Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers – Einwilligungserfordernis

Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse von Arbeit­nehmern nur mit ihrer Einwilligung veröffentlicht werden. Diese muss schriftlich erfolgen. Eine ohne Einschränkung erteilte Einwilligung des Arbeitnehmers erlischt nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Sie kann aber widerrufen werden, wenn dafür ein plausibler Grund angegeben wird.

Der Kläger war im Sommer 2007 in die Dienste der Beklagten getreten, die ein Unternehmen für Klima- und Kältetechnik mit etwa 30 Arbeitnehmern betreibt. Im Herbst 2008 erklärte der Kläger schriftlich seine Einwilligung, dass die Beklagte von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen macht und diese für ihre Öffentlichkeitsarbeit verwendet und ausstrahlt. Danach ließ die Beklagte einen Werbefilm herstellen, in dem zweimal die Person des Klägers erkennbar abgebildet wird. Das Video konnte von der Internet-Homepage der Beklagten aus angesteuert und ein­ge­se­hen werden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete im September 2011. Im November 2011 erklärte der Kläger den Widerruf seiner „möglicherweise“ erteilten Einwilligung und forderte die Beklagte auf, das Video binnen 10 Tagen aus dem Netz zu nehmen. Dem folgte die Beklagte – unter Vorbehalt – Ende Januar 2012. Der Kläger verlangt die Unterlassung wei­te­rer Veröffentlichung und Schmerzensgeld.

Die Klage war vor dem Arbeitsgericht teilweise, vor dem Landes­arbeitsgericht zur Gänze erfolglos geblieben. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat keinen Erfolg. Unterstellt, die Abbildungen vom Kläger in dem Video bedurften seiner Ein­willigung nach § 22 KUG, so hatte die Beklagte diese erhalten. Auch das Erfordernis einer schriftlichen Ein­willigung, das sich aus dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbst­be­stim­mung ergibt, war im Falle des Klägers erfüllt. Seine ohne Ein­schränkungen gegebene schriftliche Zustimmung erlosch nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Ein späterer Widerruf war grundsätzlich möglich, jedoch hat der Kläger für diese gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben. Er kann daher eine weitere Veröffentlichung nicht untersagen lassen und würde durch diese in seinem Persönlichkeitsrecht nicht verletzt werden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 8/15 vom 19.02.2015
Urteil vom 10. Februar 2015 – 8 AZR 1011/13 –

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Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung

 Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich unter Wah­rung der Kündigungsfrist und erklärt er im Kün­di­gungs­schreiben, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Un­wirk­samkeit der außerordentlichen Kündigung unter An­rech­nung der Urlaubsansprüche von der Ver­pflichtung zur Arbeitsleistung frei­gestellt wird, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub nicht erfüllt, wenn die außerordentliche Kün­di­gung unwirksam ist.

Nach § 1 BUrlG setzt die Erfüllung des Anspruchs auf Er­ho­lungs­urlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Ar­beits­leistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb ge­währt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1987 be­schäftigt. Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Be­klag­te das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 2011. Im Kündigungs­schreiben heißt es: „Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstunden­ansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeits­lei­stung freigestellt.“ Im Kündigungsrechtsstreit schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sie die wechselseitigen An­sprüche regelten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, mit der der Kläger die Abgeltung von 15,5 Urlaubstagen verlangt. Das Landes­arbeits­gericht hat der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Zwar hat die Beklagte mit der Freistellungserklärung im Kündigungsschreiben den Anspruch des Klägers auf bezahlten Erholungsurlaub mangels einer vor­behaltlosen Zusage von Urlaubsentgelt nicht erfüllt. Die Klage war jedoch abzuweisen, weil die Parteien in dem vor dem Arbeits­gericht geschlossenen Vergleich ihre Ansprüche ab­schließend regelten.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 2/15 vom 10.02.2015
Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13 –

 

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Leistungsbeurteilung im Zeugnis

Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis unter Verwendung der Zufrieden­heits­skala, die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erfüllt zu haben, erteilt er in Anlehnung an das Schulnotensystem die Note „befriedigend“. Beansprucht der Arbeitnehmer eine bessere Schlussbeurteilung, muss er im Zeugnisrechtsstreit entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen. Dies gilt grund­sätzlich auch dann, wenn in der einschlägigen Branche überwiegend gute („stets zur vollen Zufriedenheit“) oder sehr gute („stets zur vollsten Zufriedenheit“) Endnoten vergeben werden.

