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Erben haben Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs bei Tod des Arbeitnehmers.

Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, haben dessen Erben Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 4 BUrlG). Das hat das BAG entschieden und damit konsequent die Linie des EuGH umgesetzt.

Der EuGH hatte 2018 klargestellt: Stirbt ein Arbeitnehmer im noch laufenden Arbeitsverhältnis und steht ihm ein noch unerfüllter Urlaubsanspruch zu, wandelt sich dieser Anspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Dieser Anspruch geht dann im Wege der Erbfolge auf die Erben über (EuGH 6.11.18, Rs. C-569/16 und C-570/16, Abruf-Nr. 205303).

Im Urteilsfall ist der nicht gewährte Urlaub mit 5.857,75 Euro brutto abzugelten. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasst den Anspruch auf

bezahlten Mindesturlaub von 24 Werktagen,

Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie

Urlaub nach § 26 Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Dem TVöD lässt sich nicht entnehmen, dass dem Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers zugewiesen ist.
QUELLE: IWW AUSGABE 03 / 2019 | SEITE 38 | ID 45742169

Bei Beschwerden mehrerer Beteiligter liegen mehrere Beschwerdeverfahren vor.

Oberlandesgericht München: Beschluss vom 15.01.2019 – 31 Wx 216/17
1. Die Einlegung der Beschwerde von mehreren Beteiligten gegen eine Entscheidung des Nachlassgerichts (hier: Feststellung, dass die Voraussetzungen für den beantragten Erbschein vorliegen) begründet jeweils mehrere selbständige Beschwerdeverfahren (im Anschluss an OLG München Beschl. v. 6.7.2017 – 31 Wx 409/16 = FGPrax 2017, 281 und OLG Köln Beschluss vom 19.7.2018 – 2 Wx 261/18, 2 Wx 266-270/18 = BeckRS 2018, 28413).

2. Dies erfordert sowohl eine gesonderte Kostenentscheidung als auch gesonderte Festsetzung des Geschäftswerts für das jeweilige Beschwerdeverfahren.

Oberlandesgericht München

Az.: 31 Wx 216/17
31 Wx 5/19
1 VI 1821/16 AG Memmingen

In Sachen

xxx

wegen Nachlassbeschwerde

erlässt das Oberlandesgericht München – 31. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 15.01.2019 folgenden

Beschluss

Die Beschwerde des Beteiligten zu 12 wird verworfen.
Auf Beschwerde der Beteiligten zu 11 wird der Beschluss des Amtsgerichts Memmingen – Nachlassgericht – vom 9.2.2017 aufgehoben.
Die Akten werden dem Amtsgericht Memmingen – Nachlassgericht – zur Abänderung der Erbscheinsanträge zurückgegeben.
Der Beteiligte zu 12 hat die Gerichtskosten des von ihm veranlaßten Beschwerdeverfahrens zu tragen. Von der Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 11 wird abgesehen.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das durch den Beteiligten zu 12 veranlaßten Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.
Gründe:

I.

Es liegen zwei selbständige Beschwerdeverfahren vor, da sich sowohl der Beteiligte zu 12 als auch die Beteiligte zu 11 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts wenden (vgl. OLG Köln BeckRS 2018, 28413 Tz.8). Diese hat der Senat zur gemeinsamen Entscheidung zusammengefasst.

II.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 12 (= 31 Wx 5/19) ist unzulässig, da sie nicht fristgemäß im Sinne des § 63 Abs. 1 FamFG binnen 1 Monat nach Zustellung des Beschlusses des Nachlassgerichts eingelegt wurde. Die Zustellung des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 9.2.2017 erfolgte am 18.2.2017; die Beschwerde des Beteiligten zu 12 ist am 2.5.2017 beim Nachlassgericht eingegangen und somit verfristet.

2. Der Schriftsatz vom 6.3.2017 ist als Beschwerde der Beteiligten zu 11 (= 31 Wx 216/17) gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 9.2.2017 auszulegen, da sie sich darin dagegen wendet, nach der Ausschlagung ihres Vaters nicht als Erbin in dem Erbscheinsantrag berücksichtigt worden zu sein. Die Beschwerde der Beteiligten zu 11 ist wirksam erhoben. Sie behauptet, Erbin nach dem Erblasser aufgrund des Testaments vom 31.8.2018 geworden zu sein, nachdem ihr Vater das Erbe ausgeschlagen hat. Dies stellt eine sog. doppelrelevante Tatsache dar (vgl. dazu Keidel/Meyer-Holz FamFG 19. Auflage <2017> § 59 Rn. 20, 21), die für das Vorliegen der materiellen Beschwer im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG ausreichend ist. Sie ist fristgemäß im Sinne des § 65 Abs. 1 FamFG erhoben worden, da sie beim Nachlassgericht am 6.3.2017 eingegangen ist. Der Umstand, dass ihr der Beschluss nicht bekanntgemacht worden ist, ist daher unmaßgeblich.

III.

Die von der Beteiligten zu 11 eingelegte Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg, da das Nachlassgericht in seinem Beschluss vom 9.2.2017 zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Ausschlagung des Erbes durch den Beteiligten zu 12 zu einer Erbquote der Miterben i.H.v. 1/10 führt. Insoweit hat es nicht berücksichtigt, dass die Beteiligte zu 11 als Abkömmling des Beteiligten zu 12 an dessen Stelle getreten ist.

1. Der Senat teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Anfechtung des Beteiligten zu 12 betreffend seine Ausschlagung des Erbes nicht durchgreift.

a) Es kann dahinstehen, ob der von ihm angebrachte Anfechtungsgrund den Beteiligten zu 12 tatsächlich zu seiner Ausschlagung bewogen hat.

Denn in seiner Anfechtungserklärung werden als Grund hierfür „persönliche Gründe“ angegeben; die Anfechtung der Ausschlagung wird hingegen darauf gestützt, dass er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass die Veräußerungsbeschränkung für 10 Jahre bezüglich der vermieteten Nachlassimmobilie bindend sei und er erst im Nachgang am 21.11.2017 erfahren habe, dass bei Einigkeit der Erbengemeinschaft der Grundbesitz dennoch veräußert werden könne.

b) Die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft durch den Beteiligten zu 12 greift aber deswegen nicht durch, da der hier allein in Frage kommende Anfechtungsgrund des Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB nicht gegeben ist.

aa) Eigenschaften einer Person oder Sache im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sind neben den auf den natürlichen Beschaffenheit beruhenden Merkmalen auch tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt, soweit sie nach der Verkehrsauffassung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung sind (Palandt/Ellenberger BGB 78. Auflage <2019> § 119 Rn. 24). Dies erfordert eine hinreichend enge Beziehung zur Sache, die zB dann nicht gegeben ist, wenn der Irrtum sich auf die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit einer Sache bezieht (NK-BGB/Feuerborn 3. Auflage <2016> § 119 Rn. 74). In Bezug auf einen Nachlass stellt der Irrtum über eine Überschuldung wie über die Zusammensetzung des Nachlasses sowie des Bestehens von Beschränkungen des Nachlasses wie zB Vermächtnisse und Auflagen eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses dar.

bb) Der angebrachte Vortrag des Beteiligten zu 12 belegt jedoch nicht einen solchen Irrtum. Gemäß seines Vorbringens in der Anfechtungserklärung vom 2.12.2016 betrifft dieser den Umstand, dass er davon ausgegangen sei, dass das sich im Nachlass befindliche Grundstück infolge der von dem Erblasser angeordneten Auflage nicht veräußert werden kann. Erst durch das Telefonat mit seiner Schwester habe er erfahren, dass bei einer Einigkeit aller Erben das Grundstück trotz der Auflage veräußert werden kann. Insofern bezieht sich die Fehlvorstellung des Beteiligten zu 12 nicht auf das Vorhandensein einer Beschränkung in Form einer Auflage, sondern darauf, ob der von der Auflage betroffene Nachlassgegenstand veräußert werden kann, also auf dessen Verwertungsmöglichkeit. Gegenstand seiner Fehlvorstellung ist demgemäß eine Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Abwicklung bzw. Auseinandersetzung des Nachlasses. Dies stellt sich – wie das Nachlassgericht zutreffend herausgestellt hat – als Irrtum über einen Beweggrund zur Abgabe der Ausschlagungserklärung dar, der als Motivirrtum kein Anfechtungsrecht begründet (Palandt/Ellenberger a.a.O. § 119 Rn. 29).

2. Entgegen der Meinung der Beschwerdegegner und des Nachlassgerichts führt die Ausschlagung der Erbschaft durch den Beteiligten zu 12, die zwar dessen Wegfall im Sinne des § 1953 Abs. 1 BGB bedingt, jedoch nicht dazu, dass dessen Erbteil in Abweichung von § 1953 Abs. 2 BGB den übrigen Miterben gemäß § 2094 BGB anwächst und so die Beteiligte zu 11 nicht an dessen Stelle tritt. Denn gemäß § 2099 BGB geht das Recht eines Ersatzerben im Sinne des § 2096 BGB dem Anwachsungsrecht vor. Dieser Grundsatz gilt auch bei Ausschlagung der Erbschaft, da die Ausschlagung einen Wegfall im Sinne des § 2096 BGB darstellt (vgl. BeckOGK/Gierl BGB <Stand: 1.11.2018> § 2096 Rn. 27; Czubayko in: Burandt/Rojahn 3. Auflage <2018> § 2096 Rn. 2).

Insoweit ist die Beteiligte zu 11 nach der Ausschlagung durch ihren Vater, den Beteiligten zu 12, zwar nicht nach § 2069 BGB – da die Vorschrift weder unmittelbar noch analog für den vorliegenden Sachverhalt (Beteiligter zu 12 ist der Neffe des Erblassers) gilt (vgl. dazu Czubayko in: Burandt/Rojahn a.a.O. § 2069 Rn. 15) – jedoch im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung an die Stelle des Beteiligten zu 12 getreten ist.
a) Die Voraussetzungen der ergänzenden Testamentsauslegung (Vorliegen einer Regelungslücke sowie eines entsprechenden im Testament angedeuteter Willen des Erblassers betreffend die Erbeinsetzung) sind vorliegend gegeben:

aa) Eine Regelungslücke liegt insofern vor, als der Erblasser nicht den Fall bedacht hat, dass einer der Miterben die Erbschaft ausschlägt. Dieser Fall ist von dem Erblasser nicht geregelt.

Diese Lücke ist anhand einer Weiterentwicklung des in der Testamentsurkunde andeuteten Willens des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments zu schließen (vgl. dazu OLG München FGPrax 2013, 177; ZEV 2017, 353; BeckRS 2018, 10915; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140). Dass die Beteiligte zu 11 insoweit nicht ausdrücklich bezeichnet worden ist und diese auch nicht eine Nichte des Erblassers ist, ist insoweit unmaßgeblich.

bb) Eine ergänzende Auslegung gemäß dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB erfordert, dass sich aus sonstigen letztwilligen Bestimmungen oder auch außerhalb des Testaments liegenden Umständen ergibt, dass die Zuwendung den Bedachten als Ersten ihres jeweiligen Stammes und nicht nur ihnen persönlich gegolten hat (vgl. BGH NJW 1973, 240/ 242; BayObLGZ NJOZ 2005, 1070; OLG München ZEV 2017, 353; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140). Ein starkes Indiz dafür, dass weniger die Personen als solche als vielmehr die jeweiligen Stämme bedacht werden sollten, kann darin liegen, wenn die Verwandten – wie bei der gesetzlichen Erbfolge – gleichmäßig bedacht werden, der Erblasser sich also mehr vom formalen Kriterium der Gleichbehandlung leiten lässt (OLG München FamRZ 2011, 1692/1693; NJW-RR 2007, 1162/1164). Maßgebend für die Feststellung dieser Willensrichtung ist allein der Zeitpunkt der Testamentserrichtung (OLG München BeckRS 2018, 10915).

cc) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich für den Senat aus den von dem Erblasser getroffenen Anordnungen der Schluss, dass er den Beteiligten zu 12 als Repräsentant seines Stammes als Erben eingesetzt hat.

Der Erblasser hat seinen Nachlass unter den Stämmen seiner Geschwister aufgeteilt und diesen innerhalb des jeweiligen Stammes jeweils gleichmäßig auf die entsprechenden Abkömmlinge seiner Geschwister verteilt. Dies entspricht dem Gedanken des § 2069 BGB. Demgemäß deutet diese Auf/Verteilung seines Nachlasses darauf hin, dass für ihn in Bezug auf die Erbeinsetzung „Stammesgesichtspunkte“ maßgeblich waren und die Zuwendung nicht vorrangig personenbezogen war. Eine solche Auslegung findet zudem eine Stütze darin, dass der Erblasser gerade nicht die individuellen Namen der Bedachten angeführt hat, sondern seinen Nachlass diesen unter dem generalisierenden Oberbegriff „Neffen“ und „Nichten“ zugewendet hat.

3. Demgemäß liegen die Voraussetzungen für die Erteilung des von den Beteiligten zu 1-10 beantragten Erbscheins nicht vor, da insoweit die Erbenstellung der Beteiligten zu 11 nicht ausgewiesen ist. Demgemäß wäre der Antrag der Beteiligten grundsätzlich zurückzuweisen. Dies hätte aber zur Folge, dass die Beteiligten erneut einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellen müssten, der die tatsächliche Erbrechtslage abbildet. Insofern träfe sie eine doppelte Kostentragungslast betreffend die Erteilung eines Erbscheins. Insofern hält es der Senat als sachgerecht, mit Aufhebung der Entscheidung das Verfahren an das Nachlassgericht zurückzugeben, damit den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet wird, ihren Erbscheinsantrag dahingehend abzuändern, dass dieser die tatsächliche Rechtslage abbildet.

Diesbezüglich wird das Nachlassgericht aber auch zu prüfen bzw. zu berücksichtigen zu haben, ob/dass an die Stelle des ebenfalls die Erbschaft ausschlagenden Beteiligten „……………………..“ dessen vorhandene Abkömmlinge getreten sind.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG

1. Da das Rechtsmittel der Beteiligten zu 11 (= 31 Wx 216/17) erfolgreich ist, ist insoweit eine Kostenentscheidung betreffend die Gerichtskosten nicht veranlasst (vgl. § 25 GNotKG).

Die Beschwerde des Beteiligten zu 12 (= 31 Wx 5/19) blieb erfolglos. Insoweit hat dieser die Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat, soweit es dasjenige betrifft, das infolge seiner Beschwerdeeinlegung veranlasst wurde. Dabei handelt es sich im Verhältnis zu der Beschwerde der Beteiligten zu 11 um ein eigenständiges Verfahren (vgl. OLG Köln BeckRS 2018,28413).

2. Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 11 und 12 ist nicht veranlasst. Die Beschwerde des Beteiligten zu 12 blieb erfolglos, so dass für eine Kostenerstattung seiner außergerichtlichen Kosten kein Raum ist. Eine Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 11 durch die Beteiligten zu 1-10 hält der Senat für nicht geboten. Die in § 81 Abs. 2 benannten Regelbeispiele für die Anordnung der Kostenpflicht liegen nicht vor. Das Obsiegen bzw. Unterliegen kann zwar ein Kriterium für eine Anordnung sein kann, ist aber kein allein maßgebendes. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalls heranzuziehen.

Vorliegend handelt es sich um eine Streitfrage der Erbfolge innerhalb der Verwandtschaft des Erblassers. Die von den Beteiligten zu 1-10 vertretene Rechtsposition ist zudem Ergebnis der von dem Nachlassgericht selbst vertretenen (vgl. Schreiben vom 29.,12.2016 und Beschluss vom 9.2.2017). Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat nicht als angemessen, dass die Beteiligten zu 1-10 die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 11 zu erstatten haben.

