Jahresarchiv 23. September 2016

Ist die Auferlegung von Zwangsgeld zur Mitteilung der Adressen der Geschwister an das Nachlassgericht möglich?

Das OLG Karlsruhe hat mit Datum vom 18.05.2016, Aktenzeichen 11 W 41/16 (Wx), beschlossen, dass § 35 FamFG dem Gericht nicht die Befugnis gibt, einem Beteiligten Verpflichtungen beliebigen Inhalts aufzuerlegen und diese durch Zwangsmittel zu erzwingen.

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Dem Beschwerdeführer wurde durch das Nachlassgericht ein Zwangsgeld auferlegt. Dieser ist Sohn der Erblasserin und tes­tamentarischer Alleinerbe. Durch Verfügung vom 05.05.2015 wurde er vom Nachlassgericht gebeten, die Anschriften seiner Geschwister mitzuteilen. Als er dieser Aufforderung nicht nach­kam, wurde er mit Schreiben vom 01.12.2015 hieran erinnert und die Verhängung eines Zwangsgeldes gem. § 35 FamFG angedroht. Da daraufhin immer noch keine Adressen mitgeteilt wurden, wurde mit Beschluss vom 23.02.2016 gem. § 35 FamFG ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € gegen den Be­schwer­deführer verhängt. Hiergegen legte der Beschwerde­füh­rer Beschwerde ein.

Das OLG Karlsruhe entschied, dass der Zwangsgeldbeschluss bereits deshalb aufzuheben sei, da es an einer Rechtsgrundlage für die Beauftragung des Beschwerdeführers für die Adressen­ermittlung weiterer Beteiligter in einer mit Zwangsmittel durchsetzbaren Weise fehlt.

§ 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG sieht vor, dass das Gericht ein Zwangsgeld festsetzen kann, wenn aufgrund einer gerichtlichen Anordnung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung durchzusetzen ist. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe räumt § 35 FamFG dem Gericht nicht die unbe­schränkte Befugnis ein, einem Beteiligten Verpflichtungen be­lie­bi­gen Inhalts aufzuerlegen. Vielmehr muss eine andere Vor­schrift des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes dem Gericht die Befugnis zur Auferlegung der jeweiligen Ver­pflich­tung geben. Dies hat das Nachlassgericht in der Verhängung des Zwangsgeldes verkannt. Die Amtsermittlungspflicht des § 26 FamFG ist keine gesetzliche Ermächtigung im vorgenannten Sinn. § 26 FamFG beinhaltet die gesetzliche Verpflichtung des Gerichts, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen festzustellen. Dies beinhaltet jedoch nicht die Befugnisse des Gerichts, einen Beteiligten zu Angaben zu zwingen. Ebenso stellt § 27 FamFG keine ausreichende gesetzliche Ermächtigung dar. Auch wenn durch diese Vorschrift Verfahrenspflichten begründet werden, ist keine konkrete Ermächtigungsnorm gegeben, um eine nach § 35 FamFG erzwingbare Verpflichtungsanordnung zu erlassen.

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Massenentlassung – Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat

Ein Arbeitgeber darf das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG als beendet ansehen, wenn der Betriebsrat keine weitere Ver­hand­lungs­bereitschaft über Maß­nahmen zur Vermeidung oder Ein­schränkung von Massenentlassungen erkennen lässt.

Die Beklagte erbrachte Passagedienstleistungen an Flughäfen. Ihre einzige Auftraggeberin kündigte sämtliche Aufträge zu Ende März 2015. Nach dem Scheitern eines Interessen­aus­gleichs im Dezember 2014 leitete die Beklagte ein Kon­sul­ta­tions­verfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, ihren Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige (§ 17 Abs. 1 iVm. Abs. 3 KSchG) kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse. Die Beklagte entschloss sich, erneut Kündigungen zu erklären, nachdem einige Kündigungsschutzklagen wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich erfolg­reich gewesen waren. Sie leitete im Juni 2015 ein weiteres Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche „Wiedereröffnung“ des Betriebs. Eine solche kam für sie allenfalls bei einer Absenkung der bisherigen Vergü­tun­gen in Betracht. Der Betriebsrat ließ keine Bereitschaft er­ken­nen, an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken. Daraufhin kündigte die Beklagte – nach einer erneuten Massen­ent­las­sungs­anzeige – die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal. Die Klägerin hat sich fristgerecht gegen beide Kündigungen gewandt und hilfsweise einen Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG) verlangt. Das Landes­arbeits­gericht hat beide Kündigungen für unwirksam erachtet.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts nur teilweise Erfolg. Die erste Kündigung ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Die Beklagte hat in der diesbezüglichen Massen­ent­las­sungs­anzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt. Hingegen ist die zweite Kündigung wirksam. Die Beklagte hat das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungs­gemäß durchgeführt. Sie hat dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um auf ihren Entschluss, an der Betriebs­still­legung festzuhalten, einwirken zu können. Die Beklagte durfte die Verhandlungen als gescheitert ansehen. Da sie seit April 2015 keinen Betrieb mehr unterhielt, hat sie die zweite Massen­entlassungsanzeige zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet. Die zweite Kündigung war auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen die Einigungsstelle angerufen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 52/16 vom 22.09.2016
Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 –

