Schlagwort-Archiv Dr. Reinhard Popp

Scheidung nach Alzheimererkrankung

Ein an einer Demenz vom Typ Alzheimer Erkrankter kann geschieden werden, wenn die Eheleute seit mehr als einem Jahr getrennt leben, der Erkrankte im Zusammenhang mit der Tren­nung einen natürlichen Willen zur Scheidung und Tren­nung gefasst hat und er die Wiederaufnahme der ehelichen Lebens­gemeinschaft abgelehnt hat.

Der Scheidung steht dann nicht entgegen, dass der Erkrankte zum Schluss der mündlichen Verhandlung im familien­ge­richt­lichen Verfahren aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung keinen Scheidungswillen mehr fassen kann. Das hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 16.08.2013 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts bestätigt.

Der an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte, über 60 Jahre alte An­trag­steller heiratete die ca. 20 Jahre jüngere Antragsgegnerin im Frühjahr des Jahres 2011. Ende des Jahres kam es nach rund achtmonatigem ehelichen Zusammenleben zur Trennung der Eheleute. Die in der Folgezeit für den An­trag­steller bestellte Betreuerin reichte im Jahre 2012 einen Schei­dungsantrag ein, dem die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass der Antragsteller an der Ehe festhalten wolle, entgegen­ge­tre­ten ist.

Der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die vom Familiengericht ausgesprochene Scheidung be­stä­tigt. Der Senat sei davon überzeugt, dass die Ehe ge­schei­tert sei. Die Scheidung sei von dem durch seine Betreuerin ver­tre­te­nen Antragsteller wirksam beantragt, der Antrag durch das zuständige Betreuungsgericht genehmigt worden. Aus Sicht des Antragstellers sei die Ehe zerrüttet, eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten. Nachdem die Eheleute länger als ein Jahr getrennt lebten, lägen die ge­setz­lichen Scheidungsvoraussetzungen vor, auch wenn die Antrags­gegnerin an der Ehe festhalten wolle.

Dass sich der Antragsteller mit einer Trennungs- und Schei­dungs­absicht von der Antragsgegnerin getrennt habe, habe die vom Familiengericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Bei einer im Frühjahr 2012 im Rahmen seines Betreu­ungs­verfahren durchgeführten richterlichen Anhörung habe der Antragsteller seinen Willen zur Trennung und Scheidung klar geäußert und zu diesem Zeitpunkt trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch wirksam äußern können. Das habe eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt. Im Zeitpunkt seiner Anhörung im familiengerichtlichen Verfahren sei die Erkrankung zwar schon so weit fortgeschritten, dass der Antragsteller die Bedeutung der Ehe und die einer Scheidung nicht mehr habe erfassen können. Das verbiete jedoch nicht die Scheidung, nachdem sich der Antragsteller aufgrund des Fortschritts seiner Erkrankung bereits in einem Zustand äußerster Eheferne befinde und sein zuvor gefasster Scheidungswille sicher feststellbar sei.

Beschluss des 3. Senats für Familiensachen vom 16.08.2013 (3 UF 43/13)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 14.10.2013

 

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Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist zulässig

Grundvoraussetzung einer formell wirksamen Kün­di­gung ist eine bestimmte und unmiss­ver­ständ­liche Kündigungs­erklä­rung. Ins­be­son­dere muss ein Arbeit­neh­mer aus dem Kün­di­gungs­schreiben erkennen können, wann das Arbeits­ver­hält­nis enden soll.

Häufig finden sich in Kündigungsschreiben hierzu For­mu­lie­run­gen wie „die Kündigung erfolgt zum (beispielsweise 31.03.2013), aber in jedem Fall zum nächstzulässigen Zeitpunkt“.