V.

1. Die Höhe des Geschäftswerts betreffend das von dem Beteiligten zu 12 veranlaßten Beschwerdeverfahren (= 31 Wx 5/19) bestimmt sich nach dem von diesem verfolgten wirtschaftlichen Interesse am Erfolg seines Rechtsmittels (= Erbenstellung i.H.v. 1/11). Bezugsgröße ist insofern der nach § 40 Abs. 1 GNotKG zu bestimmende Wert des Nachlasses. Dieser ist derzeit durch das Nachlassgericht noch nicht abschließend festgestellt.

Demgemäß bleibt die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren vorbehalten.

2. Hinsichtlich des von der Beteiligten zu 11 veranlaßten Beschwerdeverfahren ist die Festsetzung des Geschäftswerts nicht geboten (vgl. Ziffer IV. 1).

VI.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Rechtsgebiet
FamFG; GNotKG
Vorschriften
FamFG §§ 58 ff., §§ 81 ff.; GNotKG § 36
Quelle: IWW-Abrufnummer 206797

Betteln als Möglichkeit der Einkommenserzielung. Ist Betteln in München erlaubt?

Betteln ist und war schon immer eine Möglichkeit für Menschen, Einkommen zu erzielen. Bereits im Mittelalter begann die Obrigkeit, welche im raschen Anwachsen der Bettelei eine Gefahr für ihre Herrschaft sah, durch polizeiliche Anordnungen das unberechtigte Betteln zu unterdrücken. Neuerdings, insbesondere seit dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007 zur europäischen Union gewinnt man den Eindruck, als habe die Bettelei in Deutschland wieder stark zugenommen[1]. Obwohl man zunächst den Eindruck gewinnen kann, als sei die bettelnde Person durch einen Schicksalsschlag dazu gezwungen, stecken hinter diesen Bettlern meist gut organisierte kriminelle Banden. Dabei gilt das Recht zu betteln nicht uneingeschränkt. Insbesondere ist Betteln dann nicht mehr erlaubt, wenn durch die Verhaltensweisen der Bettler andere beeinträchtigt werden. Dabei wird unterschieden zwischen stillen, aktivem und aggressivem Betteln. Beim stillen Betteln weist der Bettler durch Schilder oder auch nur durch das Aufstellen einer Schale auf sein Anliegen hin. Beim aktiven Betteln wendet sich der Bettler schriftlich oder mündlich an Passanten und fordert diese auf, ihm Geld und Anderes zu geben. Wird die bettelnde Person dabei aufdringlich und versucht die Passanten insbesondere durch körperliche Berührungen oder anpöbeln dazu zu zwingen ihm Geld oder Ähnliches zu geben, spricht man von aggressivem Betteln. Während den Behörden in aller Regel keine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht, um stilles Betteln zu unterbinden, kann aggressives Betteln die öffentliche Sicherheit gefährden. Um dies zu untersagen, hat das Kreisverwaltungsreferat München für das Betteln innerhalb des Altstadtrings und des Hauptbahnhofviertel eine seit dem 12.08.2014 geltende Gemeinverfügung erlassen, wonach das Betteln in bestimmten Formen verboten ist. Dazu gehören:

 

  • Das aggressive Betteln
  • Das organisierte bzw. bandenmäßige Betteln
  • Das den Verkehr behindernde Betteln – die Durchgangsbreite von 1,60 m, bei einem angrenzenden Radweg die Durchgangsbreite von 1,90 m muss gewährleistet sein
  • Das Betteln unter Vortäuschen körperlicher Behinderungen und sozialer Notlagen
  • Das Betteln durch Vortäuschen von künstlerischen Darbietungen bei nichtgebrauchs­fähigen Musikinstrumenten
  • Das Betteln in Begleitung von Kindern oder durch Kinder
  • Das Betteln von Tieren, ohne dass die erforderlichen sowie vollständig und wahrheits­getreu ausgefüllten tierschutzrechtlichen Nachweise mitgeführt werden[2].

 

Letztlich lässt sich festhalten, dass zwischen stillem, aktivem und aggressivem Betteln unterschieden wird. Bei lediglich stillem Betteln steht den Behörden keine Rechtsgrundlage zur Verfügung, um dies zu unterbinden. Soweit Sie sich durch aggressives Betteln genötigt fühlen, können Sie sich mit Ihren Beschwerden an das Kreisverwaltungsreferat oder auch direkt an die Polizei wenden.

[1] Vergl. hierzu: Mag. jur. Daniel Enzenberger in NJW 2018, 35/50.

[2] Vergl. hierzu Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt München – Kreisverwaltungsreferat – vom 01.08.2014.

Es sind strenge Anforderungen an die Tatsachenfeststellung bei der Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zu stellen.

Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten voraus. Die Gefahr für Leib oder Leben erfordert kein zielgerichtetes Verhalten, aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 30. April 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Betreuungsbehörde) wendet sich gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen.

2

Für die Betroffene, die unter einer paranoiden Schizophrenie leidet, ist eine rechtliche Betreuung u.a. mit dem Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten eingerichtet. Am 3. Dezember 2017 wurde ihr Mietverhältnis fristlos gekündigt, weil sie andere Mieter des Wohnhauses durch nächtliches Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür belästigt hatte, in deren Wohnungen eingedrungen war und Mitbewohner mehrfach beleidigt hatte.

3

Am 7. Dezember 2017 hat der Betreuer der Betroffenen beantragt, die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung betreuungsgerichtlich zu genehmigen. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und Anhörung der Betroffenen deren Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung einer Pflegeeinrichtung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet vom Tag der Aufnahme in der Einrichtung an, genehmigt. Das Landgericht hat die – unzutreffend als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete -Beschwerde der Betreuungsbehörde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses begehrt.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

5

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung auf Eigengefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt und sie wie folgt begründet:

6

Die Betroffene leide unter einer psychischen Krankheit in Form einer paranoiden Schizophrenie und sei aufgrund dieser Erkrankung nicht in der Lage, einen freien Willen zu bilden und danach zu handeln. Es bestehe auch eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Betroffenen. Diese setze kein zielgerichtetes Verhalten der Betroffenen voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen könne, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden sei.

7

Dafür seien hier objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte gegeben, weil der Betroffenen Obdachlosigkeit drohe und diese eine konkrete Gefahr der Unterversorgung und Verwahrlosung der Betroffenen bedeute. Aufgrund der paranoiden Wahnvorstellungen mit Beeinträchtigungs- und Beziehungswahnerleben werde die Betroffene einer geordneten Tagesstruktur nicht nachkommen und deswegen in eine völlige Verwahrlosung hineingleiten. Der Grad der Gefahr sei groß und in Relation zum möglichen Schaden ohne freiheitsentziehende Maßnahme so hoch, dass die Unterbringung für den genehmigten Zeitraum verhältnismäßig sei.

8

Die Gefahr der Obdachlosigkeit sei auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt gegeben. Die Berechtigung der fristlosen Kündigung stehe außer Frage. Die Betroffene habe daher die Wohnung zu räumen und an den Vermieter herauszugeben. Ein Abwarten der zwangsweisen Räumung nach Erlass eines Räumungsurteils und die darauffolgende Einweisung in ein Obdachlosenheim sei kein geeignetes Mittel, um die drohende Gefahr von der Betroffenen abzuwenden. Außerdem sei dies mit der Würde der Betroffenen nicht vereinbar, insbesondere weil die Gründe für die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses in der psychischen Erkrankung der Betroffenen ihren Ursprung hätten.

9

Geeignete mildere Mittel als die Unterbringung für einen Zeitraum von sechs Monaten seien nicht ersichtlich, weil eine Vermittlung der Betroffenen auf dem freien Wohnungsmarkt nicht möglich sei und sie eine offene Heimunterbringung oder Unterstützungsmaßnahmen Dritter – wie in der Vergangenheit – nicht akzeptiere.

10

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die materiellen Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sind nicht ausreichend festgestellt.

11

a) Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

12

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwar keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten. Dies setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 – XII ZB 248/09 -FamRZ 2010, 365Rn. 14). Erforderlich sind aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens. Der Grad der Gefahr ist dabei in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342Rn. 10 mwN).

13

Die Prognose einer nicht anders abwendbaren Suizidgefahr oder einer Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist Sache des Tatrichters. Sie baut im Wesentlichen auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren Beteiligten sowie auf dem nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachten auf (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342Rn. 11 mwN).

14

bb) Die Genehmigung der Unterbringung muss zudem erforderlich sein. Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342Rn. 12 mwN).

15

b) Nach den bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts ist eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen nach diesen Maßstäben nicht zu rechtfertigen.

16

aa) Zwar leidet die Betroffene, wie das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten festgestellt hat, an einer behandlungsbedürftigen paranoiden Schizophrenie und damit an einer psychischen Krankheit iSv § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB .

17

bb) Das Landgericht hat aber keine konkreten Umstände für die Annahme aufgezeigt, die Betroffene werde sich erheblichen gesundheitlichen Schaden iSv § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zufügen, wenn die Unterbringung unterbleibt. Es führt hierzu lediglich aus, dass die bevorstehende Obdachlosigkeit für die Betroffene eine konkrete und ernstliche Gefahr der Unterversorgung und der Verwahrlosung bedeute und die Betroffene krankheitsbedingt einer geordneten Tagesstruktur nicht nachkommen und deshalb in eine völlige Verwahrlosung hineingleiten würde.

18

Dass die Betroffene nach dem Verlust ihrer Wohnung tatsächlich obdachlos würde, hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Auch wenn die Betroffene sich bislang nicht selbst um eine neue Wohnung bemüht hat, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie mit Hilfe ihres Betreuers, dem auch der Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten übertragen ist, neuen Wohnraum finden kann. Soweit in der angegriffenen Entscheidung in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, eine Vermittlung der Betroffenen auf dem freien Wohnungsmarkt sei nicht möglich, beruht dies nicht auf entsprechenden Feststellungen. Insbesondere kann der angegriffenen Entscheidung nicht entnommen werden, ob der Betreuer bereits erfolglos versucht hat, der Betroffenen eine neue Wohnung zu verschaffen. Zudem hat sich das Landgericht auch nicht ausreichend mit der Frage befasst, ob einer Obdachlosigkeit der Betroffenen durch andere, gegebenenfalls durch den Betreuer zu organisierende Hilfen begegnet werden könnte. Die Annahme des Landgerichts, die Betroffene werde eine offene Heimunterbringung oder Unterstützungsmaßnahmen Dritter nicht akzeptieren, wird ebenfalls nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Zwar mag die Betroffene in der Vergangenheit derartige Hilfsangebote abgelehnt haben. Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass die inzwischen 70-jährige Betroffene auch in ihrer jetzigen Situation diese ablehnende Haltung aufrechterhalten werde. Denn aufgrund der Kündigung ihres Mietverhältnisses und dem damit verbundenen Verlust ihrer Wohnung hat sich die aktuelle Lebenssituation der Betroffenen grundlegend verändert. Daher kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Betroffene nunmehr bereit ist, Hilfen anzunehmen. Erfolglose Bemühungen des Betreuers, der Betroffenen andere Hilfen anzubieten, hat das Landgericht jedenfalls nicht festgestellt.

19

Ebenso wenig hat das Landgericht ausreichende Feststellungen für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens getroffen, falls eine Unterbringung der Betroffenen unterbleibt. Die angeführte Gefahr einer Verwahrlosung ist als solche nicht ausreichend, eine Selbstgefährdung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu begründen, weil damit nicht aufgezeigt ist, inwieweit mit ihr die konkrete Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens für die Betroffene verbunden sein soll (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2018 – XII ZB 629/17 -FamRZ 2018, 950Rn. 30). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffenen ohne die Unterbringung ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht, ergeben sich auch nicht aus dem vom Landgericht in Bezug genommenen Sachverständigengutachten. Auch darin wird insoweit lediglich ausgeführt, dass sich die Betroffene bislang nicht um eine Wohnung bemüht habe, sie krankheitsbedingt hierzu auch nicht in der Lage sei und ihr deshalb eine dauerhafte Obdachlosigkeit drohe, die mit der Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens verbunden sei. Welche konkreten gesundheitlichen Gefahren für die Betroffene ohne die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung bestehen sollen und wie wahrscheinlich diese sind, wird in dem Sachverständigengutachten nicht dargelegt. Auch die angegriffene Entscheidung verhält sich hierzu nicht. Dazu hätte aber bereits deshalb Anlass bestanden, weil die Betroffene bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung trotz ihrer psychischen Erkrankung offensichtlich in der Lage war, sich selbst angemessen zu versorgen und ihren eigenen Hausstand zu führen. In der angegriffenen Entscheidung werden damit letztlich nur abstrakte Gefahren beschrieben, die sich aus dem Verlust der Wohnung für die Betroffene ergeben können.

20

3. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil die Sache mangels hinreichender Tatsachenfeststellung noch nicht entscheidungsreif ist (vgl. § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

21

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).

Dose
Klinkhammer
Günter
Botur
Krüger

Vorschriften
§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 321 FamFG, § 74 Abs. 7 FamFG

Bei Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte nur im Namen des Betroffenen Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung einlegen

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 12.12.2018 – XII ZB 387/18
Auch nach einem wirksamen Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer kann der Bevollmächtigte noch im Namen des Betroffenen, nicht aber im eigenen Namen Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung einlegen (Fortführung des Senatsbeschlusses BGHZ 206, 321 =FamRZ 2015, 1702).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 2018 wird verworfen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 85jährige Betroffene leidet an vaskulärer Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Sie hatte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2, und ihrem Schwiegersohn, dem Beteiligten zu 1, im Jahr 2009 eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt, deren wirksame Errichtung nicht in Zweifel steht.

2

Auf Anregung aller drei Kinder der Betroffenen hat das Amtsgericht eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Immobilienangelegenheiten, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post-, Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten, Vertretung gegenüber der Einrichtung und Widerruf von Vollmachten eingerichtet und die beiden Töchter der Betroffenen, die Beteiligten zu 2 und zu 3, als Betreuerinnen bestimmt. Diese widerriefen die dem Beteiligten zu 1 erteilte Vollmacht durch Anwaltsschreiben vom 13. März 2018.

3

Am 28. März 2018 hat der Beteiligte zu 1 im Namen der Betroffenen, hilfsweise im eigenen Namen, Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt, die das Landgericht verworfen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil dem Beteiligten zu 1 die Beschwerdeberechtigung für ein Rechtsmittel im eigenen Namen gegen die Verwerfung der Erstbeschwerde der Betroffenen durch das Landgericht fehlt.

5

1. Zwar wäre der Beteiligte zu 1 zur Einlegung der Rechtsbeschwerde im eigenen Namen befugt, soweit seine eigene Beschwerde vom Landgericht verworfen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. April 2018 – XII ZB 282/17 -FamRZ 2018, 1251Rn. 6 mwN). Auf eine Überprüfung der Verwerfungsentscheidung hinsichtlich seiner eigenen Erstbeschwerde ist seine Rechtsbeschwerde jedoch nicht gerichtet, sondern der Beteiligte zu 1 wehrt sich ausdrücklich „gegen die Verwerfung der Beschwerde, die er … im Namen der Betroffenen gegen die Betreuungsanordnung eingelegt hat.“.

6

2. Bezogen auf diesen Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist der Beteiligte zu 1 nicht im eigenen Namen rechtsbeschwerdebefugt.