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Steuerpflichtige Entschädigungszahlung an Feuerwehrleute

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 60/16, Pressemitteilung vom 14.09.2016, Urteil vom 14.06.2016, Aktenzeichen IX R 2/16

Entschädigungszahlungen, die ein Feuer­wehr­beamter für rechtswidrig geleistete Mehrarbeit erhält, sind steuerbare Ein­nah­men aus nichtselbständiger Arbeit, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14. Juni 2016 IX R 2/16 entschieden hat. Die Entscheidung ist von Bedeutung für zahlreiche Feuerwehrleute bundesweit, die in den vergangenen Jahren Mehrarbeit über die rechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich hinaus geleistet und dafür eine Entschädigung in Geld erhalten hatten.

Im Ausgangsverfahren hatte ein Feuerwehrmann in den Jahren 2002 bis 2007 über die zulässige Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit geleistet. Die Stadt, in deren Dienst der Feuerwehrmann stand, leistete an diesen eine Ausgleichszahlung für die rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit in Höhe von 14.537 €. Der Feuerwehr­mann war der Auffassung, die Zahlung sei als Schadensersatz nicht der Besteuerung zu unterwerfen. Finanzamt und Finanzgericht gingen demgegenüber von einkommen­steuer­pflichtigen Einkünften aus.

Der BFH hat die Steuerpflicht bestätigt. Nach seinem Urteil zählen zu den steuerbaren Einkünften alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Wird die Zahlung als Gegenleistung für die Arbeitskraft des Arbeitnehmers geleistet, unterfällt sie der Besteuerung. Ob die Arbeitszeiten in rechtswidriger Weise überschritten werden, spielt keine Rolle. Ebenso ist unerheblich, ob der Ausgleich der Überstunden auch durch Freizeitausgleich anstelle von Arbeitslohn hätte erfolgen können. Denn die Zahlung wäre nicht geleistet worden, wenn die rechtswidrige Mehrarbeit nicht erbracht worden wäre. Sach­grund für die Zahlung war mithin nicht die einen Scha­dens­ersatzanspruch begründende Handlung des Arbeitgebers, sondern allein die Erbringung der Arbeitsleistung.

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Gesundheitsbewusstes Verhalten mindert nicht den Sonderausgabenabzug

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 61/16, Pressemitteilung vom 14.09.2016, Urteil vom 01.06.2016,  Aktenzeichen X R 17/15

Erstattet eine gesetzliche Krankenkasse im Rahmen eines Bonusprogramms dem Kran­kenversicherten die von ihm getragenen Kosten für Gesundheitsmaßnahmen, min­dern diese Zahlungen nach einer Ent­schei­dung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. Juni 2016 X R 17/15 nicht die als Sonderausgaben abziehbaren Kranken­ver­si­che­rungs­beiträge.

Im Urteilsfall hatten die Kläger Krankenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes geltend gemacht. Ihre Krankenkasse bot zur Förderung gesundheitsbewussten Verhaltens ein Bonus­programm an. In der streitgegenständlichen Bonusvariante ge­währte sie den Versicherten, die bestimmte kostenfreie Vor­sor­ge­maßnahmen in Anspruch genommen hatten, einen Zuschuss von jährlich bis zu 150 € für Gesundheitsmaßnahmen, die von den Versicherten privat finanziert worden waren. Das Finanzamt (FA) sah in diesem Zuschuss eine Erstattung von Kranken­ver­si­cherungsbeiträgen und verrechnete ihn mit den in diesem Jahr gezahlten Beiträgen. Dementsprechend ging das FA davon aus, dass auch die abziehbaren Sonderausgaben entsprechend zu mindern seien.