Nun hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.06.2013, Aktenzeichen 6 AZR 805/11, entschieden, dass auch allein die Formulierung, wonach die ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ erfolgt – und damit ohne Angabe eines genauen Beendigungstermins – zulässig ist, wenn der Arbeitnehmer unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn im Kündigungsschreiben auf die ge­setz­lichen Kündigungsfristen des § 622 BGB verwiesen wird.

Auch wenn durch diese Entscheidung des BAG`s nun die Voraussetzungen einer formell wirksamen Kündigung er­leich­tert werden, sollte jede Kündigung sorgfältig vorbereitet werden.

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Jugendamt darf eingreifen, damit ein Elfjähriger zur Schule geht

Ein Jugendamt darf eingreifen, wenn ein elf­jähriger Junge nicht zur Schule geht und die Eltern die Schulunlust ihres Kindes akzeptieren. Die Eltern können zur Unter­stützung eines Schulbesuchs ihres Kindes verpflichtet werden. Das hat der 8. Senat für Familien­sachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 12.06.2013 entschieden.

Der heute elfjährige Junge wohnt bei seinen 49 und 51 Jahre alten Eltern im Kreis Warendorf. Er ist das jüngste Kind der Familie. Im Alter von 7 Jahren eingeschult fehlte der Junge bereits im ersten Schuljahr an über 40 Tagen in der örtlichen Grundschule, von der ihn die Eltern im Jahre 2010 abmeldeten. In den nächsten Jahren besuchte er zwei weitere Grundschulen, an denen er nur wenige Tage blieb. Ein im Jahre 2012 unter­nom­me­ner Versuch, das Kind durch Lehrkräfte zu Hause zu beschu­len, um eine Wiedereingliederung in eine Schule vorzubereiten, scheiterte. Der Junge wird zurzeit durch seine Mutter, von Beruf Informatikerin, unterrichtet und verfügt über einen alters­ge­rech­ten Wissenstand. In der Vergangenheit lehnten es die Eltern ab, den Jungen gegen seinen Willen auf eine öffentliche Schule zu schicken.

Der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat den Eltern das Recht zur Regelung der schulischen Ange­le­gen­heiten entzogen und dieses dem zuständigen Jugendamt übertragen. Dabei hat er davon abgesehen, das Kind aus dem elterlichen Haushalt herauszunehmen und die Eltern verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Junge der Schulpflicht nachkommt und ihn zum Schulbesuch zu motivieren.

Das geistige und seelische Wohl des Kindes sei – so die Senats­entscheidung – trotz des altersgerechten Wissensstandes ge­fähr­det. Im Hinblick auf die Weigerung des Kindes, zur Schule zu gehen, hätten die Eltern in der Erziehung versagt. Das bestätige das Gutachten des im Verfahren gehörten Sachverständigen. Zurzeit setzten die Eltern dem Kind keine Grenzen und Regeln, Pflichten seien diesem unbekannt. Da die Eltern die Schulpflicht des Kindes nicht akzeptierten und es in seiner Schulunlust för­derten, würden dem Jungen die Bildungsinhalte einer weiter­füh­ren­den Schule vorenthalten. Die Mutter werde trotz ihrer Aus­bil­dung nicht in der Lage sein, sämtliche Lerninhalte einer weiter­füh­ren­den Schule adäquat zu vermitteln. Ein Schulbesuch solle Kindern auch die Gelegenheit verschaffen, in das Gemein­schafts­leben hineinzuwachsen. Soziale Kompetenzen könnten effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft nicht nur gelegentlich stattfänden, sondern Teil einer mit einem regel­mäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung seien.