7

a) Zwar erfordert der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Rechtsschutz, ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel – auch im Fall des Vollmachtwiderrufs – nicht ineffektiv werden zu lassen. Daraus wird zu Recht gefolgert, § 303 Abs. 4 FamFG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass der Widerruf der Vollmacht durch den Betreuer nicht die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren zur Überprüfung eben dieser Betreuerbestellung beseitigt. Da dem Bevollmächtigten durch die Befugnis, im Namen des Betroffenen Beschwerde einzulegen, gerade die Überprüfung der Betreuerbestellung ermöglicht werden soll, steht der Widerruf der Vollmacht durch einen Betreuer dem Beschwerderecht nicht entgegen. Damit soll gewährleistet werden, dass dem Rechtsmittel nicht durch einen vom Betreuer erklärten Widerruf der Vollmacht die Grundlage entzogen werden kann. Ein Wegfall der Vertretungsmacht wäre angesichts des schweren Eingriffs in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht mit dem nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz vereinbar (Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 =FamRZ 2015, 1702Rn. 24 mwN).

8

Das Recht, die Interessen des Betroffenen im Betreuungsverfahren wahrzunehmen, in dem es um den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht geht, ist daher ein der Vorsorgevollmacht immanentes und der Verfügungsgewalt des Betreuers entzogenes Recht, so wie es dem Betreuer auch nicht möglich wäre, als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen ( § 1902 BGB ) ein von diesem persönlich oder durch den Vorsorgebevollmächtigten ergriffenes Rechtsmittel gegen die Betreuerbestellung zurückzunehmen. Dies berücksichtigt auch, dass der Betroffene mit der Vorsorgevollmacht gerade dafür sorgen will, dass er sich nicht selbst gegen staatliche Eingriffe wehren muss, sondern dass dies der Vorsorgebevollmächtigte in seinem Namen kann (Senatsbeschluss BGHZ 206, 321 =FamRZ 2015, 1702Rn. 24 mwN). Die trotz Widerruf insoweit als partiell fortbestehend anzusehende Vollmacht berechtigt indessen nur zur Einlegung von Rechtsmitteln im Namen des Vollmachtgebers.

9

b) Eine Rechtsbeschwerdebefugnis des Bevollmächtigten im eigenen Namen besteht hingegen mangels unmittelbarer Beeinträchtigung eigener Rechte bereits bei fortbestehender Vollmacht nicht (Senatsbeschluss vom 5. November 2014 – XII ZB 117/14 -FamRZ 2015, 249Rn. 6 ff., 15), und erst recht nicht nach deren Widerruf. Sie ist vielmehr nur nach Maßgabe der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren anzuwendenden Vorschriften des § 303 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG gegeben. Danach steht das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen dessen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner, Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern sowie Personen seines Vertrauens zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Als Schwiegersohn der Betroffenen steht der Beteiligte zu 1 jedoch nicht in einem entsprechenden Angehörigenverhältnis, und eine Stellung als Vertrauensperson der Betroffenen hat das Landgericht aus rechtlich nicht zu beanstandenden und auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Gründen verneint.

Vorschriften
Art. 19 Abs. 4 GG, § 303 Abs. 4 FamFG, Art. 2 Abs. 1 GG, § 1902 BGB, § 303 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG
Quelle: IWW-Abrufnummer 206673

Seinen Rufnamen kann man jetzt ändern

Der Rufname einer Person hat in Deutschland eine lange Tradition. So ist es in vielen Familien immer noch üblich, den ersten Namen eines Kindes beispielsweise nach den Großeltern zu bestimmen. Der zweite oder auch dritte Name wird dann zum Rufnamen.

Obwohl Eltern frei bestimmen konnten, welcher von mehreren Vornamen der Rufname sein soll, waren diese mit der Einführung neuer Richtlinien für die Ausstellung von Pässen und Personalausweisen seit November 2010 de facto gezwungen, den ersten Vornamen als Rufnamen zu verwenden. Denn in der maschinenlesbaren Zone der Ausweispapiere wurden alle vorhandenen Vornamen gleichberechtigt eingetragen und zwar in der auf der Geburtsurkunde festgelegten Reihenfolge, wobei der erste Name dann der Rufname war.

Seit dem 01.11.2018 regelt nun das Zweites Personenstandsänderungsgesetz (2. PStRÄndG), dass derjenige, der mehrere Vornamen hat, künftig frei entscheiden kann, welcher davon sein Rufname sein soll. Personen mit mehreren Vornamen ist es seit dem 01.11.2018 daher erlaubt, die Reihenfolge ihrer Vornamen durch eine Erklärung vor dem Standesamt neu zu bestimmen. Lediglich Vornamen, die mit Bindestrich miteinander verbunden sind, sind von dieser Regelung ausgenommen und dürfen nicht geändert werden. Auch die Schreibweise der Vornamen muss beibehalten werden.

Zur Änderung der Namensreihenfolge bedarf es einer Erklärung, welche auch vom Standesbeamten der Standesämter beglaubigt oder beurkundet werden kann. Diese sind in München:

Landeshauptstadt München

Kreisverwaltungsreferat (KVR)

Hauptabteilung II Einwohnerwesen

Standesämter München und München Pasing

 

Ruppertstraße 11

80337 München

Tel.: 089/233-96060

Fax:089/233-44404

 

oder

 

Landsberger Straße 486

81241 München

Tel.: 089/233-37245

Fax: 089/233-37390

 

Diverse Mailadressen:

standesamt.kvr@muenchen.de

standesamtpasing.kvr@muenchen.de

heiratsbuero.kvr@muenchen.de

geburtenbuero.kvr@muenchen.de

Bei Zahlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung darf der Versicherer ohne nachvollziehbare Begründung Zahlungen nicht einstellen.

Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

8 U 139/18
5 O 362/16 Landgericht Lüneburg

Verkündet am19. November 2018

In dem Rechtsstreit

pp.

vom 29. Oktober 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. Mai 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 51.734,02 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2017.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Januar 2017 bis längstens Januar 2044 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.890,77 € monatlich im Voraus zu zahlen und dem Kläger für den Zeitraum ihrer Leistungspflicht Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 99,00 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 140.000,00 € festgesetzt.

G r ü n d e:

I.

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Januar 2006 eine Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugrunde (BUZ). Hinsichtlich des Inhalts der BUZ wird auf Bl. 28 – 32 d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsscheins vom 15. Dezember 2005 wird auf Bl. 13 – 17 d. A. Bezug genommen.

Am 23. Februar 2013 erlitt der Kläger anlässlich seiner Tätigkeit als selbstständiger Forstwirt einen Unfall. Dabei kam es zu Frakturen im Bereich der Wirbelsäule und des Unterschenkels. Mit Schreiben vom 19. November 2013 bestätigte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen rückwirkend ab dem 1. März 2014 (Bl. 39 d. A.).

Mit Schreiben vom 23. September 2014 (Bl. 42 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die beim Kläger vorhandenen unfallbedingten Einschränkungen laut Auskunft der behandelnden Klinikärzte „in allen Teiltätigkeiten auf unter 50 % gesunken“ seien. Deshalb stelle sie ihre Zahlungen zum 1. November 2014 ein.

Der Kläger hat gemeint, dass die Beklagte bereits mangels ordnungsgemäßer Einstellungsmitteilung zur fortlaufenden Leistung verpflichtet sei (Bl. 6 – 7 d. A.). Unabhängig hiervon bestehe die aufgrund des Unfalls eingetretene Berufsunfähigkeit des Klägers uneingeschränkt fort.

Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 49.160,02 € nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere 2.574,00 € nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2017 bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Januar 2044 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.890,77 € monatlich zu zahlen und dem Kläger von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge von jeweils 99,00 € zu gewähren,
4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger als Nebenforderung 2.611,93 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Einstellungsmitteilung sei wirksam. Darüber hinaus habe sich der Gesundheitszustand des Klägers so weit verbessert, dass er jedenfalls teilweise seiner Tätigkeit als Forstwirt nachgehen könne und dieser Tätigkeit seit dem 3. Juni 2014 auch tatsächlich wieder nachgehe (Bl. 65 d. A.).

Mit Urteil vom 4. Mai 2018 (Bl. 184 – 186 R d. A.) hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung lägen nicht vor. Weder die vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten noch ihr Vortrag im Rechtsstreit würden den Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung genügen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 23. September 2014 sei formal wirksam, jedenfalls aber mit der Klageerwiderung nachgeholt worden. Die Beklagte habe dort detailliert geschildert, inwieweit sich die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers gebessert hätten. Warum dies nicht ausreiche, sei nicht nachvollziehbar. Außerdem könne der Kläger nach durchgeführter Umorganisation die nunmehr von ihm ausgeübte Tätigkeit zu mehr als 50 % ausüben. Dass dies nicht auskömmlich sei, werde bestritten.

Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als das Landgericht versäumt hat, den auf die Zukunft gerichteten Anspruch bis „längstens“ Januar 2044 zuzuerkennen. Weiter besteht kein Anspruch auf Zahlung ab dem 1. Januar 2017, sondern erst ab dem Folgetag. Schließlich steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch über den 1. November 2014 hinaus ein Anspruch auf Rentenzahlung und Beitragsbefreiung gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit § 1 (1) BUZ zu.

1. Der Versicherungsfall im Sinne von § 2 (1) BUZ ist jedenfalls zunächst eingetreten. Dabei kann dahingestellt bleiben, wie die vom Kläger zuletzt an gesunden Tagen ausgeübte berufliche Tätigkeit tatsächlich ausgestaltet war und ob der Kläger dieser Tätigkeit aufgrund seines Unfalls (zunächst) nicht mehr zu wenigstens 50 % nachgehen konnte. Denn die Beklagte erkannte den Leistungsanspruch des Klägers mit Schreiben vom 19. November 2013 ausdrücklich an. Mit einem zeitlich unbefristeten und der Sache nach uneingeschränkten Anerkenntnis verliert der Versicherer aber die Möglichkeit, sich später auf das Fehlen der beruflichen oder gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsfalls zu berufen oder eine zum Zeitpunkt der Abgabe bereits vorhandene Verweisungsmöglichkeit nachzuschieben (vgl. BGH VersR 2011, 655; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Auflage, § 173, Rn. 1; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 173, Rn. 4).

2. Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht nachträglich wieder gemäß § 7 Abs. 4 BUZ erloschen.

In den Versicherungsbedingungen ist der Inhalt der Einstellungsmitteilung zwar nicht näher ausgestaltet. Aus Sinn und Zweck der Klausel ergibt sich jedoch, dass in der Mitteilung eine nachvollziehbare Begründung für die Leistungseinstellung gegeben werden muss (vgl. BGH VersR 1996, 958; BGH NJW-RR 1993, 721). Dazu zählt, dass der Versicherungsnehmer durch die Mitteilung seine Prozessrisiken abschätzen kann. Die hieran geknüpften Anforderungen sind abhängig vom Grund der Leistungseinstellung. Bei der Leistungseinstellung aufgrund eines verbesserten Gesundheitszustandes muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer etwaig eingeholte Gutachten oder ärztliche Bescheinigungen zugänglich machen, auf die der Versicherer seine Entscheidung stützt. Darüber hinaus muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufzeigen, wie er zu seiner getroffenen Entscheidung gelangt ist. Deshalb muss der Versicherer seine Vergleichsbetrachtung und die aus ihr gezogenen Folgerungen aufzeigen. Hierzu gehört der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie ihn der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung (vgl. BGH VersR 1996, 958; BGH NJW-RR 1993, 721; OLG München NJW-RR 2010, 1619; KG Berlin RuS 2006, 515). Bei einer Verweisung auf einen anderen Beruf muss der Versicherer darlegen, weshalb er meint, den Versicherungsnehmer auf diesen anderen Beruf verweisen zu können (vgl. Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., J, Rn. Rn. 39).

Zwar dürfen die Anforderungen an eine Leistungseinstellung auch nicht überspannt werden. Insbesondere ist ein gesonderter Bescheid nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr der Vortrag im Rechtsstreit selbst, dass und ab welchem Zeitpunkt der Versicherungsnehmer wieder berufsfähig ist, aus welchen veränderten Umständen sich dies ergibt und dass damit der Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen wieder entfallen ist (vgl. BGH VersR 2000, 171; OLG Karlsruhe RuS 2015, 81).

Zutreffend ist das Landgericht aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte weder vorgerichtlich noch im Rechtsstreit zu den Gründen der Leistungseinstellung ausreichend vorgetragen hat:

In ihrer Einstellungsmitteilung vom 23. September 2014 (Anlage K5a, Bl. 42 d. A.) nahm die Beklagte keine Gegenüberstellung des aktuell beim Kläger bestehenden Gesundheitszustand mit dem Zustand vor, der Grundlage ihres Anerkenntnisses war. Die Beklagte beschränkte sich vielmehr unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Schreiben des B. K. H. vom 5. September 2014 (Bl. 43 d. A.) auf die Behauptung, dass die Einschränkungen des Klägers hinsichtlich aller Teiltätigkeiten auf unter 50 % gesunken seien. Hierbei handelt es sich aber nur um eine von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung auf der Grundlage einer dem Kläger nicht mitgeteilten Ermittlung seines aktuellen Gesundheitszustandes im Vergleich mit einem – dem Kläger gleichfalls nicht mitgeteilten – Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses.

Dass allein die Bezugnahme auf eine etwaig verbesserte Leistungsfähigkeit hinsichtlich einzelner Teilbereiche der ursprünglich ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht ausreicht, hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 28. April 1999 (Az. IV ZR 123/98) entschieden. In dem Urteil heißt es unter anderem:

„Allein die Gegenüberstellung der damals und jetzt von verschiedenen Gutachtern geschätzten Grade der Berufsunfähigkeit genügt aber nicht für eine Vergleichsbetrachtung. Denn allein der Umstand, dass ein früher tätig gewordener Erstgutachter den Grad der Berufsunfähigkeit höher bewertet hat als ein später nachuntersuchender Arzt, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine zwischenzeitliche Besserung der Gesundheit und der Berufsfähigkeit und erlaubt erst recht nicht, deren Ausmaß mit der Differenz der beiden gutachterlichen Bewertungen gleichzusetzen. Wegen des den Ärzten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums, der Raum für individuell unterschiedliche Schätzungen lässt, besteht nämlich die Möglichkeit, dass verschiedene Ärzte demselben Gesundheitszustand verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit zuordnen. Deshalb lässt sich nicht ausschließen, wenn ein früheres und ein späteres Gutachten verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit angeben, dass dem Unterschied keine Gesundheitsänderung, sondern lediglich verschiedene subjektive Maßstäbe der verschiedenen Gutachter zugrunde liegen. Eine unterschiedliche Bewertung des unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer aber kein Recht zur Leistungseinstellung.“

Die vom Bundesgerichtshof aufgezeigte Problematik äußert sich im vorliegenden Fall besonders eindrucksvoll. Denn in ihrem Schreiben vom 5. September 2014 bewerteten die von der Beklagten beauftragten Ärzte die Einschränkungen des Klägers hinsichtlich einzelner Teiltätigkeiten wie folgt:

– Pflanzarbeiten 20%
– Baumfällung, Holzeinschlag 40%
– Kletterarbeiten 40%
– Gartenpflege 30%
– aufsichtsführende Tätigkeit 10%
– Führung von Kfz 5%
– kaufmännische Tätigkeiten 0%

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 (Bl. 45 d. A.) und damit gerade einmal sechs Wochen später nahmen dieselben Ärzte hingegen folgende Beurteilung vor:

– Pflanzarbeiten 80%
– Baumfällung, Holzeinschlag 80%
– Kletterarbeiten 70%
– Gartenpflege 30%
– aufsichtsführende Tätigkeit 10%
– Führung von Kfz 5%
– kaufmännische Tätigkeiten 0%

Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass allein die Einschätzung der unfallbedingten Leistungsbeeinträchtigung durch einen Arzt keine ausreichende Grundlage für den Versicherungsnehmer darstellt, seine Prozessrisiken zu bewerten.