Die Klägerin war vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011 in der Zahnarztpraxis der Beklagten im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten ua. die Praxisorganisation, Betreuung der Patienten, Terminvergabe, Führung und Verwaltung der Patientenkartei, Ausfertigung von Rechnungen und Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Darüber hinaus half die Klägerin bei der Erstellung des Praxis­qualitätsmanagements. Die Beklagte erteilte ihr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis. Die Parteien streiten noch darüber, ob die Leistungen der Klägerin mit „zur vollen Zufriedenheit“ oder mit „stets zur vollen Zu­frie­denheit“ zu bewerten sind. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und angenommen, die Beklagte habe nicht dar­gelegt, dass die von der Klägerin beanspruchte Beurteilung nicht zutreffend sei.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien, nach denen fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen, führen nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Be­weis­last. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Verteilung der Darlegungs- und Beweis­last nicht auf die in der Praxis am häufigsten vergebenen Noten an. Ansatz­punkt ist die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zu­frie­den­heitsskala. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, muss er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im Übrigen lassen sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass neun von zehn Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungen eingegangen sind, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich „wahres“ Zeugnis. Das umfasst auch die Schlussnote. Ein Zeugnis muss auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

Der Neunte Senat hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird als Tatsacheninstanz zu prüfen haben, ob die von der Klägerin vorgetragenen Leistungen eine Beurteilung im oberen Bereich der Zufriedenheitsskala recht­fertigen und ob die Beklagte hiergegen beachtliche Einwände vorbringt.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 61/14 vom 18.11.2014
Urteil vom 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 –

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Islamisches Kopftuch und Annahmeverzug

Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zu­ge­hörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer abweichenden Religions­zu­ge­hö­rig­keit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu neutralem Ver­halten nicht vereinbar.

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.

Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, ist seit 1996 bei der beklagten Krankenanstalt – zuletzt als Kranken­schwester – angestellt. Arbeitsvertraglich sind die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von West­falen geltenden Fassung (BAT-KF) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Bezug genommen. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig krank. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an. Dabei teilte sie der Beklagten mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte nahm dieses Angebot nicht an und zahlte keine Arbeitsvergütung. Mit der Zahlungsklage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen An­nahmeverzugs für die Zeit vom 23. August 2010 bis zum 31. Januar 2011.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage ab­ge­wie­sen. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Be­ru­fungs­urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Zwar kann einer Arbeitnehmerin in einer kirchlichen Einrichtung regelmäßig das Tragen eines islamischen Kopftuchs untersagt werden, es ist aber nicht geklärt, ob die Einrichtung der Beklagten der Evan­ge­li­schen Kirche institutionell zugeordnet ist. Zudem ist offen, ob die Klägerin im Streitzeitraum leistungsfähig war. Das Angebot, die Tätigkeit auf der Grundlage eines vom behandelnden Arzt er­stell­ten Wiedereingliederungsplans aufzunehmen, indiziert die feh­lende Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 48/14 vom 24.09.2014
Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 611/12 –

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Keine Altersdiskriminierung durch die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB

Die vom Arbeitgeber einzuhaltende gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB beträgt vier Wochen zum Fünfzehnten oder Ende eines Kalendermonats und verlängert sich gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bei längerer Betriebszugehörigkeit in mehreren Stufen. Diese Staffelung der Kündigungsfristen verletzt das Verbot der mittel­baren Alters­diskriminierung nicht.

Die Beklagte betreibt eine Golfsportanlage und beschäftigt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Das Kündigungsschutzgesetz fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien darum keine Anwendung. Die 1983 geborene Klägerin war seit Juli 2008 als Aushilfe bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Ein­hal­tung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zum 31. Januar 2012. Die Klägerin zieht die prinzipielle Wirksamkeit dieser Kündigung nicht in Zweifel. Sie ist jedoch der Auffassung, die Staffelung der Kündigungsfristen unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit begünstige ältere Arbeitnehmer, weil langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien. Jüngere Arbeitnehmer wie sie würden dagegen benachteiligt. Darin liege eine von der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) untersagte mittelbare Dis­kri­mi­nie­rung wegen des Alters. Dies habe zur Folge, dass die in § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB vorgesehene längst mögliche Kün­di­gungs­frist von sieben Monaten zum Ende eines Kalender­monats für alle Arbeitnehmer unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit gelten müsse. Darum habe das Arbeitsverhältnis erst mit dem 31. Juli 2012 geendet.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundes­arbeits­gerichts keinen Erfolg. Zwar führt die Differenzierung der Kündigungsfrist nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt jedoch das rechtmäßige Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kün­di­gungs­schutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i) RL 2000/78/ EG. Darum liegt keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters vor.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 44/14 vom 18.09.2014
Urteil vom 18. September 2014 – 6 AZR 636/13 –