Der in der Familie gut integrierte Junge könne zumindest vorerst im familiären Umfeld bleiben, deswegen sei den Eltern das Auf­ent­haltsbestimmungsrecht für ihr Kind zu belassen. Zu entziehen sei ihnen aber das Recht zur Regelung seiner schulischen An­ge­le­gen­heiten, weil sie nicht Willens und in der Lage seien, die Schulpflicht durchzusetzen. Mit den erteilten Auflagen würden die Eltern angehalten, künftige Versuche, die Schul­ver­wei­ge­rungs­haltung des Jungen aufzulösen, zu unterstützen.

rechtskräftiger Beschluss des 8. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.06.2013 (8 UF 75/12)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 26.08.201326

 

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Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung – Kündigungsfrist

Eine Kündigung muss bestimmt und unmiss­ver­ständ­lich erklärt werden. Der Empfänger einer ordentlichen Kündigungserklärung muss er­ken­nen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Regel­mäßig genügt hierfür die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ausreichend ist aber auch ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristen­regelungen, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll.

Die Klägerin war seit 1987 bei der Schuldnerin als Industrie­kauffrau beschäftigt. Am 1. Mai 2010 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Bereits zuvor hatte die Geschäftsführung der Schuldnerin mit Zustimmung des Beklagten die vollständige Betriebsstilllegung beschlossen und den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung aller Arbeitsverhältnisse angehört. Mit Schreiben vom 3. Mai 2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Das Kün­di­gungs­schreiben führt im Weiteren aus, welche Kündigungsfristen sich aus § 622 BGB ergeben und dass § 113 InsO eine Begrenzung der gesetzlichen, tariflichen oder arbeitsvertraglichen Kündi­gungsfrist auf drei Monate bewirke, sofern sich eine längere Frist ergebe. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Landes­ar­beits­gericht hat angenommen, die Kündigungserklärung sei bereits unbestimmt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis hat mit Ablauf des 31. August 2010 geendet. Die Kündigungserklärung ist ausreichend bestimmt. Die Klägerin konnte dem Kündigungsschreiben unter Berücksichtigung ihrer Betriebszugehörigkeit entnehmen, dass § 113 InsO zu einer Begrenzung der Kündigungsfrist auf drei Monate führt, ihr Arbeitsverhältnis also zum 31. August 2010 enden sollte. Die Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 41/13 vom 18.09.2014
Urteil vom 20. Juni 2013 – 6 AZR 805/11 –

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Niemals geht man so ganz

„Niemals geht man so ganz, irgendwas von mir bleibt hier.“ Diese Lebensweisheit, welche schon vor Jahrzehnten von Trude Herr ge­sun­gen wurde, hat nun auch Einzug ins Arbeitsrecht gehalten.

Nachdem immer mehr Unternehmen dazu übergehen, ihre Unternehmensprofile ins Internet zu stellen und dabei auch Fotos ihrer Mitarbeiter veröffentlichen, stellt sich die Frage, was mit diesen Fotos passiert, wenn diese Mitarbeiter, vielleicht auch im Streit, das Unternehmen verlassen.

Hat ein Mitarbeiter dann unter dem Gesichtspunkt seines Persönlichkeitsrechts einen Anspruch darauf, dass sein Foto entfernt wird?
Nein, hat nun das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 30.11.2012 (Az. 6 Sa 271/12) entschieden.

Der Entscheidung lag ein Belegschaftsfoto zugrunde, zu dessen Personenkreis auch ein später gekündigter Mit­ar­bei­ter gehörte. Auch nach dessen Ausscheiden war das Foto im Internet noch aufrufbar. Der Mitarbeiter verlangte von sei­nem ehemaligen Arbeitgeber nun die Entfernung des Fotos und eine Entschädigung wegen der Verletzung seiner Per­sön­lich­keitsrechte. Das LAG Rheinland-Pfalz lehnte diese Forderung als unbegründet ab. Soweit das Belegschaftsbild nur allgemeinen Illustrationszwecken dient und ehemalige Arbeitnehmer optisch nicht herausgestellt werden, bestehen derartige Ansprüche nicht.

Darüber hinaus ging das Gericht von einem stillschweigenden Einverständnis des gekündigten Mitarbeiters aus, da diesem die beabsichtigte Veröffentlichung des Fotos im Internet bekannt war als er sich mit ablichten ließ.

