Heileingriff bei ihrem minderjährigen Kind zustimmen. Erscheine nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt, dürfe dieser allerdings in von der Rechtsprechung präzisierten Ausnahme­fäl­len darauf vertrauen, dass der abwesende Elternteil den er­schie­nenen Elternteil zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff er­mäch­tigt habe.

In Routinefällen (Ausnahmefall 1) dürfe der Arzt – bis zum Vorliegen entgegenstehender Umstände – davon ausgehen, dass der mit dem Kind bei ihm erscheinende Elternteil die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den anderen Elternteil miterteilen dürfe.

Gehe es um ärztliche Eingriffe schwerer Art mit nicht unbe­deu­ten­den Risiken (Ausnahmefall 2), müsse sich der Arzt ver­ge­wis­sern, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des an­de­ren Elternteils habe und wie weit diese reiche. Dabei dürfe er aber – bis zum Vorliegen entgegenstehender Umstände – davon ausgehen, vom erschienenen Elternteil eine wahrheits­gemäße Auskunft zu erhalten.

Gehe es um schwierige und weitreichende Entscheidungen über die Behandlung des Kindes (Ausnahmefall 3), etwa um eine Herzoperation, die mit erheblichen Risiken für das Kind ver­bun­den seien, liege eine Ermächtigung des abwesenden Eltern­teils zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff durch den anwesenden Elternteil nicht von vornherein nahe. Deshalb müsse sich der behandelnde Arzt in diesen Fällen darüber vergewissern, dass der abwesende Elternteil mit der Behandlung einverstanden sei.

Die im vorliegenden Fall vorgesehene Biopsie sei als leichter bis mittelgradiger Eingriff mit normalen Anästhesierisiken zu bewerten und in die Kategorie des Ausnahmefalls 2 einzuordnen. Deswegen sei es ausreichend gewesen, dass sich der das Aufklärungsgespräch führende Arzt bei der Klägerin nach der Einwilligung des Klägers erkundigt habe und sich diese durch die Unterschrift der Klägerin auf dem Aufklärungsbogen, der einen entsprechenden Hinweis enthalte, habe bestätigen lassen.

Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29.09.2015 (26 U 1/15), nicht rechtskräftig (BGH VI ZR 622/15)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 16.11.2015

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Bundesarbeitsgericht ändert Rechtsprechung zu Späteheklauseln in der betrieblichen Altersversorgung

Späteheklauseln stellen eine unzulässige Alters­diskriminierung dar. Sogenannte Spätehe­klauseln sind häufig Bestandteil betrieblicher Regelungen zur Alters­ver­sor­gung. Danach besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Witwen-/ Witwerrente nur dann, wenn die Ehe zwischen dem ver­sor­gungs­berechtigten Mitarbeiter und dessen Ehepartner geschlossen wurde, bevor dieser ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat.

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 04.08.2015 (Aktenzeichen 3 AZR 137/13) lag eine Pensionsregelung zugrunde, welche eine betriebliche Altersrente einschließlich einer Witwenversorgung nur für den Fall vorsah, dass der ver­sorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hatte. Da der Mitarbeiter hier erst mit 61 Jahren geheiratet hatte, berief sich das Unter­nehmen nach dessen Tod auf diese Regelung und weigerte sich, an die Ehefrau des Verstorbenen eine Witwenrente zu bezahlen.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass der Aus­schluss der Witwe von der Witwenrente nicht gerechtfertigt sei, da die dem Ausschluss zugrunde liegende Klausel eine un­mit­tel­bare Diskriminierung wegen des Alters (§ 7 Abs. 2 AGG) darstelle und so zu einer „übermäßigen Beeinträchtigung der le­gi­ti­men Interessen der Versorgungsberechtigten Arbeit­nehmer“ führe.

Diese Entscheidung ist insoweit interessant, als das Bundes­arbeitsgericht noch in seiner Entscheidung vom Oktober 2013 (Aktenzeichen 3 AZR 707/11) eine Pensionsregelung, wonach die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungs­be­rech­tigten Arbeitnehmer geschlossen werden musste, für rechtmäßig erklärt hat.

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Ermitt­lung der in­divi­duell­en Steu­er­last beim Eltern­unter­halt

Bei den Einkünften eines zum Elternunterhalt verpflichteten Kindes sind (selbstverständlich) dessen Steuerbelastungen zu berücksichtigen. Aufgrund der Möglichkeit, die Steuerklassen individuell zu wählen, kommen Gestaltungen, wonach der zum Elternunterhalt Verpflichtete, zum Beispiel wegen seiner höheren Einkünfte die Steuerklasse III gewählt hat, seine Ehefrau dagegen die Steuerklasse V, häufig vor.

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Hinterbliebenenversorgung – Spätehenklausel – Diskriminierung wegen des Alters

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte ver­pflichtet ist, an die Klägerin eine Hinter­blie­be­nen­versorgung zu zahlen.

