Hinterbliebenenversorgung – Spätehenklausel – Diskriminierung wegen des Alters

Hinterbliebenenversorgung – Spätehenklausel – Diskriminierung wegen des Alters

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte ver­pflichtet ist, an die Klägerin eine Hinter­blie­be­nen­versorgung zu zahlen.

Die Klägerin ist die Witwe eines im April 1947 geborenen und im Dezember 2010 verstorbenen ehemaligen Mitarbeiters der Be­klagten. Diesem waren Leistungen der betrieblichen Alters­ver­sor­gung einschließlich einer Witwenversorgung zugesagt worden. Die maßgebliche Pensionsregelung enthält eine „Spätehen­klausel“, nach der zusätzliche Voraussetzung für die Zahlung der Witwen-/Witwerrente ist, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter die Ehe vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat. Diese Voraussetzung erfüllte der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht; die Ehe war erst am 8. August 2008 geschlossen worden. Die Beklagte weigerte sich aus diesem Grund, an die Klägerin eine Witwenrente zu zahlen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die „Spätehenklausel“ ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam. Der verstorbene Ehemann der Klägerin wurde durch die „Spätehenklausel“ unmittelbar wegen des Alters benachteiligt. Die Benachteiligung kann weder in direkter noch in ent­spre­chen­der Anwendung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt wer­den. Diese Bestimmung lässt bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Unterscheidungen nach dem Alter unter erleichterten Voraussetzungen zu. Sie erfasst, soweit es um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geht, nur die Alters- und Invaliditätsversorgung und nicht die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwen-/Witwerversorgung. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung der unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nach § 10 Sätze 1 und 2 AGG liegen nicht vor. Die „Spätehenklausel“ führt zu einer über­mäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 40/15 vom 04.08.2015
Urteil vom 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 –

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Über den Autor

Dr. jur. Reinhard Popp author

Rechtsanwalt in München
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Familienrecht
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