Auch der ärztliche Bericht des B. K. vom 16. Juli 2014 (Anlage BLD 12, Bl. 115 – 119 d. A.) kann nicht für eine Vergleichsbetrachtung herangezogen werden. Dort wird lediglich auf eine „rückläufige Bewegungs- und Belastungsinsuffizienz nach konsolidierter LWK-4-Fraktur“ hingewiesen, ohne aber den aktuellen Gesundheitszustand nachvollziehbar aufzuzeigen. Abgesehen davon hat sich die Beklagte darauf in ihrer Einstellungsmitteilung vom 23. September 2014 auch nicht bezogen. Entsprechendes gilt für das inhaltlich gleichlautende weitere außergerichtliche Schreiben vom 15. Juni 2016 (Anlage K9, Bl. 48 d. A.).

Auch im nachfolgenden Rechtsstreit hat die Beklagte zum aktuellen Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich mit seinem Zustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht ausreichend vorgetragen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, abermals auf die von ihr vorgerichtlich eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahme zu verweisen. Diese sind aber nicht geeignet, um dem Kläger eine Vergleichsbetrachtung zwischen seinen aktuellen und seinen ursprünglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erlauben. Damit vermag der Kläger auch weiterhin nicht abzuschätzen, auf welcher Tatsachengrundlage die Beklagte ihre Leistungen einstellte.

Zwar hat die Beklagte auf S. 8 f. der Klagerwiderung (Bl. 62 f. d. A.) unter Bezugnahme auf den Bericht der A. K. A. vom 30. Juli 2013 (Anlage BLD 8, Bl. 92 ff. d. A.) den von ihr für den Zeitpunkt ihres Leistungsanerkenntnisses angenommenen gesundheitlichen Zustand des Klägers nunmehr in ausreichender Weise dahingehend beschrieben, dass auch 6 Monate nach dem Unfall die Mobilisation mit Unterarmgehstützen noch nicht abgeschlossen gewesen sei sowie in der Wirbelsäule noch ein Fixateur eingebracht gewesen sei mit der Folge erheblicher Bewegungseinschränkungen an der unteren Lendenwirbelsäule. Aus dem genannten Bericht ergab sich zudem, dass infolgedessen u.a. Heben und Tragen, Autofahren, Bücken, Knien und Arbeiten in Zwangshaltung völlig ausgeschlossen waren. Dadurch waren auch die von der Beklagten für den Anerkenntniszeitpunkt zugrunde gelegten Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den für die berufliche Tätigkeit des Klägers als Forstwirt relevanten Funktionsbereichen jedenfalls im Wesentlichen umrissen.

Allerdings fehlt es nach wie vor an einer ausreichenden Vergleichsbetrachtung bezogen auf den Nachprüfungszeitpunkt. Allein der Hinweis auf eine rückläufige Bewegungs- und Belastungsinsuffizienz des Rumpfes nach der zwischenzeitlich durchgeführten Materialentfernung aus Wirbelsäule und Unterschenkel und die Konsolidierung der Frakturen reicht dafür nicht aus. Denn es bleibt offen, welche tatsächlichen Veränderungen sich aus Sicht der Beklagten in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers in den für die Berufs-(un-)fähigkeit maßgeblichen Funktionsbereichen konkret ergeben hatten. Wie weit etwa tatsächlich die Beweglichkeit und Belastbarkeit von Rumpf und Knien wiederhergestellt war und auch einer dauerhaften Beanspruchung standhalten würde, ergibt sich weder aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten noch aus dem von ihr insoweit in Bezug genommenen Bericht vom 16. Juli 2014 (Anlage BLD 12). Auch die Auswirkungen der – nicht näher konkretisierten – gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die relevanten Funktionsbereiche sind nicht ausreichend dargelegt. So fehlt beispielsweise in dem Bericht vom 16. Juli 2014 jede Aussage zum Knien und Arbeiten in Zwangshaltung. Zudem soll danach die Belastbarkeit beim Heben und Tragen nach wie vor „stark“ eingeschränkt gewesen sein. Das reicht nicht, um eine relevante gesundheitliche Verbesserung nachvollziehbar darzutun.

Auch nach entsprechendem Hinweis der Senatsvorsitzenden (LA Bl. 239, 240 d. A.) hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die von den Ärzten des B. K. H. vom 5. September 2014 auf der Grundlage des von den Ärzten in ihrem Schreiben nicht mitgeteilten Gesundheitszustandes gezogenen Schlussfolgerungen aufzugreifen und sich zu eigen zu machen (Bl. 259 d. A.). Die von den Ärzten vorgenommene Bewertung etwaig vorhandener Einschränkungen hinsichtlich der früher ausgeübten Teiltätigkeiten des Versicherungsnehmers ist aber für eine Gegenüberstellung des Gesundheitszustandes nicht ausreichend (s. o.). Die im Übrigen pauschal gebliebene Behauptung eines verbesserten Gesundheitszustandes (und mehr kann auch dem ärztlichen Bericht vom 16. Juli 2014 nicht entnommen werden) genügt ebenso wenig.

3. Der Kläger ist auch nicht zu einer Umorganisation seines Betriebs imstande. Unstreitig war der Kläger vor dem Unfall der alleinige Mitarbeiter seines Betriebs. Eine Umorganisation käme somit nur in Betracht, wenn der Kläger seine ursprüngliche Tätigkeit durch eine Änderung der Arbeitsabläufe wieder ausüben könnte. Zwar betrifft die Umorganisation augenscheinlich nur die Delegation auf andere Personen. Sie umfasst aber genauso jede Änderung in den Arbeitsvorgängen des verpflichteten Unternehmers, also etwa zeitliche Umgestaltung, Nutzung anderer Maschinen, Veränderungen der zeitlichen Abläufe oder Nutzung von Hilfsmitteln (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Kap. F, Rn. 128).

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 hat der Kläger die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit geschildert. Danach habe er in den letzten drei Monaten vor dem Unfallereignis nur für einen einzigen Kunden gearbeitet. Für diesen habe er nahezu ausschließlich Pflanzungen, Holzeinschlag, Jungwuchspflege sowie die Unterhaltung von Wildzäunen einschließlich deren Montage und Demontage durchgeführt (Bl. 152 d. A.). Weiter heißt es in dem Schriftsatz unter anderem (Bl. 153 d. A.):

„Dabei bestand die Arbeit des Klägers tagtäglich darin, zwischen 8:00 Uhr und 17:00 Uhr Pflanzungen im Wald an der hierfür jeweils vorgesehenen Fläche vorzunehmen. Dabei war der Kläger aufgrund seiner Routine und körperlichen Leistungsfähigkeit in der Lage, pro Stunde ca. 100 Pflanzen und Setzlinge in den Boden zu bringen, sodass er hierfür pro Tag eine Akkordvergütung für insgesamt ca. 800 Pflanzen und Setzlinge zu generieren vermochte.“

Die Darlegungs- und Beweislast für eine dem Versicherten mögliche und zumutbare Umorganisation liegt im Nachprüfungsverfahren beim Versicherer (vgl. Neuhaus aaO, Kap. M, Rn. 130). Dementsprechend muss der Versicherer entweder auf der Grundlage der vom Versicherten geschilderten Tätigkeit darlegen und ggf. beweisen, inwieweit dieser seinen Betrieb umorganisieren kann. Oder der Versicherer muss darlegen und beweisen, welchen Beruf der Versicherte zuletzt an gesunden Tagen tatsächlich ausübte und dass insoweit eine Umorganisation möglich und zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die Tätigkeitsbeschreibung des Klägers zu bestreiten. Das ist im Nachprüfungsverfahren aber nicht ausreichend.

Soweit die Beklagte auf die aktuell vom Kläger ausgeübte Tätigkeit hingewiesen hat, handelt es sich entgegen der von ihr mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2018 vertretenen Auffassung (Bl. 261, 262 d. A.) nicht um eine Form der Umorganisation. Die nunmehr vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist nicht mit der vom Kläger geschilderten Tätigkeit vor dem Unfall im Wesentlichen vergleichbar. Eine Umorganisation setzt aber immer voraus, dass der Betrieb in seiner ursprünglichen Ausgestaltung – wenngleich unter Abänderung der betriebsinternen Abläufe – fortgeführt werden kann. Ist das nicht mehr möglich und muss der Betriebsinhaber zur Kompensation seiner unfallbedingten Beschwerden das bisherige Tätigkeitsfeld verändern, handelt es sich nicht mehr um eine Umorganisation. Vielmehr handelt es sich um eine andere Tätigkeit, die den Versicherer nur zur Leistungseinstellung berechtigt, wenn er den Versicherten auf diese Tätigkeit verweisen kann.

Im vorliegenden Fall kann die Beklagte den Kläger aber nicht mit Erfolg auf seine aktuell ausgeübte Tätigkeit verweisen. Hat der Versicherte in der Zeit seit dem Anerkenntnis eine andere Erwerbstätigkeit aufgenommen, dann muss er sich allenfalls dann darauf verweisen lassen, wenn diese neue Tätigkeit den Anforderungen der maßgeblichen Versicherungsbedingungen genügt (vgl. Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 174, Rn. 18). Gemäß § 7 (1) Satz 1 in Verbindung mit § 2 (1) Satz 1 BUZ kann der Versicherungsnehmer auf einen anderen Beruf verwiesen werden, wenn er diesen aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und wenn dieser seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (vgl. BGH VersR 2018, 152).

Insoweit fehlt es abermals an einem ausreichenden Vortrag der auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen (vgl. Neuhaus aa) Beklagten. Nicht nur hat sie die vom Kläger dargestellte aktuelle Tätigkeit bestritten, ohne ihrerseits hierzu näher vorzutragen (Bl. 170 d. A). Vielmehr hat die Beklagte auch nicht behauptet, dass die ursprünglich vom Kläger erzielte Vergütung seinem jetzigen Einkommen zumindest ungefähr entspricht.

4. Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Leistungen ist unstreitig. Das betrifft sowohl die Höhe der monatlich geschuldeten Rente als auch die Höhe der monatlichen Prämie.

Begründet ist die Berufung allerdings insoweit, als das Landgericht dem Kläger einen uneingeschränkten Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen bis zum Ende der Versicherungsdauer zugesprochen hat. Insoweit hat das Landgericht nicht der Möglichkeit eines jederzeit erneut in Betracht kommenden Nachprüfungsverfahrens und/oder einer nachfolgenden (ordnungsgemäßen) Einstellungsmitteilung der Beklagten Rechnung getragen. Damit besteht die Möglichkeit einer bereits vor dem 1. Januar 2044 endenden Leistungspflicht der Beklagten. Dementsprechend hätte das Landgericht dem Kläger einen Anspruch auf zukünftige Leistungen nur „längstens“ bis zum 1. Januar 2044 zusprechen dürfen.

Die Berufung ist auch insoweit begründet, als dem Kläger gegen die Beklagte kein auf die Zukunft gerichteter Anspruch beginnend mit dem 1. Januar 2017 zusteht. Die Beklagte schuldet gemäß § 1 (1) a) BUZ im Leistungsfall Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente monatlich im Voraus. Das bedeutet, dass die Leistung bis zum Monatsersten erbracht worden sein muss (vgl. Brudermüller in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1585, Rn. 1). Allerdings ist der Bestimmung des § 193 BGB Rechnung zu tragen. Hieraus folgt, dass an die Stelle des 1. Januar der nächste Werktag tritt und die Beklagte somit Zahlung erst am 2. Januar schuldet.

Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB. Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Verzinsung des begründeten Anspruchs erst ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag ausgesprochen, § 187 Abs. 1 BGB.

Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger hingegen nicht zu. Die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 23. September 2014 (Bl. 42 d. A.) kann nicht als endgültige Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstanden werden. Dass die Beklagte unter keinen Umständen zu einer Wiederaufnahme ihrer Leistungen bereit sein würde, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Auch der Kläger ging hiervon erkennbar nicht aus, denn er holte zunächst vom B. U. eine ergänzende Stellungnahme ein. Darüber hinaus ließ sich die Beklagte im Anschluss auf die vom Kläger vorgebrachten Gegenargumente ein und bat das B. U. H. ihrerseits um eine ergänzende Stellungnahme (Bl. 48 d. A.). Dass es im Anschluss bis zur Beauftragung des Klägervertreters zu einer Inverzugsetzung der Beklagten oder zu einer Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB kam, kann weder dem Parteivortrag noch dem weiteren Akteninhalt entnommen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO hat der Senat abgesehen. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Quelle: IWW-Abrufnummer 206985

Anspruch auf Nutzungsentschädigung gegen nutzenden Miterben

(Urteil weicht von überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung ab).

Ein hinreichend deutliches Verlangen einer Neuregelung der Verwaltung und Benutzung von Nachlassgegenständen i.S. von § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB setzt nicht voraus, dass der bislang allein Nutzende durch jenes Verlangen explizit vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ gestellt werden muss.

In dem Rechtsstreit

– Kläger und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen

– Beklagter und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
wegen Forderung
hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 19. Zivilsenat – durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Mollenkopf, die Richterin am Oberlandesgericht Zauner und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Starke aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2018 für Recht erkannt:
Tenor:

1.

Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen (Jagst) vom 18. April 2018 (Az. 2 O 342/17) wird zurückgewiesen.
2.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung i.H. von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.

Für den Beklagten wird die Revision gegen dieses Urteil zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde bereits mit Beschluss des Senats vom 11. Oktober 2018 (GA 204) auf 22.420,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger und der Beklagte sind Brüder und bilden seit dem Tod der am 14. August 2015 verstorbenen Mutter der Parteien, A… M… V…, zu gleichen Teilen eine Erbengemeinschaft.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger vom Beklagten zu Gunsten der Erbengemeinschaft Zahlung einer Nutzungsentschädigung ab dem 1. Januar 2016 für die alleinige Nutzung der Wohnung 1. Obergeschoss, H…weg …, … W… (nebst zweier Garagen) sowie ab dem 1. August 2016 für die alleinige Bewirtschaftung und Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen Grundbuch W…, Flurstücknummern …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, … und … .

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 18. April 2018 (2 O 342/17; GA 81 ff.).

Die Kläger haben vor dem Landgericht zuletzt beantragt (vgl. LGU 3),

den Beklagten zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach A… M… V…, geb. S…, bestehend aus dem Kläger K… G… V… und dem Beklagten M… V…, 22.420,00 € zuzüglich Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.740,00 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 13. November 2017 sowie weitere Zinsen i.H. von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz aus 2.680,00 € „seit Zustellung dieses Schriftsatzes“ zu bezahlen.

Die Beklagte hat vor dem Landgericht beantragt (LGU 5),

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat mit Grundurteil vom 18. April 2018 (2 O 342/17) dem Kläger dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung ab dem 1. Januar 2016 für die alleinige Nutzung der Wohnung 1. Obergeschoss, H…weg …, … W…, nebst zweier Garagen an die Erbengemeinschaft nach A… M… V…, bestehend aus dem Kläger und dem Beklagten, zuerkannt (vgl. Ziff. 1 des Tenors).