Gleichwohl empfiehlt es sich jedoch, vor Veröffentlichung eines Bildnisses einer Person, dessen Einverständnis einzuholen.

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Verzicht des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung

Ist das Arbeitsverhältnis beendet und ein Anspruch des Arbeitnehmers gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG auf Abgeltung des gesetzlichen Erho­lungs­urlaubs entstanden, kann der Arbeitnehmer auf diesen Anspruch grundsätzlich verzichten.

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG kann von der Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG, wonach der Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, zwar nicht zu Ungunsten des Ar­beitnehmers abgewichen werden. Jedoch hindert diese Rege­lung nur einzelvertragliche Abreden, die das Entstehen von Urlaubs­abgeltungsansprüchen ausschließen. Hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit, Urlaubs­abgeltung in Anspruch zu nehmen und sieht er davon ab, steht auch Unionsrecht einem Verzicht des Arbeit­nehmers auf Urlaubsabgeltung nicht entgegen.

Die Beklagte kündigte am 26. November 2008 ihr Arbeits­ver­hält­nis mit dem bei ihr als Lader beschäftigten und seit Januar 2006 arbeitsunfähigen Kläger ordentlich zum 30. Juni 2009. Im Kündigungsrechtsstreit regelten die Parteien am 29. Juni 2010 in einem Vergleich ua., dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zum 30. Juni 2009 aufgelöst worden ist, die Beklagte an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 11.500,00 Euro zahlt und mit Erfüllung des Vergleichs wech­sel­seitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt sind. Mit einem Schreiben vom 29. Juli 2010 hat der Kläger von der Beklagten ohne Erfolg verlangt, Urlaub aus den Jahren 2006 bis 2008 mit 10.656,72 Euro abzugelten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.543,60 Euro verurteilt.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Die Klage ist unbegründet. Die Erledigungsklausel im gerichtlichen Vergleich vom 29. Juni 2010 hat den mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. Juni 2009 entstandenen Anspruch des Klägers auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs erfasst.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 33/13 vom 18.09.2014
Urteil vom 14. Mai 2013 – 9 AZR 844/11 –

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Kündigung wegen Kirchenaustritts

Der Austritt eines Mitarbeiters einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinder­betreuungsstätte aus der katholischen Kirche kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst. Dieses Recht kommt neben den verfassten Kirchen auch den ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen zu. Es ermöglicht ihnen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst auch im Rahmen privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln. Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 ist der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitäts­verstoß, der eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht zulässt. Im Kündigungsschutzprozess haben die Arbeitsgerichte zwischen den Grundrechten der Arbeitnehmer – etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit – und dem Selbst­be­stim­mungs­recht der Religionsgesellschaft abzuwägen.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat – wie die Vor­instanzen – die Klage eines seit 1992 beim beklagten Caritas­verband beschäftigten Sozialpädagogen gegen eine auf seinen Austritt aus der katholischen Kirche gestützte Kündigung ab­gewiesen. Der Kläger arbeitete in einem sozialen Zentrum, in dem Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Be­deu­tung. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt. Im Februar 2011 trat der Kläger aus der katholischen Kirche aus. Gegenüber dem Beklagten nannte er als Beweggründe die zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die „Piusbruderschaft“ und die Karfreitagsliturgie, in der eine antijudaische Tradition der katholischen Kirche zu Tage trete.

Der Kläger hat durch seinen Austritt gegen seine arbeits­ver­trag­lichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Aufgrund dessen war es dem Beklagten nicht zumutbar, ihn als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leistete der Kläger unmittelbar „Dienst am Menschen“ und nahm damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Ihm fehlt infolge seines Kirchenaustritts nach dem Glaubens­ver­ständ­nis des Beklagten die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar hat auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers ein hohes Gewicht. Sie musste aber hier hinter das Selbstbestimmungsrecht des Be­klagten zurücktreten. Dieser kann im vorliegenden Fall von den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im ver­kün­di­gungs­nahen Bereich einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirchlichen Loya­li­täts­anforderungen nicht gerecht geworden ist, sondern sich ins­ge­samt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt hat. Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers fielen dem­gegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht. Für Sozial­pä­da­go­gen gibt es zudem auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten.