Das Finanzgericht gab der Klage statt, da es sich nicht um die Erstattung von Beiträgen handele. Der BFH bestätigte das Urteil. Die streitgegenständliche Bonuszahlung führe nicht dazu, dass sich an der Beitragslast der Versicherten zur Erlangung des Basiskranken­ver­sicherungs­schutzes etwas ändere. Die Zahlung habe ihren eigentlichen Rechtsgrund in einer Leistung der Krankenkasse, nämlich der Erstattung der von den Versicherten getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen. Die Bonus­zahlung stehe nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Beiträgen zur Erlangung des Basis­kranken­versicherungs­schutzes, sondern stelle eine Erstattung der vom Steuer­pflich­ti­gen getragenen gesundheitsbezogenen Aufwendungen dar. Dem steht aus Sicht des BFH auch nicht entgegen, dass die Kranken­kasse die Bonuszahlung als erstatteten Beitrag angesehen und elektronisch im Wege des Kontrollmeldeverfahrens übermittelt hatte. Dem kommt nach der Entscheidung des BFH keine Bindungswirkung zu.

Mit diesem Urteil, das sich lediglich auf die Bonusvariante in Form einer Kostenerstattung bezieht, widerspricht der BFH ausdrücklich der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. August 2013, BStBl I 2013, 1087), die in allen Kranken­kassen­leistungen aufgrund eines Bonusprogramms eine Beitrags­erstattung gesehen hat.

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Entgeltfortzahlung während ambulanter Kur

Gesetzlich Versicherte haben während einer ambulanten Vorsorgekur gegen ihren Arbeit­geber ausschließlich dann Anspruch auf Ent­gelt­fortzahlung, wenn die vom Sozialleistungsträger (zB Krankenkasse) bewilligte Maßnahme in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation iSd. § 107 Abs. 2 SGB V* durchgeführt wird und keinen urlaubsmäßigen Zuschnitt hat.

15Die Klägerin ist seit 2002 beim beklagten Land als Köchin be­schäf­tigt. Vom 4. bis zum 24. Oktober 2013 unterzog sie sich einer von der AOK Niedersachsen bezuschussten ambulanten Kur auf der Insel Langeoog. Im dortigen Kur- und Wellnesscenter erhielt sie nach ihrem Vorbingen insgesamt 30 Anwendungen, nämlich je sechs Meerwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagen, Schlickpackungen und Lymphdrainagen. Außerdem sollte sie täglich in der Brandungszone inhalieren. Das beklagte Land weigerte sich im Vorfeld, die Klägerin für die Dauer der Kur unter Fortzahlung ihrer Vergütung freizustellen. Daraufhin beantragte die Klägerin Urlaub, der ihr bewilligt wurde. Mit ihrer Klage hat sie geltend gemacht, der genommene Urlaub dürfe nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landes­arbeits­gericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben. Besteht – wie im Streitfall – keine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, dürfen Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nach § 10 Bundesurlaubsgesetz nicht auf den Urlaub angerechnet werden, wenn ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall besteht. Ein solcher Anspruch setzt bei gesetzlich Versicherten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG voraus, dass die vom Träger der Sozialversicherung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger bewilligte ambulante Vorsorgekur in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird. Das sind nur Einrichtungen, die den Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V genügen.

*§ 107 Abs. 2 SGB V lautet:
„(2) Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzbuchs sind Einrichtungen, die

1. der stationären Behandlung der Patienten dienen, um

a) eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder eine Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegen zu wirken (Vorsorge) oder

b) eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen.

2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen,

und in denen
3. die Patienten untergebracht und verpflegt werden können.“

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 25/16 vom 25.05.2016
Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 298/15 –

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Abfindungszahlung an Erbprätendenten als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 59/16, Pressemitteilung vom 07.09.2016, Urteil vom 15.06.2016, Aktenzeichen II R 24/15

Entrichtet ein Erbe eine Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechts­streits wegen der Erbenstellung, ist diese als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Juni 2016 II R 24/15 entschieden.