Des Weiteren hat es dem Kläger dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung ab dem 1. August 2016 für die alleinige Bewirtschaftung und Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen Grundbuch W…, Flurstücknummern …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, …, … und … an die Erbengemeinschaft nach A… M… V…, bestehend aus dem Kläger und dem Beklagten, zugesprochen (Ziff. 2 des Tenors).

Wegen der Einzelheiten der Begründung nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Grundurteils (LGU 5 ff.).

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlich gestellten Klagabweisungsantrag (vgl. LGU 4) vollumfänglich weiter.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass das Landgericht die rechtlichen Anforderungen für das klägerische Verlangen einer Neuregelung i.S. von § 745 Abs. 2 BGB verkannt habe. So erforderten diverse obergerichtliche Entscheidungen ein Neuregelungsverlangen des Inhalts, dass der alleinige Immobiliennutzer eindeutig vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ gestellt werde. Abgesehen davon wolle der Kläger weder eine eigene Nutzung noch eine Fremdnutzung, sondern vielmehr, dass die gleichbleibende Nutzung beibehalten werde, jetzt allerdings gegen Vergütung. Eine bloße Zahlungsaufforderung stelle jedoch kein Neuregelungsverlangen i.S. von § 745 Abs. 2 BGB dar.

Außerdem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die vom Kläger begehrte Nutzungsentschädigung nach billigem Ermessen den Interessen aller Miterben entspreche. So habe es vorliegend nur die Interessen des Klägers berücksichtigt, nicht hingegen diejenigen des Beklagten, welcher die Wohnung schon seit fast 20 Jahren bewohne.

Es sei geradezu absurd, dem Beklagten jetzt eine Nutzungsentschädigung abzuverlangen, welche er später zur Hälfte wieder zurückerhalte, wo doch gleichzeitig die Miete für die untere Wohnung, welche der Höhe nach der begehrten Nutzungsentschädigung entspreche, für den Kläger zur Verfügung stehe und beklagtenseits angeboten worden sei. Dass der Kläger dieses Angebot rundweg abgelehnt habe, zeige mehr als deutlich, dass es ihm keineswegs um eine Teilhabe am Wohnhaus H…weg … gehe, sondern einzig und allein darum, dem Beklagten und dessen Familie das Leben schwer zu machen. In diesem Zusammenhang berufe sich der Beklagte vorsorglich auf §§ 226, 242 BGB.

Was die streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen betreffe, so würden die vorstehenden Erwägungen entsprechend gelten.

Der Beklagte beantragt (GA 203 i.V.m. GA 102),

unter Abänderung des am 18. April 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Ellwangen (2 O 342/17) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (GA 203 i.V.m. GA 98),

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 18. April 2018 (2 O 342/17) zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Grundurteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 11. Oktober 2018 (GA 202 ff.) verwiesen.

B.

Die Berufung des Beklagten ist zwar zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

Was die Zulässigkeit der Klage betrifft, so ist das Landgericht (LGU 5) zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger gem. § 2039 Satz 1 BGB prozessführungsbefugt ist. Dies wird denn auch seitens der Berufung des Beklagten nicht angegriffen.

II.

Gegen die Annahme der Voraussetzungen des § 304 Abs. 1 ZPO für den Erlass eines Grundurteils durch das Landgericht (LGU 5) erheben sich für den Senat keine rechtlichen Bedenken.

In der Sache ist der Beklagte nach zutreffender Auffassung des Landgerichts dem Grunde nach verpflichtet, an die aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft eine Nutzungsentschädigung – wie klägerseits gefordert – für die alleinige Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung ab dem 1. Januar 2016 wie auch der streitbefangenen landwirtschaftlichen Flächen ab dem 1. August 2016 zu bezahlen (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB).

1.

Nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB kann ein Mitglied einer Erbengemeinschaft gegenüber den anderen Mitgliedern eine den Interessen aller Miterben entsprechende Verwaltung und Benutzung von Nachlassgegenständen verlangen, sofern die Verwaltung und Benutzung nicht durch eine Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss geregelt ist.

a)

Dass die Parteien eine Erbengemeinschaft bilden und dass das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute streitgegenständliche Grundstück H…weg … in W… zum Nachlass gehört, ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Verwaltung und Benutzung nicht durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss der Miterben geregelt war. Die – stillschweigende – unentgeltliche Überlassung der früheren Alleineigentümerin (der Mutter der Parteien) bindet den Kläger nach deren Tod nicht (vgl. LGU 6).

Wie die Berufungserwiderung (GA 128) zutreffend aufzeigt, ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darin zu sehen, dass sich die Eigentumsverhältnisse und damit die Entscheidungsmacht darüber, ob die Wohnung weiterhin unentgeltlich überlassen wird oder nicht, mit dem Tode der Mutter der Parteien geändert haben.

b)

Zu Recht hat das Landgericht (LGU 6 f.) angenommen, dass vorliegend ein hinreichend deutliches Verlangen des Klägers bezüglich einer Neuregelung der Verwaltung und Benutzung gegeben ist, in deren Folge sich ein Zahlungsanspruch ergibt.

aa)

Soweit für Nutzungsersatzansprüche teilweise gefordert wird, dass der bislang allein Nutzende durch das Neuregelungsverlangen vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ gestellt werden muss (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 6. Dezember 2013 – 14 UF 166/13, NJW 2014, 1022; OLG Naumburg, Beschl. v. 12. März 2012 – 8 W 1/12 [PKH], FamRZ 2012, 1941; OLG Braunschweig, Beschl. v. 17. November 1995 – 2 UF 51/95, FamRZ 1996, 548 f.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 12. März 2001 – 9 U 7/00, FamRZ 2001, 1713 ff.), kommt es vorliegend auf diese Frage an.

Denn der Kläger, welcher zu Gunsten der Erbengemeinschaft Nutzungsentschädigung ab 1. Januar 2016 begehrt (vgl. S. 8 f. der Klageschrift vom 13. November 2017; GA 8 f.), hat den Beklagten erst mit Anwaltsschreiben vom 8. Juli 2016 (S. 3; Anlage K 8; hinter GA 12) unter Fristsetzung bis 29. Juli 2016 ausdrücklich vor diese Alternative gestellt.

Allerdings ist unstreitig, dass der Kläger den Beklagten ab September 2015 mehrfach – u.a. am 4. Oktober 2015 – aufgefordert hat, für die Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung eine angemessene Miete und Nebenkostenvorauszahlungen an die Erbengemeinschaft zu zahlen (vgl. LGU 2 i.V.m. GA 4). Damit hat er nach zutreffender Auffassung des Landgerichts (LGU 8) zum Ausdruck gebracht, dass er anstelle der bisherigen unentgeltlichen Nutzung durch den Beklagten eine entgeltliche Nutzung begehrt.

bb)

Wie das Landgericht (LGU 7) in diesem Zusammenhang zu Recht ausgeführt hat, stellt das Verlangen einer Räumung eine der Möglichkeiten eines Neuregelungsverlangens i.S. von § 745 Abs. 2 BGB dar, welches in keinem inneren Zusammenhang mit einem Neuregelungsverlangen in Form eines Nutzungsentgelts steht.

Nicht zuletzt ist auch der bisherigen – allerdings gegenüber den oben genannten Entscheidungen zum Teil älteren – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Erfordernis, den bislang allein Nutzenden alternativ zur Zahlung oder zum Auszug aufzufordern, nicht zu entnehmen. Vielmehr ist dieser zufolge lediglich ein hinreichend bestimmtes Neuregelungsverlangen erforderlich, welches auch darin bestehen kann, dass – was der Beklagte (GA 189) verkennt – für die Zukunft die Zahlung eines Entgelts für die Nutzung verlangt wird; für einen vor dem deutlichen Verlangen nach Neuregelung liegenden Zeitraum kann allerdings ein Nutzungsentgelt nicht beansprucht werden (vgl. BGH, Urt. v. 11. Dezember 1985 – IVb ZR 82/84, FamRZ 1986, 434 f. i.V.m. BGH, Urt. v. 4. Februar 1982 – IX ZR 88/80, NJW 1982, 1753 f.; BGH, Urt. v. 6. August 2008 – XII ZR 155/06, FamRZ 2008, 2015 Tz. 22; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 9. November 1998 – 13 W 55/98, FamRZ 1999, 1272, 1273).

Insbesondere hat der Bundesgerichtshof ein Schreiben, mit dem die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für den vom dortigen Beklagten genutzten Grundbesitz geltend gemacht wurde und die Bezifferung der Höhe nach vorbehalten wurde, als ausreichendes Verlangen i.S. von § 745 Abs. 2 BGB angesehen, da der Verpflichtete hierdurch Kenntnis von dem Zahlungsverlangen erlangt hatte (vgl. BGH, Urt. v. 14. November 1988 – II ZR 77/88, NJW 1989, 1030, 1031). Abgesehen davon hat der Bundesgerichtshof ein Verlangen, welches hilfsweise Ansprüche auf eine nach billigem Ermessen dem Interesse der Teilhaber entsprechende Verwaltung und Benutzung geltend machte, lediglich Auskunft forderte und ein konkretes Zahlungsbegehren nicht enthielt, für hinreichend deutlich angesehen (vgl. BGH, Urt. v. 16. Mai 2017 – X ZR 85/14, GRUR 2017, 890 Tz. 22).

cc)

Nach alledem kann gem. § 745 Abs. 2 BGB auch im Wege einer Leistungsklage ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung geltend gemacht werden, wenn sich der Zahlungsanspruch – wie hier – als Ergebnis der beanspruchten Neuregelung ergibt (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 10. Februar 2006 – 10 U 18/05, OLGR Hamburg 2006, 512, 513).

c)

Wie das Landgericht (LGU 8 f.) zu Recht ausführt, entspricht die vom Kläger begehrte Neuregelung der Verwaltung und Benutzung in Form einer Entschädigung für die alleinige Nutzung durch den Beklagten den Interessen aller Miterben nach billigem Ermessen (vgl. etwa LG Dortmund, Urt. v. 21. August 2012 – 3 O 72/12; bei juris).

aa)

Zwar geht das Interesse des Beklagten dahin, nach dem Tode der Mutter weiterhin unentgeltlich die Wohnung nutzen zu können. Dieses – sich als unökonomisch darstellende – Interesse des Beklagten entspricht jedoch nicht billigem Ermessen. Die Belange des Beklagten werden durch das klägerische Begehren der Leistung an die Erbengemeinschaft angemessen berücksichtigt.

Soweit es der Beklagte in diesem Zusammenhang für absurd erachtet, ein Nutzungsentgelt zu entrichten, wenn doch die Mieteinnahmen aus der vermieteten Wohnung im Erdgeschoss der streitgegenständlichen Immobilie vollständig dem Kläger zufließen könnten, berücksichtigt er nicht, dass dem Beklagten – mangels entsprechender Vereinbarung mit dem Kläger i.S. von § 745 Abs. 2 BGB – ebenso wenig ein volles Nutzungsrecht an der von ihm genutzten Wohnung im 1. Obergeschoss zusteht wie dem Kläger ein umfassendes Nutzungsrecht an der vermieteten Wohnung im Erdgeschoss (so zutreffend LGU 9).

bb)

Dass der Kläger keine Eigennutzung der streitgegenständlichen Wohnung gefordert hat, steht dem geltend gemachten Nutzungsersatzanspruch nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 15. September 1997 – II ZR 94/96, DNotZ 1998, 474, 475 f.; LG Münster, Urt. v. 26. September 2014 – 10 O 160/08, FamRZ 2015, 1932, 1934).

Das seitens der Berufung in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des BGH vom 29. Juni 1966 (V ZR 163/63, NJW 1966, 1707 ff.) statuiert zwar, dass ein Teilhaber nur dann Ersatz für die vom anderen Teilhaber gezogenen Nutzungen verlangen kann, wenn entweder die Teilhaber eine dahingehende Vereinbarung i.S. von § 745 Abs. 2 BGB getroffen haben oder wenn ihm der Mitgebrauch des Grundstücks entgegen seinem Verlangen hartknäckig verweigert worden ist. Dies setzt jedoch nach zutreffender Auffassung des Bundesgerichtshofs voraus, dass – anders als im vorliegenden Fall – der die Nutzungsentschädigung fordernde Teilhaber seinen Anspruch auf eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Nutzung (noch) nicht geltend macht bzw. gemacht hat.

d)

Entgegen der Auffassung der Berufung (GA 119 f,) steht dem klägerischen Verlangen auch nicht der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§§ 226, 242 BGB) entgegen.

Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens setzt voraus, dass feststeht, dass die Rechtsausübung objektiv keinen Vorteil bringen kann und lediglich zur Schädigung des anderen dient (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 6. März 1979 – 3 Ws 9-25, 84-85/79, NJW 1979, 1613 [OLG Frankfurt am Main 06.03.1979 – 3 Ws 9/79]).

Hierfür ist seitens der Berufung nichts Durchgreifendes dargetan. Soweit die Berufung (GA 119) in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass der Kläger mit der Miete für die untere Wohnung wirtschaftlich genau das gleiche Ergebnis hätte, dies aber kategorisch ablehne, wird auf die Ausführungen oben unter 1. c) aa) verwiesen. Auch die Replik des Beklagten vom 28. September 2018 (S. 9 f.; GA 191 ff.) auf die Berufungserwiderung des Klägers enthält keine Tatsachen, auf deren Grundlage ein ausschließlich auf eine Schädigung des Beklagten gerichtetes Handeln des Klägers angenommen werden müsste.

Soweit der Beklagte im Senatstermin vom 11. Oktober 2018 die weitergehenden Vorschläge unterbreitet hat, die streitgegenständliche Immobilie H…weg … gegen eine entsprechende Immobilie aus dem Nachlass zu tauschen bzw. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses die geforderte Miete zu bezahlen, hat der Kläger auf seinen eigenen Vorschlag aus dem Anwaltsschreiben vom 4. Oktober 2018 (Anlage K 19; GA 198 ff.) verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, dass er sich zur Frage eines entsprechenden Grundstückstauschs äußern werde (vgl. S. 2 f. der Sitzungsniederschrift vom 11. Oktober 2018; GA 203 f.) Auch vor diesem Hintergrund erweist sich der beklagtenseits erhobene Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers (§§ 226, 242 BGB) als nicht gerechtfertigt.

2.

Nach zutreffender Auffassung des Landgerichts kann der Kläger vom Beklagten gem. § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB auch Zahlung von Nutzungsersatz an die Erbengemeinschaft für die streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen – wie verlangt (vgl. S. 9 f. der Klageschrift vom 13. November 2017; GA 9 f.) – ab dem 1. August 2016 verlangen.

a)

Auch diese Flächen gehören zum Nachlass; eine vorrangige Regelung durch Mehrheitsbeschluss oder Vereinbarung der Parteien existiert gleichermaßen nicht.

b)

Auch insoweit liegt ein hinreichendes Verlangen des Klägers auf Neuregelung i.S. von § 745 Abs. 2 BGB durch entgeltliche Nutzungsüberlassung vor.

Zwar hat der Kläger den Beklagten hinsichtlich der landwirtschaftlichen Grundstücke nicht – insbesondere auch nicht in seinem oben erwähnten Anwaltsschreiben vom 8. Juli 2016 (Anlage K 8; hinter GA 12) – vor die Alternative „Zahlung oder Räumung“ gestellt. Allerdings hat der Kläger den Beklagten unstreitig ab September 2015 – u.a. am 4. Oktober 2015 – mehrfach aufgefordert, für die Nutzung der streitgegenständlichen Landwirtschaftsflächen eine angemessene Pacht an die Erbengemeinschaft zu bezahlen (vgl. LGU 2).