Der Kläger wird durch die Kündigung nicht iSv. § 1, § 7 AGG diskriminiert. Die Ungleichbehandlung wegen seiner Religion ist nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Eine entschei­dungs­erhebliche Frage der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 stellte sich angesichts der Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 29/13 vom 18.09.2014
Urteil vom 25. April 2013 – 2 AZR 579/12 –

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Dank ist nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht geschuldet

Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, bei Be­en­di­gung des Arbeitsverhältnisses in einem Ar­beits­zeugnis Formulierungen aufzunehmen, in denen er dem Arbeit­nehmer für die Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht.

Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 11.12.2012 (9 AZR 227/11) seine bisherige Rechtsprechung zu Schlusssätzen in Zeugnissen erneut bestätigt.

Dies ist insoweit erstaunlich, als entsprechende Schluss­formulierungen bei guter Zeugnisbewertung aus der Praxis nicht mehr wegzudenken sind.

Es empfiehlt sich daher, bei Abschluss von Aufhebungs­verträgen oder Vergleichen darauf zu achten, den Zeugnis­inhalt auch im Hinblick auf die Schlussformulierung genau festzulegen.

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Vorlage des Krankenscheins am ersten Krankheitstag ist zulässig

Gemäß § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeit­geber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalen­der­tage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über die be­stehende Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen.

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG: 5 AZR 886/11) ist der Arbeitgeber jedoch berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch früher, das heißt auch am ersten Krankheitstag zu verlangen.

Dem entschiedenen Fall lag eine Klage einer Redakteurin zugrunde, welcher eine Dienstreise nicht genehmigt wurde. Daraufhin meldete sie sich für diesen Tag krank. Der Arbeit­geber verlangt nun von der Mitarbeiterin zukünftig ein Attest bereits für den ersten Krankheitstag vorzulegen. Die Redak­teurin klagte auf Widerruf dieser Weisung, da das Verlangen eines Attestes am ersten Krankheitstag einer sachlichen Rechtsfertigung bedürfe.

Zu Unrecht, wie das BAG nun entschied. Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers eine solche Weisung zu erteilen. Dieser muss nicht begründen, weshalb er bereits so früh auf die Vorlage eines Attests besteht. Insbesondere ist nicht er­for­derlich, dass in der Vergangenheit ein Verdacht bestand, der Arbeitnehmer habe eine Krankheit nur vorgetäuscht.

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Vater muss seiner erwachsenen Tochter Unterhalt für ein Studium bezahlen

Der Vater einer heute 25 Jährigen schuldet seiner Tochter Unterhalt für ein im Oktober 2011 aufgenommenes Journalistikstudium. Das hat der 7. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05.02.2013 entschieden und damit den erstinstanzlichen Be­schluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund bestätigt.

Der im Jahre 1949 geborene Vater, der für das Auswärtige Amt im europäischen Ausland berufstätig ist, hatte sich in einem im Jahre 2005 abgeschlossenen Vergleich gegenüber seiner im Jahre 1988 geborenen Tochter verpflichtet, Kindesunterhalt zu zahlen. Die Tochter stammt aus der im Jahre 2005 geschiedenen Ehe der Eltern und hat zwei Geschwister. Sie lebte nach der Trennung der Eltern im Jahre 2001 mit der Mutter in Dortmund. Dort legte sie im Jahre 2008 das Abitur ab und begann danach zunächst ein Studium für Tourismus und Freizeitmanagement in den Niederlanden. Dieses brach sie Anfang 2010 ab, absolvierte in der Folgezeit mehrere Praktika und einen längeren Aufenthalt in Australien, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Im Oktober 2011 nahm sie das Studium der Journalistik an einer Universität im Ruhrgebiet auf. Im vorliegenden Verfahren hat sich der Vater auf den Wegfall seiner Unterhaltspflicht ab März 2010 berufen und u.a. gemeint, seine Tochter sei nicht be­dürftig, zum Studium nicht geeignet, verletze ihre Obliegen­heiten und habe einen Unterhaltsanspruch zudem verwirkt