Die Klägerin ist die Witwe eines im April 1947 geborenen und im Dezember 2010 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters der Be­klagten. Diesem waren Leistungen der betrieblichen Alters­ver­sor­gung einschließlich einer Witwenversorgung zugesagt worden. Die maßgebliche Pensionsregelung enthält eine „Spätehen­klausel“, nach der zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung der Witwen-/Witwerrente ist, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht; die Ehe war erst am 8. August 2008 geschlossen worden. Die Beklagte weigerte sich aus diesem Grund, an die Klägerin eine Witwenrente zu zahlen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die „Spätehenklausel“ ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam. Der verstorbene Ehemann der Klägerin wurde durch die „Spätehenklausel“ unmittelbar wegen des Alters benachteiligt. Die Benachteiligung kann weder in direkter noch in ent­spre­chen­der Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt wer­den. Diese Bestimmung lässt bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zu. Sie erfasst, soweit es um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geht, nur die Alters- und Invaliditätsversorgung und nicht die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen-/Witwerversorgung. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG liegen nicht vor. Die „Spätehenklausel“ führt zu einer über­mäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 40/15 vom 04.08.2015
Urteil vom 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 –

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Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeit­nehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.

Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzt­helferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt über­wie­gend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Labor­bereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensions­berechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Alters­diskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benach­tei­ligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Be­klag­ten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu er­war­ten­den Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Labor­leistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeits­gerichts Erfolg. Die Kündigung verstößt gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschä­di­gungs­anspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 37/15 vom 23.07.2015
Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14 –

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Außerordentliche Kündigung – Nutzung dienstlicher Ressourcen zur Herstellung privater „Raubkopien“

Ein Grund zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann darin liegen, dass ein Arbeitnehmer privat beschaffte Bild- oder Ton­träger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienst­lichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche „DVD-“ bzw. „CD-Rohlinge“ kopiert. Das gilt unabhängig davon, ob darin zugleich ein strafbewehrter Ver­stoß gegen das Urheberrechtsgesetz liegt. Über einen solchen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden.

Der Kläger war seit Februar 1992 bei dem beklagten Land beschäftigt. Er nahm die Funktion des „IT-Verantwortlichen“ beim Oberlandesgericht N. wahr. Zu seinen Aufgaben gehörte ua. die Verwaltung des „ADV-Depots“. Mit ihr war die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs – etwa von Datensicherungsbändern, CDs und DVDs – verbunden. Anfang März 2013 räumte der Leiter der Wachtmeisterei in einem Personalgespräch ein, den dienstlichen Farbdrucker seit längerer Zeit zur Herstellung sog. „CD-Cover“ genutzt zu haben. Bei einer Mitte März 2013 erfolgten Geschäftsprüfung wurden auf den Festplatten eines vom Kläger genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden. Zudem war ein Programm installiert, das geeignet war, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Es stellte sich heraus, dass in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs bearbeitet worden waren. Im gleichen Zeitraum waren etwa gleich viele DVD-Rohlinge von Seiten des Gerichts bestellt und geliefert worden. Bei näherer Untersuchung und Aus­wer­tung der vom Kläger benutzten Festplatten wurden Anfang April 2013 weitere (Audio-)Dateien aufgefunden. Der Kläger ließ sich im Verlauf der Ermittlungen dahin ein, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er „gemacht“. Er habe für andere Mitarbeiter „natürlich auch kopiert“. Die Äußerungen nahm er einige Tage später „ausdrücklich zurück“. Mit Schreiben vom 18. April 2013 erklärte das beklagte Land die außer­ordentliche fristlose, mit Schreiben vom 13. Mai 2013 hilfs­weise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe. Zudem habe das beklagte Land durch lediglich eigene Ermittlungen – ohne Ein­schaltung der Strafverfolgungsbehörden – weder eine um­fas­sende, den Kläger möglicherweise entlastende Aufklärung leisten, noch den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Er­klä­rung einer außerordentlichen Kündigung hemmen können. Im Übrigen habe es gegenüber den anderen Beteiligten keine ver­gleichbaren Maßnahmen ergriffen und den Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet.

Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Eine (fristlose) Kündigung kommt auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle frag­lichen Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit an­deren Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht hat. Aus dem Um­stand, dass es ihm erlaubt gewesen sein mag, seinen dienst­li­chen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, konnte er nicht schließen, ihm seien die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet.

Die fristlose Kündigung ist ebenso wenig deshalb unwirksam, weil das beklagte Land Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat. Ein solches Vorgehen ist dem Arbeitgeber grundsätzlich un­be­nommen. Solange er die Ermittlungen zügig durchführt, wird auch dadurch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ge­hemmt.

Nicht entscheidend ist, welche Maßnahmen das beklagte Land gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen hat. Der Gleich­behandlungsgrundsatz findet im Rahmen verhaltens­bedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung. Im Übrigen ist nicht festgestellt, inwieweit sich die Sachverhalte unter Be­rück­sichtigung der Einzelheiten und der Stellung der anderen Be­schäftigten wirklich gleichen.

Da auch die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgte, hat das Bundesarbeitsgericht das zweitinstanzliche Urteil auf­ge­hoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landes­arbeitsgericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 36/15 vom 16.07.2015
Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 –

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