Im Streitfall hatte die Erblasserin zunächst in einem notariellen Testament die Klägerin und deren Ehemann als Erben zu glei­chen Teilen eingesetzt. Kurz vor ihrem Tod ordnete sie hand­schriftlich an, dass ihr Finanzberater Alleinerbe sein sollte. Der nach dem Tod der Erblasserin vor dem Nachlassgericht geführte Streit um die Erbenstellung endete in einem Vergleich. Darin nahm der Finanzberater seinen Antrag auf Erteilung eines Erb­scheins gegen Zahlung einer Abfindungssumme von 160.000 € durch die Eheleute zurück. Daraufhin wurde den Eheleuten ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt, der diese als (Mit-)Erben zu gleichen Teilen ausweist. Das Finanzamt setzte gegen die Klä­ge­rin Erbschaftsteuer fest, ohne die anteilige Abfindungszahlung bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs zum Abzug zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Klage statt.

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Die Abfin­dungs­zahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkung­steuergesetzes abzugsfähig. Ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten setzt einen unmittelbaren Zusam­men­hang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Der Begriff der Er­werbskosten ist dabei grundsätzlich weit auszulegen. Nach dem Urteil des BFH hängen Kosten, die dem letztendlich be­stimm­ten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung ent­ste­hen, regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammen.

Ein Grundsatz korrespondierender Steuerbarkeit besteht im Übrigen nicht. So steht dem Abzug als Nachlassverbindlichkeit beim Zahlenden nicht entgegen, dass beim Zahlungsempfänger kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb vorliegt. Daher verneint der BFH einen Widerspruch zu seiner Rechtsprechung, nach der beim weichenden Erbprätendenten, der eine Ab­fin­dungs­zahlung dafür erhält, dass er die Erbenstellung nicht mehr bestreitet, kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb vorliegt.

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Nachweis des Erbrechts durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments gegenüber der Bank unter Umständen möglich

Der BGH hat mit Datum vom 05.04.2016, Akten­zeichen XI ZR 440/15, entschieden, dass der Erbe sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen kann, wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Ehepaar hatte ein handschriftliches Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig als Erben einsetzten. Nach dem Tod des Letztversterbenden soll das Vermögen auf die Kinder, die jetzigen Kläger, übergehen.

Es war ebenfalls eine Pflichtteilsstrafklausel vorhanden, die besagte, dass bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches durch eines der Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden, dieses Kind auch beim Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten solle. Nach dem Tod des Ehemanns wurde das Testament eröffnet und der Sparkasse vorgelegt. Nach dem Tod der Ehefrau wurde es erneut eröffnet, die Kläger forderten die Sparkasse erfolglos unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls auf, die Konten der Mutter freizugeben. Daraufhin beantragten die Kläger einen ge­meinschaftlichen Erbschein und verauslagten die diesbezüg­lichen Gerichtskosten. Die Sparkasse gab daraufhin die Konten frei, lehnte aber die Übernahme der Kosten für den Erbschein ab. Die Kläger haben nunmehr erfolgreich die Übernahme der Kosten eingeklagt. Die Revision blieb dagegen erfolglos.

Der BGH hat entschieden, dass die Kläger gegen die Sparkasse einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB dahingehend haben, dass die Gerichtkosten für den Erbschein zu erstatten sind. Vorliegend hätte es ausgereicht, das handschriftliche Testament nebst Eröffnungsvermerk vorzulegen, um die Erbenstellung der Kläger nachzuweisen. Somit hat die Sparkasse die Erbscheinkosten verursacht, obwohl diese nicht nötig gewesen wären. Damit hat die Sparkasse gegen die ihr obliegende Leistungstreuepflicht verstoßen.

Der Nachweis der Erbenstellung kann entweder durch Erbschein, öffentliches Testament, eigenhändiges Testament oder bei ge­setz­licher Erbfolge durch Urkunden, aus denen sich die Erbfolge ergibt, nachgewiesen werden. Die Sparkasse darf grundsätzlich nicht verlangen, dass ein Erbschein vorgelegt wird, selbst, wenn nur ein eigenhändiges Testament vorliegt. Es sind die Interessen des Erben zu beachten, der durch die Universalsukzession des § 1922 BGB in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Bank eingerückt ist. Zwar hat die Sparkasse auch ein be­rech­tigtes Interesse daran, der Gefahr zu entgehen, doppelt in An­spruch genommen zu werden, aber es ist auch dem berechtigten Interesse der Erben Rechnung zu tragen, den Nachlass rasch und kostengünstig abzuwickeln. Ein Erbe wird bei fehlender Notwendigkeit die Kosten eines Erbscheinverfahrens regelmäßig nicht aufwenden.