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Benachteiligung wegen des Geschlechts bei einer Bewerbung

Bei einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts kann die besondere Benachteiligung des einen Geschlechts durch ein dem Anschein nach neutrales Kriterium mit einem Verweis auf statistische Erhebungen dargelegt werden. Die herangezogene Statistik muss aussagekräftig, dh. für die umstrittene Fallkonstellation gültig sein.

18Die Beklagte betreibt einen lokalen Radiosender und suchte im Frühjahr 2012 für eine Vollzeitstelle eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Die Klägerin be­warb sich auf diese Stelle im April 2012, im beigefügten Le­bens­lauf wies sie auf ihre Ausbildungen als Verwaltungsfachfrau und zur Bürokauffrau hin. Außerdem gab sie dort an „Familienstand: verheiratet, ein Kind“. Anfang Mai 2012 erhielt die Klägerin eine Absage, auf dem zurückgesandten Lebenslauf war der Angabe zum Familienstand hinzugefügt „7 Jahre alt!“, dies und die von der Klägerin stammende Angabe „ein Kind“ war unterstrichen. Die Klägerin sieht sich als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, die eine Vollzeitbeschäftigung anstrebt, benachteiligt. Die Notiz der Beklagten auf ihrem Lebenslauf spreche dafür, dass die Beklagte Vollzeittätigkeit und die Betreuung eines siebenjährigen Kindes nicht oder nur schlecht für vereinbar halte. Die Beklagte hat eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts abgelehnt. Sie hat darauf verwiesen, eine junge verheiratete Frau eingestellt zu haben, die über eine höhere Qualifikation verfüge.

Die Revision der Beklagten, die vom Landesarbeitsgericht wegen mittelbarer Benachteiligung der Klägerin zu einer Entschädigung iHv. 3.000,00 € verurteilt worden war, hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die vom Berufungs­gericht herangezogene Statistik (Mikrozensus) für den Anteil von Ehefrauen mit Kind an der Gesamtzahl der Vollbeschäftigten lässt keine Aussagen für den Fall der Klägerin zu. Das Landes­arbeitsgericht als Tatsachengericht wird aber zu prüfen haben, ob in dem Verhalten der Beklagten nicht eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin als Frau zu sehen ist, was eine Auslegung des Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf erfordert.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 46/14 vom 18.09.2014
Urteil vom 18. September 2014 – 8 AZR 753/13 –

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Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

Nach § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr An­spruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BUrlG un­ab­dingbar. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG bindet den Ur­laubs­anspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeits­verhältnis noch ordnet es die Kürzung des Ur­laubs­anspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeits­verhältnisses an.

Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeit­geber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Ar­beits­verhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) findet sich dagegen nicht. Kommt es zum Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.

Die Klägerin war bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. Sep­tember 2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Beklagten die Abgeltung von 15 Ur­laubs­tagen aus dem Jahr 2011. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub stand dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegen. Er berechtigte die Beklagte auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 22/14 vom 06.05.2014
Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12 –

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Anspruch einer Krankenschwester, nicht für Nachtschichten eingeteilt zu werden

Kann eine Krankenschwester aus gesund­heitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus der sog. Vollversorgung mit etwa 2.000 Mitarbeitern. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Arbeits­vertraglich ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Not­wen­dig­keiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechsel­schicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebs­vereinbarung ist eine gleichmäßige Planung ua. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal bei der Beklagten arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Die Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.

Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflege­direktor die Klägerin am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung – mit Aus­nahme von Nachtdiensten – ausdrücklich an. Bis zur Ent­schei­dung des Arbeitsgerichts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld.

Die auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung gerichtete Klage war beim Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ebenso wie in den Vorinstanzen, erfolgreich. Die Klägerin ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Die Beklagte muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen. Die Vergütung steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und die Beklagte erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 16/14 vom 09.04.2014
Urteil vom 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 –

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Tausche gutes Zeugnis gegen Verzicht auf Kündigungsschutzklage

Deals gibt es nicht nur im Strafrecht. In einem vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschiedenen Fall (Urteil vom 27.03.2014, Az.: 5 Sa 1099/13) ging es darum, dass ein Arbeitnehmer in einer Abwicklungsvereinbarung auf sein Recht, Kün­di­gungs­schutzklage zu erheben, verzichtet hat.