Der Kläger hat damit nach zutreffender Auffassung des Landgerichts (LGU 11) zum Ausdruck gebracht, dass er anstelle der bisherigen unentgeltlichen Nutzung durch den Beklagten eine Verpachtung an den Beklagten – d.h. eine entgeltliche Nutzung – begehrt. Eine „Vergütung“ der vorherigen Nutzung durch den Beklagten hat der Kläger demgegenüber nicht begehrt.

c)

Auch diese vom Kläger begehrte Neuregelung der Verwaltung und Benutzung in Form einer Nutzungsentschädigung für die alleinige Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen durch den Beklagten entspricht aus den oben genannten Gründen den Interessen aller Miterben nach billigem Ermessen.

Insoweit gilt gleichermaßen, dass aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Gesamthandsgemeinschaft die landwirtschaftlichen Flächen allen Miterben zustehen und eine unmittelbar dingliche Berechtigung dem Beklagten ebenso wenig zusteht wie dem Kläger (vgl. LGU 11).

Wie oben bereits ausgeführt, steht der Umstand, dass der Kläger eine Eigennutzung der streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen nicht eingefordert hat, dem geltend gemachten Nutzungsentschädigungsanspruch nicht entgegen.

III.

Die Revision wird für den Beklagten wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zugelassen, weil bislang noch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage vorliegt, ob ein hinreichend deutliches Verlangen einer Neuregelung der Verwaltung und Benutzung von Nachlassgegenständen i.S. von § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB voraussetzt, dass der bislang allein Nutzende durch jenes Verlangen vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ gestellt werden muss.

Diese Frage ist vorliegend zum einen insoweit entscheidungserheblich, als der Kläger, welcher zu Gunsten der Erbengemeinschaft Nutzungsentschädigung hinsichtlich der streitgegenständlichen Wohnung ab 1. Januar 2016 begehrt, den Beklagten – wie oben bereits erwähnt – erst mit Anwaltsschreiben vom 8. Juli (Anlage K 8; hinter GA 12) unter Fristsetzung bis 29. Juli 2016 ausdrücklich vor diese Alternative gestellt hat.

Zum anderen ist sie auch insoweit entscheidungserheblich, als der Kläger in Ansehung der streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Grundstücke nach Aktenlage überhaupt kein derart pointiertes Neuregelungsverlangen („Zahlung oder Räumung“) erhoben hat.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. In diesem Zusammenhang war das vorausgegangene landgerichtliche Grundurteil nicht gesondert für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da es keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

Quelle: IWW-Abrufnummer 206798

Widerlegbare Vermutung der Versorgungsehe bei Witwerrente bei kurzer Ehedauer

Landessozialgericht Bayern: Urteil vom 04.09.2018 – L 19 R 2/17
1. Sowohl für den Tatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI („nicht mindestens ein Jahr“) als auch hinsichtlich des Vorliegens der „besonderen Umstände“ ist es unerheblich, ob die Eheleute bei der Eheschließung damit gerechnet haben, dass der Versicherte das erste Jahr nach der Eheschließung überleben wird.

2. Die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung sind auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG Urteil vom 05.05.2009 B 13 R 55/08 R). Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die vermutete Versorgungsabsicht bereits dann zwingend widerlegt ist, wenn einer der Ehegatten behauptet, nicht überwiegend den Zweck verfolgt zu haben, der Witwe oder dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen.

LSG Bayern

04.09.2018

L 19 R 2/17

Tenor:

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.11.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger einen Anspruch auf Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau hat.

2

Der 1951 geborene Kläger lebte seit 1989 mit der 1951 geborenen Versicherten A., geschiedene S. (Rechtskraft des Scheidungsurteils am 18.11.1986), geborene M. (Versicherte) zusammen. Der ebenfalls geschiedene Kläger hat vier und die Versicherte zwei erwachsene Kinder aus der jeweils ersten Ehe.

3

Der Kläger bezieht seit dem 01.06.2011 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (ab 01.07.2014 Auszahlung in Höhe von monatl. 547,41 €, brutto 609,92 €) und eine Unfallrente (ab 01.07.2016 Auszahlung in Höhe von monatl. 432,72 €).

4

Die Versicherte hatte den Beruf einer Arzthelferin erlernt. Zuletzt war sie als angestellte Bürokraft im öffentlichen Dienst beschäftigt. Im September 2011 wurde bei der Klägerin ein invasiv-duktales Karzinom der linken Mamma diagnostiziert. Nachfolgend erfolgte bis Februar 2012 eine neoadjuvante Chemotherapie, im März 2012 die radikale Mastektomie. Von April bis Mai 2012 wurden eine adjuvante Radiatio (Strahlentherapie) sowie ab Juli 2012 endokrinologisch medikamentöse Therapien durchgeführt.

5

Ab dem 25.10.2011 war bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt (Bescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales vom 25.11.2011, insbesondere Einzel-GdB von 60 wegen Erkrankung der Brust links in Heilungsbewährung). Auf ihren Antrag vom 18.04.2012 erhielt die Versicherte ab dem 01.07.2012 von der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Auszahlung in Höhe von monatl. 974,51 €, brutto 1.084,12 €; ab 01.07.2014 991,73 €, 1.104,98 € brutto).

6

Im Februar 2014 wurden im Rahmen der Nachsorgeuntersuchung multifokale ossäre und pulmonale Metastasen und ein Karzinom der linken Niere festgestellt. Am 09.04.2014 erfolgte eine lumbale Tumornephrektomie links einschl. Nebenniere. Vom 21.05.2014 bis 18.06.2014 befand sich die Versicherte zur onkologischen Anschlussrehabilitation in der Klinik Prof. S., K-Stadt (Diagnosen: neuroendokrines Karzinom der Niere links und Nebenniere, Mamma-Karzinom mit ossären und pulmonalen Metastasen). Vom 25.06.2014 bis 26.06.2014 wurde die Versicherte stationär wegen einer Stauungsniere bei beginnendem Nierenversagen behandelt.

7

Am 02.07.2014 beantragte die Versicherte ambulante Leistungen der Pflegeversicherung. Sie gab an, der Kläger habe als Angehöriger die Pflege ganztägig übernommen. Nach dem Gutachten des MDK Bayern nach Aktenlage vom 28.07.2014 sei die persönliche Befunderhebung der Versicherten nicht mehr zumutbar gewesen. Die grundpflegerische Versorgung werde rund um die Uhr durch den Kläger wahrgenommen. Die hauswirtschaftliche und die behandlungspflegerischen Versorgungen erfolgten durch den Kläger und Frau D. sowie Frau A.. Die Pflegestufe 2 sei ab 01.07.2014 zuzuerkennen. Im Übrigen erfolge (ab 01.07.2014) eine ambulante Palliativpflege (Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung Team A-Stadt GmbH – SAPV -).

8

Mit Vollmacht der Versicherten vom 27.06.2014 für den Kläger und nach Beibringung der Unterlagen erfolgte am 03.07.2014 die Anmeldung zur Eheschließung. Am 16.07.2014 heirateten der Kläger und die Versicherte. Die Versicherte verstarb am 01.08.2014.

9

Am 18.08.2014 beantragte der Kläger die Gewährung von Witwerrente. In der Anlage zum Antrag gab er zur kurzen Ehedauer an, dass die tödlichen Folgen der Krankheit bei der Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien.

10

Mit Schreiben vom 12.09.2014 führte der Kläger aus: „Als ich vor 25 Jahren mit meiner Frau zusammengekommen bin, hatten wir beide bereits gescheiterte Ehen hinter uns. Meine Frau und ihre beiden Kinder hatten in der ersten Ehe bereits viel Schlimmes durchmachen müssen. Deshalb hatten wir beide Bedenken, uns in einer weiteren Ehe zu binden. Die Befürchtungen waren zu groß, dass unsere Beziehung ebenfalls eine schlechte Wendung nehmen könnte. Für uns stand aber auch fest, dass wir heiraten würden, wenn einer von uns beiden schwer erkranken würde, da dies die Betreuung und Entscheidungsfähigkeit wesentlich vereinfachen würde. Wir beide wollten gegenseitig für die Betreuung des anderen eintreten. Meine Frau hatte mir auch von Anfang an gesagt, dass sie nie mit dem Namen „S.“ sterben möchte, da sie die schlimmen Erinnerungen und alles Unangenehme, was ihre erste Ehe betraf, hinter sich lassen wollte. Sie – oder vielmehr wir – hatten nie die finanziellen Möglichkeiten zu einer Namensänderung. Außerdem wollten wir in „offizieller“ Verbundenheit auseinandergehen, wenn einer von uns beiden irgendwann sterben sollte. Ich möchte aber betonen, dass ich zum Zeitpunkt der Eheschließung zwar wusste, dass meine Frau unheilbar an Krebs erkrankt war, aber auch davon ausgegangen bin, dass uns noch ein paar Jahre bleiben, die wir mehr oder weniger genießen können. Meine Frau sprach immer davon, dass sie die nächsten zwei bis drei Jahre noch in Ruhe und Frieden zuhause mit mir zusammen verbringen wollte. Erst am Montag, bevor meine Frau verstarb, wurde ich von ihrem Hausarzt darüber aufgeklärt, dass ihr nur noch wenige Tage bleiben würden. Sie können sich sicherlich vorstellen, wie bestürzt ich darüber war. ….“

11

Die Beklagte lehnte den Antrag vom 18.08.2014 mit Bescheid vom 14.10.2014 ab. Die Ehe mit der Versicherten habe zum Zeitpunkt des Todes weniger als ein Jahr gedauert. Die vom Kläger dargelegten Gründe seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung, dass eine Ehe aus alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgründen vorliege, zu widerlegen. Der Kläger habe selbst angegeben, dass er und die Versicherte heiraten würden, wenn ein Partner schwer erkrankt sei und dass er zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits gewusst habe, dass die Versicherte unheilbar an Krebs erkrankt sei.

12

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.10.2014 Widerspruch ein. Zwar habe er im Schreiben vom 12.09.2014 angegeben, dass sie heiraten würden, wenn einer von ihnen beiden schwer erkranken würde. Dies bedeute aber nicht, dass sie erst heiraten wollten, wenn der Tod unwillkürlich bevorstehe, sondern, dass dies insgesamt für Krankheiten gegolten habe, die eine Pflege erforderlich machen. Es habe kein Grund zu der Vermutung bestanden, dass seine Ehefrau so zeitnah versterben würde. Zwar habe er zum Zeitpunkt der Eheschließung gewusst, dass seine Ehefrau unheilbar an Krebs erkrankt sei, aber er sei eben auch kein Spezialist auf diesem Gebiet. Für ihn sei der Versorgungsgedanke nicht maßgeblich für die Eheschließung gewesen. Ihm sei es wichtig gewesen, in der folgenden Zeit für seine Ehefrau mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln da zu sein. Beide hätten gewollt, den restlichen Weg – von dem er davon ausgegangen sei, dass er noch einige Jahre umfassen würde – gemeinsam und in Verbundenheit zu gehen.

13

Der Bevollmächtigte des Klägers führte unter dem 27.10.2014 zur Begründung des Widerspruches aus, dass für die Versicherte der einzige Grund für die Eheschließung gewesen sei, dass sie nicht als Frau S. sterben wollte, sondern den Namen A. tragen wollte. Der Kläger und die Versicherte seien zum Zeitpunkt der Eheschließung davon überzeugt gewesen, dass ihnen noch ein paar gemeinsame Jahre bleiben würden und sie nicht innerhalb der nächsten Monate versterbe. Auch habe die Versicherte immer davon gesprochen, dass sie davon ausgehe, die nächsten zwei bis drei Jahre noch in Frieden und Ruhe zu Hause mit ihrem Ehemann verbringen zu können. Der Kläger habe nicht gewusst, dass die Erkrankung der Versicherten so gefährlich sei, dass sie alsbald einen tödlichen Verlauf nehmen könne. Auf den Zusatz zu der von der Versicherten gefertigten Patientenverfügung vom 30.06.2014 („Meine Wertvorstellungen“) werde Bezug genommen. Aus diesem Zusatz würden sich viele gewichtige Gründe von Seiten der Versicherten für ihre Entscheidung ergeben, aber nicht ein Versorgungsgedanke zu Gunsten des Klägers.

14

Dieser Zusatz vom 30.06.2014 hat (auszugsweise) den folgenden Wortlaut: „Meine Wertvorstellungen: Schon vor 25 Jahren stand für Papa und mich fest, dass wir nie heiraten werden. Außer, wenn einer von uns todkrank würde. …Seit 25 Jahren weiß A., dass ich nie mit dem Namen S. sterben möchte. Denn ich will am Tag meines Todes alle unangenehmen Dinge, die meinen Exmann betrafen, hinter mich lassen. Auf genauere Einzelheiten will ich nicht eingehen. Aber so viel steht fest, ich hatte nie Geld für eine Namensänderung. Doch diesmal will ich meinen jetzigen Familiennamen noch vor meinem Tod ändern. In den letzten Tagen hatten wir sehr ernsthafte Gespräche, die manchmal auch Tränen auslösten. Trauer und Freude von Sekunde auf Sekunde waren die Stimmungsschwankungen nicht nur bei unseren Kindern. Haltet Euch immer vor Augen, mein Tod wird eine Erlösung für mich sein. Mit dieser Krankheit will und kann ich nicht leben. Für mich wäre es ein Graus, dahin zu siechen und keinen klaren Gedanken mehr zu haben, weil die Metastasen weiter sich im Körper ausbreiten. Drei Knochenmetastasen sind bereits im Halsbereich. Und ich will nicht wie ein Hund verrecken…Papa und ich haben beschlossen standesamtlich zu heiraten…Die Heiratsunterlagen haben wir bereits beantragt.“

15

Mit Schriftsatz vom 01.12.2014 ergänzte der Bevollmächtigte, der Kläger habe erst nach der Eheschließung Kenntnis von dem kritischen Zustand und der tödlich verlaufenden Entwicklung der Krankheit erlangt. Dies ergebe sich aus der Bestätigung des Allgemeinarztes Dr. E. vom 11.11.2014. Dr. E. habe u. a. ausgeführt, dass die Versicherte ihn wiederholt darauf hingewiesen habe, keinerlei Information über die bösartige Erkrankung – weder ihrem Lebensgefährten, noch den Kindern – preiszugeben. Am 28.07.2014 sei dann ein Hausbesuch erfolgt, dabei habe sich eine massive Verschlechterung des Allgemeinzustandes gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt sei dann im Beisein der Familie eine Aufklärung über die schwere Erkrankung und den auch bald zu erwartenden Tod der Patientin erfolgt.

16

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2015 zurück. Die Vermutung der Versorgungsehe habe auch im Widerspruchsverfahren nicht widerlegt werden können. Auf den Zusatz zur Patientenverfügung vom 30.06.2014 werde verwiesen. Dort werde ausgeführt: „schon vor 25 Jahren stand für Papa und für mich fest, dass wir nie heiraten werden. Außer wenn einer von uns todkrank würde. …Papa und ich haben beschlossen standesamtlich zu heiraten.“

17

Hiergegen hat der Kläger am 26.02.2015 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Aus dem Zusatz zu der Patientenverfügung ergebe sich nicht, dass eine Heirat erfolgen würde oder erfolgt sei, um Ansprüche im Sinne einer Versorgungsehe zu begründen. Vielmehr habe die Versicherte nicht als Frau S. sterben wollen, sondern mit dem Namen A.. Der Kläger habe auch nicht damit gerechnet, dass die Versicherte schon so bald sterben werde. Die Versicherte habe ihn nicht über ihre Situation vollständig und wahrheitsgemäß, vor allem nicht über die Gefahr ihres baldigen Ablebens informiert und habe auch dem Arzt Dr. E. quasi verboten, dem Kläger konkrete Informationen zu erteilen. Die Versicherte habe dem Kläger und den Kindern gegenüber stets geäußert, dass sie sich noch auf viele Jahre mit ihnen freue. Grund für die Hochzeit sei auch gewesen, dass die lange Dauer des Zusammenlebens nunmehr „gekrönt“ werden sollte. Für die Ehe habe auch gesprochen, dass dadurch, wenn sich die Situation der Versicherten verschlechtern würde, der Kläger als Ehemann besser die Versicherte betreuen und versorgen könne.