Das Amtsgericht hat auf den Wegfall der Unterhaltspflicht bis einschließlich September 2011 erkannt und für die Folgezeit einen Unterhalt von monatlich ca. 350 € zugesprochen. Der 7. Senat für Familiensachen hat die Beschwerde des Vaters zurückgewiesen, mit der er sich gegen die ab Oktober 2011 fortbestehende Unterhaltspflicht gewandt hat. Die Tochter habe, so 7. Senat für Familiensachen, gemäß § 1610 BGB Anspruch auf angemessenen Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten für eine angemessene Berufs­ausbildung.

Für das im Jahre 2011 aufgenommene Journalistikstudium sei sie ausbildungsgeeignet. Die aus dem Abiturzeugnis ersichtlichen Leistungen disqualifizierten sie nicht für das Studium, ihre bisher im Studium gezeigten Leistungen indizierten ihre Geeignetheit.

Die Tochter habe auch nicht gegen die sie treffende Ausbil­dungs­obliegenheit verstoßen. Sie befinde sich noch in der Erstaus­bil­dung, die der Vater entsprechend seinen wirtschaftlichen Verhältnissen anteilig zu alimentieren habe. Ein Kind, das nach seinem Schulabschluss zunächst keine Ausbildung beginne, habe zwar mangels Bedürftigkeit zunächst keinen Unterhalts­an­spruch, es sei darauf zu verweisen, seinen Bedarf durch eigene (ungelernte) Arbeit oder aus eigenem Vermögen zu decken. Dadurch verliere es aber nicht den Anspruch auf Unterhalt für eine später begonnene angemessene Ausbildung. So könne auch ein 24jähriges Kind noch eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Von einem jungen Menschen könne nicht von Beginn an eine zielgerichtete, richtige Entscheidung in der Berufs­wahl erwartet werden. Ihm sei eine Orientierungsphase zur Berufs­wahl zuzubilligen, deren Dauer sich nach Alter, Entwicklungs­stand und den gesamten Lebensumständen richte. Hiernach sei es im vorliegenden Fall noch hinzunehmen, dass die Tochter ihr Studium in den Niederlanden bis zum Beginn des vierten Semesters abgebrochen und sich auch im Anschluss an dieses nicht sehr zielgerichtet im Hinblick auf ihr jetziges Studium verhalten habe. Nach den zeitlichen und familiären Umständen und unter Berücksichtigung des jetzt aufgenommenen Jour­na­listikstudiums, bei dem es immer noch um die Erstausbildung der Tochter gehe, sei noch nicht von einer Obliegenheits­verletzung der Tochter auszugehen.

Die Tochter habe auch nicht in unterhaltsrelevanter Weise gegen ihr obliegende Informationsobliegenheiten verstoßen und ihren Anspruch für die Zeit ab Oktober 2011 nicht verwirkt. Sie habe ihren Vater zwar im Hinblick auf die Studienerfolge des in den Niederlanden aufgenommenen Studiums unzutreffend unter­richtet und auch eigene Bezüge verschwiegen. In Bezug auf das jetzt aufgenommene Studium habe sie ihrer Informations­pflicht nunmehr aber genügt. Durch dieses Studium sei eine neue Situation entstanden. Der Tochter sei zuzubilligen, ihr Studium zügig zu Ende zu führen, hierzu bedürfe es auch einer Alimen­tation durch ihren Vater.

rechtskräftiger Beschluss des 7. Senats für Familiensachen vom 05.02.2013 (7 UF 166/12)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 29.05.2013

 

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