Es muss jedoch eine Differenzierung zum eröffneten öffentlichen Testament vorgenommen werden. Bei einem öffentlichen Tes­ta­ment reicht es in der Regel aus, eine beglaubigte Abschrift des Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des Er­öff­nungs­protokolls vorzulegen, um die Erbfolge nachzuweisen. Dies gilt insbesondere bei Grundbuchberichtigungen, Handels­regis­ter­anmeldungen etc.

Daher ist es auch gerechtfertigt, dem eröffneten öffentlichen Testament im Verhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber eine widerlegbare Vermutung beizumessen, um die Erbfolge nach­zu­weisen.

Dies kann beim privatschriftlichen Testament so nicht über­nommen werden. Auch wenn eine Gleichwertigkeit zu einem notariellen Testament besteht, ist die Gefahr der Rechts­un­kennt­nis, unklarer Formulierungen, des Verlusts, der Unterdrückung oder Fälschung höher als bei einem öffentlichen Testament.

Somit ist es Frage des Einzelfalles, ob die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist, wenn eine beglaubigte Ablichtung nebst einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls vorgelegt wird.

Es besteht keine gesteigerte Auslegungspflicht der Banken. Nur bei konkreten und begründeten Zweifel an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge ist die Bank berechtigt, ergänzende Erklärungen des oder der Erbanwärter einzuholen.

Vorliegend wurde durch das privatschriftliche Testament die Erbfolge hinreichend nachgewiesen. Zweifel ergeben sich auch nicht aus der Pflichtteilsstrafklausel.

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Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohns

Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Min­destlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeits­stunde. Er erfüllt den Anspruch durch die im arbeits­vertrag­lichen Austauschverhältnis als Gegenleistung für Arbeit erbrachten Ent­geltzahlungen, soweit diese dem Arbeit­nehmer endgültig verblei­ben. Die Erfüllungswirkung fehlt nur solchen Zahlungen, die der Arbeit­geber ohne Rücksicht auf tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeit­nehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweck­bestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen.

Das Arbeitsverhältnis der in Vollzeit beschäftigten Klägerin bestimmt sich nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag, der neben einem Monatsgehalt besondere Lohnzuschläge sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vorsieht. Im Dezember 2014 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebs­ver­ein­barung über die Auszahlung der Jahressonderzahlungen. Seit Januar 2015 zahlt die Beklagte der Klägerin allmonatlich neben dem Bruttogehalt iHv. 1.391,36 Euro je 1/12 des Urlaubs- und des Weihnachtsgelds, in der Summe 1.507,30 Euro brutto.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Monatsgehalt und die Jahressonderzahlungen müssten ebenso wie die vertraglich zugesagten Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feier­tags­arbeit auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns iHv. 8,50 Euro brutto/Stunde geleistet werden. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin Nacht­arbeitszuschläge iHv. 0,80 Euro brutto zugesprochen und im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf erhöhtes Monatsgehalt, erhöhte Jahressonderzahlungen sowie erhöhte Lohnzuschläge. Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigen­stän­diger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, verändert diese aber nicht. Der nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden bemessene Mindestlohnanspruch der Klägerin für den Zeitraum Januar bis November 2015 ist erfüllt, denn auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen kommt Erfüllungs­wirkung zu.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 24/16 vom 25.05.2016
Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 –

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Schenkungsteuerpflichtige Zuwendung unter Eheleuten

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 56/16, Pressemitteilung vom 31.08.2016, Urteil vom 29.06.2016, Aktenzeichen II R 41/14

Eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung unter Ehegatten liegt auch dann vor, wenn ein Ehegatte den Vermögensstand seines Einzelkontos oder Einzeldepots auf den anderen Ehegatten überträgt. Beruft sich der beschenkte Ehegatte darauf, dass ihm schon vor der Übertragung der Vermögensstand zur Hälfte zuzurechnen war und er deshalb insoweit nicht bereichert sei, trägt er zudem nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 2016 II R 41/14 hierfür die Feststellungslast (objektive Beweislast).