18

Das Sozialgericht hat die Akten der Beklagten, der Pflegekasse bei der AOK Bayern und die Verwaltungsakte der SAPV beigezogen und im Erörterungstermin vom 09.08.2016 Frau U. S., Schwiegertochter der Versicherten, als Zeugin einvernommen. Die Zeugin hat erklärt, dass die Versicherte immer, wenn es um ihre Krankheit ging, gesagt habe, sie würde noch drei bis vier Jahre leben. Zur Patientenverfügung hätte die Versicherte erklärt, dass sie jetzt alles regeln wollte, sollte sie später einmal ein Pflegefall werden. Als Dr. E. Ende Juli 2014 mitgeteilt habe, dass jeden Tag mit dem Tod zu rechnen sei, seien alle aus allen Wolken gefallen. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.08.2016 verwiesen.

19

Mit Urteil vom 08.11.2016 hat das Sozialgericht die Klage nach mündlicher Verhandlung abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Witwerrente sei aufgrund der kurzen Dauer der Ehe ausgeschlossen. Das Gesetz vermute eine Versorgungsehe. Besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, lägen nicht vor. Zwar habe der Kläger vorgetragen, nicht gewusst zu haben, dass die Versicherte so schwer erkrankt gewesen sei, dass sie so bald schon versterben würde. Hiervon habe sich die Kammer jedoch nicht überzeugen können. Denn der Kläger habe aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Versicherten damit rechnen können, dass die Lebenszeit wohl demnächst zu Ende gehen werde. Ab dem 01.07.2014 habe die palliative Versorgung begonnen. In den Akten der SAPV sei der schlechter werdende Gesundheitszustand vermerkt: Die Versicherte hatte vermehrt Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, hatte Angst und litt an Appetitmangel. Sie bekam Betäubungsmittel, Tranquilizer und Opiate und wünschte einen Dauerkatheter für die Hochzeit. Im Übrigen habe der Kläger auch selbst eingeräumt, dass er gewusst habe, was eine palliative Versorgung bedeute. Hinzuweisen sei auch auf das Schreiben des Klägers vom 12.09.2014. Der Kläger habe erklärt, für die Eheleute habe festgestanden zu heiraten, wenn einer von beiden schwer erkranken würde. Außerdem habe der Kläger dargelegt, dass er von der unheilbaren Krebserkrankung gewusst habe. Auch habe sich die Versicherte in dem Zusatz der Patientenverfügung vom 30.06.2014 dahin geäußert, dass schon vor 25 Jahren für die Eheleute festgestanden habe, nie zu heiraten, außer einer von den beiden würde todkrank werden. Die Versicherte habe auch ausgeführt, dass der Kläger seit über 25 Jahren gewusst habe, dass sie nicht mit dem Namen „S.“ versterben möchte. Der Tod stelle für sie eine Erlösung dar, denn mit der Krankheit habe sie nicht leben wollen oder können, da bereits drei Knochenmetastasen im Halsbereich festgestellt worden seien.

20

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 28.12.2016 zum Bayer. Landessozialgericht. Es sei ihm und der Versicherten nicht geglaubt worden, dass sie nur wegen des Wunsches der Versicherten geheiratet haben, eines Tages nur zu heiraten, um nicht mit ihren Ehenamen S. zu sterben. Der aufgrund des Ablebens der Versicherten entstehende Anspruch des Klägers auf Hinterbliebenenrente habe keine Rolle gespielt. Die Eheschließung habe nicht dem Zweck gedient, dem Kläger eine Altersversorgung zu verschaffen. Vielmehr habe die Versicherte seit Beginn des Zusammenlebens mit dem Kläger im Jahr 1989 stets und immer wieder erklärt, dass sie prinzipiell nicht heiraten wolle, aber den Kläger heiraten möchte, wenn sie schwer erkrankt sein würde. Entscheidend sei, dass dieser Plan bereits 25 Jahre vor dem Tod der Versicherten geäußert worden sei. Man werde nicht unterstellen können, dass die Versicherte schon vor 25 Jahren bei ihrem Wunsch an die Altersversorgung des Klägers gedacht habe. Demnach lägen besondere Umstände vor, nämlich, dass die Grundlage für den Entschluss zu heiraten bereits vor 25 Jahren nachweisbar von der Versicherten geschaffen worden sei, bei dem sie während der gemeinsamen Lebenszeit bis zu ihrem Tod nachweisbar geblieben sei. Der Kläger habe nicht gewusst, dass die Versicherte so schwer krank gewesen sei, dass sie bald sterben würde nach der Eheschließung, so dass dies für ihn kein Grund gewesen sei zu heiraten. Er habe dies nur aufgrund des vor Jahrzehnten geäußerten Wunsches der Versicherten getan, um diesen zu erfüllen.

21

Der Senat hat die Akten der Beklagten, die Akten des Standesamtes A-Stadt über die Eheschließung vom 16.07.2014, die Akten der Pflegekasse bei der AOK Bayern und einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr. E. (Eing. 20.12.2017) mit Fremdbefunden beigezogen sowie am 14.05.2018 einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Kläger hat im Termin hervorgehoben, dass als besonderer Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI die Planung der Versicherten in Betracht komme, nicht mit dem Namen des früheren Ehemannes zu versterben. Es sei auch die Absicht gewesen, durch die Heirat einen Familienverband über die Lebensgemeinschaft hinaus zu gründen.

22

Im Nachgang hat der Kläger noch vortragen, dass ihm die ärztlichen Erkenntnisse und der daraus resultierende Zustand der Versicherten nicht bekannt gewesen seien. Erst nach der Eheschließung – wie von Dr. E. bestätigt – habe er vom kritischen Zustand der Versicherten Kenntnis erhalten. Diese Nichtkenntnis sei ein schwerwiegender Grund dafür, den Rentenanspruch zuzusprechen. Zweck der Heirat sei nicht die Versorgungsabsicht gewesen, sondern dem Wunsch der Versicherten zu entsprechen, wie es ihrem Lebensziel entsprochen habe. Der Kläger habe diesen Wunsch erfüllen wollen, zumal er ihren Worten vertraut habe, dass sie noch lange Zeit mit ihm leben werde. In der Gesamtbetrachtung sei es auch ausreichend (zumindest gleichwertig), wenn für einen Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung nachweislich keine Rolle gespielt habe (Hinweis auf Urteil des BSG vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R).

23

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.11.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau zu gewähren.

24

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.11.2016 zurückzuweisen.

25

Der Kläger habe selbst vorgetragen, dass er und die Versicherte für den Fall einer schweren Erkrankung des einen oder des anderen die Hochzeit vereinbart hatten. Wenn nun aber Grund der Hochzeit eine möglicherweise tödliche Erkrankung ist, so könne der Kläger nicht weiter ernsthaft vortragen, dass er von der Schwere der Erkrankung nichts gewusst habe. Unstreitig habe der Kläger von der am 01.07.2014 beginnenden palliativen Versorgung gewusst. Auch habe er gewusst, was eine palliative Versorgung bedeute. Der Kläger habe erstinstanzlich eingeräumt, dass er von der unheilbaren Krebserkrankung gewusst habe. Im Zusatz der Patientenverfügung vom 30.06.2014 werde auch ausgeführt, dass der Kläger und die Versicherte nur für den Fall einer tödlichen Erkrankung heiraten wollten. Im Übrigen sei es der Versicherten durch die Scheidung von ihrem früheren Ehemann möglich gewesen, ihren Mädchennamen wieder anzunehmen und nicht als Frau S. zu sterben.

26

Die Beteiligten haben am 14.05.2018 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt.

27

Zur Ergänzung wird auf die beigezogenen Akten und auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

29

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zutreffend einen Anspruch des Klägers auf Witwerrente abgelehnt, so dass auch die Abweisung der Klage durch das Sozialgericht nicht zu beanstanden ist.

30

Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Anspruch des Klägers auf Witwerrente gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI idF vom 20.04.2007 erfüllt. Danach haben Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwerrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Die am 01.08.2014 verstorbene Versicherte hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt. Der Kläger hatte bei Antragstellung das 47. Lebensjahr bereits vollendet und hat nicht wieder geheiratet.

31

Allerdings ist der Anspruch auf Witwerrente ausgeschlossen. Gem. § 46 Abs. 2a SGB VI, der nach § 242a Abs. 3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

32

Die Versicherte ist vor Ablauf der Jahresfrist seit der Eheschließung verstorben. Die Ehe zwischen dem Kläger und der Versicherten hat vom 16.07.2014 bis 01.08.2014 und damit weniger als ein Jahr gedauert.

33

„Besondere Umstände“ i.S.v. § 46 Abs. 2a Hs 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt. Nach der Rechtsprechung sind als besondere Umstände i.S.v. § 46 Abs. 2a Hs 2 SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (Urteil des BSG vom 05.05.2009 – B 13 R 55/08 R – nach juris). Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Hs 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder – da der Wortlaut auf den „alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat“ abhebt – zumindest gleichwertig sind.

34

Zu beachten ist, dass in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Hs 2 SGB VI nicht erfüllt ist, falls der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit litt. Allerdings ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. (Urteil des BSG vom 06.05.2010 – B 13 R 134/08 R – nach juris). Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (Urteile des BSG vom 05.05.2009, a.a.O. und vom 06.05.2010, a.a.O.).

35

Für den Senat steht fest, dass die Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung erkrankt war. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik Prof. S. vom 23.06.2014. Die Versicherte befand sich dort zur onkologischen Anschlussrehabilitation vom 21.05.2014 bis 18.06.2014 nach einer lumbalen Tumornephrektomie links einschl. Nebenniere. Als gesicherte Diagnosen wurden ein neuroendokrines Karzinom der Niere und Nebenniere sowie ein Mamma-Karzinom mit ossären und pulmonalen Metastasen angegeben. Wenige Tage später fand eine stationäre Behandlung im Klinikum A-Stadt vom 25.06.2014 bis 26.06.2014 statt. Die Versicherte wurde wegen einer Stauungsniere bei beginnendem Nierenversagen behandelt. Ab dem 01.07.2014 erfolgte die ambulante Palliativpflege durch das SAPV Team. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus den Akten der SAPV der schlechter werdende Gesundheitszustand der Versicherten ergibt.

36

Auch hatte der Kläger Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung der Versicherten. In dem Schreiben vom 12.09.2014 und mit Widerspruch vom 17.10.2014 hat der Kläger erklärt, dass er gewusst habe, dass seine Ehefrau unheilbar an Krebs erkrankt war. Er hat die Versicherte rund um die Uhr gepflegt und betreut. Auch hat der Kläger selbst eingeräumt, dass er gewusst habe, was eine palliative Versorgung bedeutet.

37

In diesem Zusammenhang ist es sowohl für den Tatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI („nicht mindestens ein Jahr“) als auch hinsichtlich des Vorliegens der „besonderen Umstände“ unerheblich, ob der Kläger und die Versicherte bei der Eheschließung damit gerechnet haben, dass die Versicherte das erste Jahr nach der Eheschließung überleben wird. Der Kläger ist nach seinen Angaben davon ausgegangen, dass noch ein paar Jahre für eine gemeinsame Zeit verbleiben würden. Nach der Zeugin Frau S. habe die Versicherte immer gesagt, sie würde noch drei bis vier Jahre leben. Der Kläger hat angegeben, er habe keinem Grund gehabt zu vermuten, dass seine Ehefrau so zeitnah versterben würde. Nach dem Bericht des Dr. E. vom 11.11.2014 habe die Versicherte es ihrem Arzt auch untersagt, Informationen über die bösartige Erkrankung preiszugeben. Die Vermutung einer Versorgungsehe betrifft aber nicht nur zeitnahe oder zeitnah erwartete Todesfälle, sondern alle Todesfälle innerhalb der Frist von einem Jahr. Der Vortrag des Klägers ist allerdings insoweit zu berücksichtigen, als sich die abschließende Gesamtbewertung auch nach dem Grad der Lebensbedrohlichkeit und Offenkundigkeit der Erkrankung der Versicherten richtet.

38

Zur Überzeugung des Senats sind besondere Umstände nicht nachgewiesen, die gegen eine Versorgungsehe sprechen und angesichts der lebensbedrohlichen Erkrankung auch von ausreichendem Gewicht sind. Zunächst ist festzustellen, dass konkrete Handlungen für eine Eheschließung erst nach der Entlassung der Versicherten aus der stationären Behandlung am 26.06.2014 mit Erteilung der Vollmacht zur Eheanmeldung in die Wege geleitet wurden. Dem entspricht es auch, dass der Kläger mit Schreiben vom 12.09.2014 angegeben hat, dass sie die Absicht gehabt haben zu heiraten, wenn einer von ihnen beiden schwer erkranken würde. Als Grund wurde genannt, dass die Eheschließung die Betreuung wesentlich vereinfachen würde. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme eines besonderen Umstandes. Konkrete Hinweise auf zu erwartende Schwierigkeiten bei der Betreuung wurden nicht genannt. Vielmehr ergibt sich aus dem Gutachten des MDK Bayern vom 28.07.2014, dass die Pflege und Betreuung der Versicherten sichergestellt war. Die ebenfalls genannten Gründe, durch die Heirat einen Familienverband über die Lebensgemeinschaft hinaus zu gründen, in „offizieller“ Verbundenheit auseinander zu gehen, wenn einer der Ehegatten sterben sollte oder der Umstand, dass die lange Dauer des Zusammenlebens durch die Eheschließung „gekrönt“ werden sollte, stellen nach Auffassung des Senats ebenfalls keine gewichtigen Motive für die Eheschließung dar. Denn unter Berücksichtigung des 25jährigen unverheirateten Zusammenlebens und der Ausführungen der Versicherten im Zusatz zur Patientenverfügung vom 30.06.2014 ist davon auszugehen, dass sich der Kläger und die Versicherte bewusst für diese Form des Zusammenlebens entschieden haben. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, dass die genannten Motive jetzt maßgebend gewesen sein könnten, die Ehe zu schließen, zumal nach den Angaben des Klägers nicht mit einem zeitnahen Versterben der Versicherten zu rechnen war.

39

Der Kläger hat im Termin vom 14.05.2018 hervorgehoben, dass als besonderer Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a Hs 2 SGB VI die Planung der Versicherten in Betracht komme, nicht mit dem Namen des geschiedenen Ehemannes zu versterben. Dieser Beweggrund ergibt sich auch aus den vorherigen Angaben des Klägers und aus dem Zusatz der Versicherten zur Patientenverfügung vom 30.06.2014. Danach habe der Wunsch der Versicherten bestanden, durch die Eheschließung die Änderung ihres Familiennamens herbeizuführen. Die Versicherte habe dem Kläger von Anfang (der Beziehung) an gesagt, dass sie nie mit dem Namen „S.“ sterben möchte, da sie die schlimmen Erinnerungen und alles Unangenehme, was ihre erste Ehe betraf, hinter sich lassen wollte. Die Versicherte und der Kläger hätten nie die finanziellen Möglichkeiten zu einer Namensänderung gehabt.