Als Gegenleistung hierfür sollte er ein Zeugnis mit der Ge­samt­note „gut“ erhalten. Später bereute er den Klage­ver­zicht und wollte diese Vereinbarung rückgängig machen. Der Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage ohne jede arbeit­geberseitige Kompensation benachteilige ihn unangemessen und sei daher gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Das Gericht sah dies anders und stellte fest, dass die Er­teilung eines guten Zeugnisses eine ausreichende Gegen­leistung darstellt, welche zur Wirksamkeit des Klageverzichts führt. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der Arbeitnehmer ohne eine solche Vereinbarung, nach (noch) ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, le­dig­lich einen Anspruch auf Erteilung eines durchschnittlichen Zeugnisses mit der Abschlussnote „zur vollen Zufriedenheit“ gehabt hätte.

Der vorliegende Fall verdeutlicht erneut, dass bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages Vorsicht geboten ist. Mög­li­cher­weise hätte der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz nicht verloren und auch ohne die Aufhebungsvereinbarung ein gutes Zeugnis erhalten, da der Tausch gegen einen Klage­verzicht eventuell nicht nötig gewesen wäre. Es empfiehlt sich daher dringend, vor Abschluss von Aufhebungs­ver­ein­ba­rungen Rechtsrat einzuholen.

» weitere Informationen zum Thema Aufhebungsvertrag

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Diskriminierung wegen Schwangerschaft – Entschädigung

Wird unter Verstoß gegen das Mutter­schutz­gesetz einer schwangeren Arbeitnehmerin eine Kündigung erklärt, stellt dies eine Benach­tei­li­gung wegen des Geschlechts dar und kann einen Anspruch auf Entschädigung auslösen.

Die Klägerin sieht sich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Im Kleinbetrieb ihrer Arbeitgeberin galt zwar nicht das Kün­di­gungsschutzgesetz, für die schwangere Klägerin bestand jedoch der besondere Kündigungsschutz des § 9 MuSchG. Anfang Juli 2011 wurde aus medizinischen Gründen zudem ein Be­schäf­ti­gungs­verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG für die Klägerin aus­ge­spro­chen. Dem Ansinnen der Beklagten, dieses Beschäftigungsverbot nicht zu beachten, widersetzte sich die Klägerin. Am 14. Juli 2011 wurde festgestellt, dass ihre Leibesfrucht abgestorben war. Für den damit notwendig gewordenen Eingriff wurde die Klägerin auf den 15. Juli 2011 ins Krankenhaus einbestellt. Sie unter­richtete die Beklagte von dieser Entwicklung noch am 14. Juli 2011 und fügte hinzu, dass sie nach der Genesung einem Be­schäf­tigungsverbot nicht mehr unterliegen werde. Die Beklagte sprach umgehend eine fristgemäße Kündigung aus und warf diese noch am 14. Juli in den Briefkasten der Klägerin. Dort entnahm sie die Klägerin nach ihrer Rückkehr aus dem Kranken­haus am 16. Juli 2011.

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.000,00 Euro zugesprochen hatte, bestätigt. Die Klägerin wurde wegen ihrer Schwangerschaft von der Beklagten ungünstiger behandelt und daher wegen ihres Geschlechtes benachteiligt, § 3 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­gesetzes (AGG) in Verbindung mit § 1 AGG. Dies ergibt sich schon aus dem Verstoß der Beklagten gegen das Mutter­schutz­gesetz. Da Mutter und totes Kind noch nicht getrennt waren, bestand noch die Schwangerschaft im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Auch der Versuch, die Klägerin zum Ignorieren des Beschäftigungsverbotes zu bewegen und der Ausspruch der Kündigung noch vor der künstlich einzuleitenden Fehlgeburt indizieren die ungünstigere Behandlung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft. Der besondere, durch § 3 Abs. 1 AGG betonte Schutz der schwangeren Frau vor Benachteiligungen führt je­den­falls in einem Fall wie dem vorliegenden auch zu einem Ent­schä­digungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG. Dies ist unabhängig von der Frage zu sehen, ob und inwieweit Kündigungen auch nach den Bestimmungen des AGG zum Schutz vor Dis­kri­mi­nie­run­gen zu beurteilen sind.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 77/13 vom 12.12.2013
Urteil vom 12. Dezember 2013 – 8 AZR 838/12 –

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