Im Urteilsfall übertrug der Ehemann den Vermögensstand seines bei einer Schweizer Bank geführten Einzeldepotkontos (Einzel­kontos) auf ein ebenfalls bei einer Schweizer Bank geführtes Einzelkonto seiner Ehefrau. Das Finanzamt nahm in voller Höhe des übertragenen Vermögensstands eine freigebige Zuwendung des Ehemannes an die Ehefrau an. Die Ehefrau wendete ein, sie sei nur in Höhe der Hälfte des Vermögensstands bereichert, da ihr die andere Hälfte des Vermögensstands schon vor der Über­tra­gung zugestanden habe. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Ehefrau, die dafür die Feststellungslast trage, habe nicht nachgewiesen, dass sie schon vor der Übertragung zur Hälfte an dem Vermögen berechtigt gewesen sei.

Der BFH bestätigte die Klageabweisung. Danach trägt der be­schenkte Ehegatte die Beweislast für Tatsachen, die der An­nah­me einer freigebigen Zuwendung entgegenstehen. Dies gilt auch für die Umstände, die belegen sollen, dass dem anderen Ehe­gatten das Guthaben, das er vom Einzelkonto seines Ehegatten unentgeltlich übertragen erhalten hat, im Innenverhältnis bereits vor der Übertragung ganz oder teilweise zuzurechnen gewesen sein soll.

Die Entscheidung des BFH betrifft Einzelkonten, nicht aber Gemeinschaftskonten der Ehegatten. Kontovollmachten für Einzelkonten sind für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung.

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Betriebsrentenanwartschaft – beitragsbezogene Leistungszusage

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Betriebs­ren­ten­gesetzes (BetrAVG) liegt eine beitragsorientierte Leistungszusage vor, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Betriebsrenten­anwart­schaft umzuwandeln. Das Gesetz verlangt, dass in der Ver­sor­gungsordnung die Mindesthöhe der Anwartschaft zum Zeit­punkt der Umwandlung bezogen auf diese Beiträge festgelegt wird.

Nach der bei der beklagten Arbeitgeberin geltenden Gesamt­betriebsvereinbarung (GBV) steht dem Kläger ein jährlicher Basisanspruch auf eine Betriebsrente von 0,4 vH der Summe seiner monatlichen pensionsfähigen Bezüge während seiner Beschäftigungszeit zu. Auf der Grundlage der GBV zahlt die Arbeitgeberin in einen Anlagefonds, der kein Pensionsfonds im Sinne des Betriebsrentengesetzes ist, Beiträge in Höhe von monatlich 5 vH der pensionsfähigen Bezüge aller der GBV unterfallenden Arbeitnehmer ein. Aus diesem Anlagefonds werden auch die laufenden Betriebsrenten gezahlt. Am Ende jedes Wirtschaftsjahres ist der Wert der Fondsanteile zu er­mitteln. Gleichzeitig wird die Summe der Barwerte der An­wart­schaften der der GBV unterfallenden Arbeitnehmer und der gezahlten Betriebsrenten ermittelt. Weichen die Werte von­einander ab, sind die Barwerte der Anwartschaften und der Betriebsrenten gleichmäßig so zu korrigieren, dass sie dem Wert der Fondsanteile entsprechen. Die so korrigierten Anwartschaften dürfen sich auch verringern, den Basisanspruch aber nicht unterschreiten.

Diese Berechnungsweise entspricht nicht vollständig den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Die GBV stellt nicht sicher, dass die auf den Kläger entfallenden und an den Anlagefonds gezahlten Beiträge unmittelbar in eine Betriebsrentenanwartschaft umgewandelt werden.

Dennoch hatte die Klage – ebenso wie in den Vorinstanzen – vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die korrigierte Anwartschaft des Klägers betrug im Jahr 2009 nach Mitteilung der Beklagten jährlich 3.900,00 Euro. Im Jahr 2011 sollte sie sich nur noch auf jährlich 3.295,00 Euro belaufen. Der Kläger wollte die Beklagte an der Höhe der korrigierten Anwart­schaft aus dem Jahr 2009 festhalten. Für dieses Klageziel besteht keine Rechtsgrundlage.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 46/16 vom 30.08.2016
Urteil vom 30. August 2016 – 3 AZR 228/15 –

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