40

Zwar sieht der Senat den Wunsch der Versicherten, mit der Eheschließung die Änderung ihres Ehenamens herbeizuführen, als einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Eheschließung an (vgl. auch Urteil des BSG vom 27.08.2009 – B 13 R 101/08 R, nach juris). Allerdings ergibt sich aus der Gesamtschau der objektiven und subjektiven Umstände, dass dieser Beweggrund weder den Versorgungszweck überwiegt, noch diesem zumindest als gleichwertig anzusehen ist. Die Versicherte hat in dem Zusatz zur Patientenverfügung vom 30.06.2014 deutlich gemacht, dass sie die Ehe eingehen wollte, da sie nicht mit dem Ehenamen „S.“ sterben wollte. Die schlimmen Erinnerungen an ihre erste Ehe wollte sie hinter sich lassen. Dies sei ihr Wunsch schon zu Beginn der Beziehung mit dem Kläger gewesen. All dem ist zu entnehmen, dass erst nach einem 25jährigen unverheirateten Zusammenleben nunmehr der Entschluss umgesetzt werden sollte, den belastenden Ehenamen zu ändern. Allerdings kann dies angesichts der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung und der palliativen Versorgung der Versicherten nicht als gewichtiger Grund angesehen werden. Denn die Versicherte war zuvor nicht gehindert, eine Namensänderung zu beantragen. Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils am 18.11.1986 hätte die Versicherte ihren Geburtsnamen wieder annehmen können (§ 1355 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch). Dass finanzielle Mittel nicht zur Verfügung standen, erschließt sich dem Senat nicht. Beim Standesamt entstehen Gebühren für die Namensänderung von weniger als 100 €, hinzukommen allenfalls Unkosten wegen der Änderung von Ausweisdokumenten.

41

Etwas Anderes folgt nicht aus dem Hinweis des Klägers, es reiche zur Widerlegung der Vermutung aus, wenn für einen der Ehegatten die Versorgungsabsicht nachweislich nicht maßgebend gewesen ist. Für ihn sei nicht die Versorgung Zweck der Eheschließung gewesen. Er sei vielmehr dem Wunsch der Versicherten nachgekommen, wie es ihrem Lebensziel entsprochen habe.

42

Der Kläger hat hierzu auf das Urteil des BSG vom 05.05.2009 Bezug genommen. Das BSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass es nicht zwingend sei, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr seien die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.). Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die vermutete Versorgungsabsicht bereits dann zwingend widerlegt ist, wenn einer der Ehegatten, insbesondere der Hinterbliebene, nicht überwiegend den Zweck verfolgt hat, der Witwe oder dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen.

43

Dies ergibt sich aus den Urteilen, auf die das BSG zur Begründung verwiesen hat (Urteile des BSG vom 03.09.1986 – 9a RV 8/84 – und vom 28.03.1973 – 5 RKnU 11/71). Diesen Streitsachen lag jeweils der Sachverhalt zu Grunde, dass in der Person des (verstorbenen) Versicherten die Voraussetzungen des Widerlegungstatbestandes der „besonderen Umstände“ erfüllt waren und zu entscheiden war, ob ein etwa entgegengesetzter auf Versorgung gerichteter Beweggrund der späteren Witwe unbeachtlich ist. Diesem Sachverhalt entspricht nicht die vorliegend zu entscheidende Situation. Zwar behauptet der Kläger, für ihn habe der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt. Allerdings waren in der Person des Klägers keine besonderen Umstände festzustellen, die die Vermutung der Versorgungsabsicht widerlegen. Im Übrigen hat das BSG in dem genannten Urteil vom 28.03.1973 auch ausgeführt, dass von einer Gesamtabwägung der beiderseitigen Motive beider Ehegatten auszugehen sei.

44

Nach all dem war die Berufung zurückzuweisen.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

46

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtsgebiete
SGAB VI, SGG
Vorschriften
SGB VI § 46 Abs. 2a; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 193
Quelle: IWW-Abrufnummer 206735

Verzicht auf ein zugewendetes Wohnrecht der Eltern gilt als Schenkung, welches auch im Falle der Verarmung des Schenkers zurückgefordert werden kann

Bundesgerichtshof: Urteil vom 17.04.2018 – X ZR 65/17
BGB § 528

a) Zur Bestimmung des Umfangs des Rückforderungsanspruchs des Schenkers wegen Verarmung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die seit der Schenkung gezogenen Nutzungen herauszugeben.

b) Hat der Schenker dem Beschenkten den Verzicht auf ein auf dem Grundstück des Beschenkten lastendes Wohnungsrecht zugewandt, ist für die Höhe des Rückforderungsanspruchs bei Verarmung des Schenkers als Wertersatz für den geschenkten Gegenstand der Betrag maßgeblich, um den sich der Verkehrswert des Grundstücks bei Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers durch den Wegfall der dinglichen Belastung erhöht hat.

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Mai 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers entschieden hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der klagende Landkreis begehrt aus übergeleitetem Recht den Ersatz des Werts einer Schenkung wegen Verarmung der Schenkerin.

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Die Eltern der Beklagten übertrugen dieser 1995 das Eigentum an einem Hausgrundstück in B. . Dabei wurde das Eigentum mit einem unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrecht zugunsten der Eltern belastet. 2003 verzichteten die Eltern auf das Wohnungsrecht und bewilligten die Löschung des Rechts im Grundbuch. Die Beklagte vermietete die Wohnung fortan gegen eine monatliche Kaltmiete von 340 € an ihre Mutter. Im Jahr 2010 verstarb ihr Vater. Nachdem sie pflegebedürftig geworden war, lebte die Mutter seit August 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Die zuvor von ihr bewohnte Wohnung stand zunächst leer; die Beklagte vermietete sie ab September 2013 gegen eine monatliche Kaltmiete von 360 €. Der Kläger leistete vom 10. August 2012 bis zum Tod der Mutter am 30. März 2015 Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 22.248,37 €.

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Der Kläger, der einen Rückforderungsanspruch der Mutter der Beklagten auf sich übergeleitet hat, hat die Beklagte in entsprechender Höhe auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat in Höhe der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsverteidigungskosten Widerklage erhoben. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte zur Zahlung von 5.700 € nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die beiderseitigen Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zur Höhe des Rückforderungsanspruchs zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt, verfolgt der Kläger den abgewiesenen Teil der Klageforderung weiter.

Entscheidungsgründe

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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – wie folgt begründet:

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Dem Kläger stehe gegen die Beklagte aus übergeleitetem Recht ein Anspruch gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 , § 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz des Werts der durch die Löschung des dinglichen Wohnungsrechts erlangten Bereicherung zu. Die unentgeltliche Aufgabe des Wohnungsrechts sei eine Schenkung gewesen; die Aufgabe der dinglichen Belastung des Grundstücks habe zu einem Vermögenszuwachs bei der Beklagten geführt. Da die Mutter der Beklagten seit dem 10. August 2012 nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Unterhalt zu bestreiten, habe sie die Schenkung zurückfordern können, soweit sie deren Wert für ihren regelmäßigen Unterhalt bedurfte. Der auf den Kläger übergeleitete Anspruch richte sich mithin auf wiederkehrende Leistungen der Beklagten, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft sei.

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Der Höhe nach gehe der Wertersatzanspruch aber nicht über die von der Beklagten in den Monaten von September 2013 bis zum Tod ihrer Mutter erwirtschafteten Mietüberschüsse in Höhe von insgesamt 5.700 € hinaus. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Werts des zurückzugebenden Geschenks sei der Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs, mithin der Zeitpunkt der Bedürftigkeit der Schenkerin. Der Anspruch sei nicht nach dem durch den Wegfall des Wohnungsrechts erhöhten Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen. Der Wert der Löschung eines Wohnungsrechts dürfe nicht losgelöst von der tatsächlichen Verwertung und Nutzung des Grundstücks durch den Eigentümer bemessen werden. Das Wohnungsrecht sei ebenso wenig wie seine Löschung ein verkehrsfähiges Gut. Maßgeblich müsse daher sein, welchen Betrag der Schenker nach objektiven Kriterien als angemessene Vergütung für die Aufgabe des Wohnungsrechts hätte verlangen können. Ein Wohnungsrecht mindere den Grundstückswert von vornherein nicht endgültig; mit dem Tode des Schenkers falle dem Beschenkten ohnehin eine entsprechende Erhöhung des Verkehrswerts zu. Der Beschenkte erhalte durch die Aufgabe des Wohnungsrechts lediglich die Möglichkeit, einen erhöhten Verkehrswert zu realisieren. Nehme er diese Möglichkeit nicht wahr, zumindest nicht vor dem Tod der zuvor Wohnungsrechtberechtigten, sei es nicht gerechtfertigt, ihn gleichwohl so zu stellen, als hätte er diesen Wert realisiert. § 528 Abs. 1 BGB erlaube nur die Abschöpfung einer Bereicherung, soweit der Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung erfahren habe. Deshalb dürften die Herausgabepflicht des Bereicherten und eine daraus folgende Zahlungsverpflichtung nicht zu einer Verminderung von dessen Vermögen über den wirklichen Betrag der Bereicherung hinaus führen. Bereichert sei der Grundstückseigentümer lediglich, soweit er tatsächlich Nutzungen ziehe. Dieser Wert sei im Streitfall in Höhe der eingenommenen Mietzinszahlungen abzüglich einer für Reparaturen und die vorherige Renovierung zu veranschlagenden Kostendeckung zu bemessen, wobei die Kostendeckung als ein Anteil an der monatlichen Mietzinshöhe geschätzt werden könne. Der sich daraus ergebende Mietüberschuss sei im Streitfall bei einem Mietzins von monatlich 360 € gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf monatlich 300 € zu schätzen. Die Beklagte sei deshalb für den Zeitraum von 19 Monaten der Vermietung in Höhe von insgesamt 5.700 € bereichert.

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II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

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1. Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ( BGH, Urteil vom 29. März 1985 – V ZR 107/84 , BGHZ 94, 141, 143 f. [zu 3]; Urteil vom 20. Mai 2003 – X ZR 246/02 , BGHZ 155, 57, 59 [zu 2]) gesehen, dass der – auf den Kläger übergegangene – Anspruch der Schenkerin von Anfang an auf monatliche Zahlungen in Höhe des ungedeckten Unterhaltsbedarfs gerichtet war, weil die Schenkerin nur in dieser Höhe jeweils einen Rückforderungsanspruch erwarb und das Geschenk nicht in natura teilbar war, mithin von der Beklagten bis zur Erschöpfung des Werts des Geschenks Ersatz in entsprechender Höhe zu leisten war.

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2. Zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass für die Ermittlung des Werts des Geschenks der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der Rückforderungsanspruch des Schenkers entsteht. Denn der Umfang des zu ersetzenden Werts des Geschenks kann nicht über den Wert hinausgehen, den das Geschenk selbst zu dem Zeitpunkt hat, zu dem eine Rückgabe des Geschenks im Falle seiner Teilbarkeit geschuldet wäre.

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3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt dies jedoch nicht seine Annahme, der Kläger könne von der Beklagten nur eine Zahlung in Höhe der von September 2013 bis März 2015 erwirtschafteten Mietüberschüsse verlangen. Der von der Beklagten zu ersetzende Wert der Schenkung ist vielmehr nach dem Wertzuwachs des Grundstücks zu bemessen, der im August 2012 noch aus dem im Jahr 2003 eingetretenen Wegfall der dinglichen Belastung mit dem Wohnungsrecht fortbestand. Zudem hat die Beklagte auch die Nutzungen herauszugeben, die sie bereits seit der Schenkung aus dem Geschenk gezogen hat.

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a) Der Rückforderungsanspruch des § 528 BGB bezweckt, den Schenker vor einer wirtschaftlichen Notlage zu bewahren, solange der Beschenkte durch das Geschenk weiterhin bereichert ist. Ihm liegt wie der Einrede aus § 519 BGB das Ziel zugrunde, eine solche Notlage nicht entstehen oder fortbestehen zu lassen, während der Beschenkte durch das Geschenk ohne Gegenleistung weiterhin bereichert wäre (vgl. MünchKomm.BGB/Koch, 7. Aufl., § 528 Rn. 1). Der Freigiebigkeit des Schenkers soll – im beiderseitigen Interesse – eine für ihn auskömmliche Vermögenslage zugrunde liegen (vgl. Staudinger/Chiusi, BGB, Neubearb. 2013, § 528 Rn. 1). Fällt diese Vermögenslage innerhalb von zehn Jahren weg ( § 529 Abs. 1 Alt. 3 BGB ), während die Bereicherung beim Beschenkten noch vorhanden ist, bedarf es deshalb der Herausgabe der Bereicherung, um die wirtschaftliche Notlage des Schenkers auszugleichen.

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Mit dem Rückforderungsanspruch gilt es, die Vermögenslage des Beschenkten so aus einer Notlage zu führen, als hätte es das Geschenk nicht gegeben. Zur Bestimmung des Umfangs des Herausgabeanspruchs gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 ist deshalb eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten nicht nur mit dem Wert dieses Gegenstandes, sondern auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

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b) Soweit – wie im Streitfall – die Herausgabe des geschenkten Gegenstandes selbst nicht möglich und stattdessen deshalb gemäß § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen ist, kommt es für die Bestimmung der Anspruchshöhe auf den objektiven Wert dieses Gegenstandes an. Den besten Anhaltspunkt für diesen Wert bildet im Zweifel der Verkehrswert, da er den Geldwert widerspiegelt, für den der Gegenstand für denjenigen erhältlich ist, der ihn erwerben möchte, und den derjenige erzielen kann, der ihn veräußern möchte. Bei Verzicht auf ein Wohnungsrecht ist deshalb die hierdurch eintretende Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks auszugleichen ( BGH, Urteil vom 26. Oktober 1999 – X ZR 69/97 , NJW 2000, 728, 730 [zu II 2 b, insoweit in BGHZ 143, 51 nicht abgedruckt]). Dieser Wert findet in der für einen solchen Verzicht am Markt üblichen Gegenleistung seinen Ausdruck (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 – III ZR 231/12 , BGHZ 196, 285 Rn. 28 ).

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aa) Das der Beklagten von ihrer Mutter gemachte Geschenk bestand, wie das Berufungsgericht an sich zutreffend gesehen hat, in dem Verzicht auf das Wohnungsrecht und die damit verbundene dingliche Belastung des Grundstücks. Die Beklagte erhielt mit anderen Worten ein (insoweit) lastenfreies Grundstück anstelle des bis dahin mit dem Wohnungsrecht belasteten. Hierdurch hat sich, wie wohl auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel zieht, der Grundstückswert erhöht. Der vom Berufungsgericht nicht festgestellte, im August 2012 jedoch noch vorhandene Betrag dieser Erhöhung bildet den Wert des Geschenks und damit die Obergrenze des Rückforderungsanspruchs nach § 528 BGB .

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bb) Dem kann nicht die Erwägung des Berufungsgerichts entgegengehalten werden, der „volle Grundstückswert“ wäre der Beklagten mit dem Tod ihrer Mutter ohnehin zugeflossen. Dies verkennt, dass der Wert eines bebauten Grundstücks aus dem Bodenwert und dem Wert des aufstehenden Gebäudes besteht und dessen Wert sich wiederum aus dem Wert seiner Nutzbarkeit über die Zeit ergibt. Ebenso wenig wie der Wert eines einjährigen Wohnungsrechts demjenigen eines zehnjährigen entspricht, entspricht daher der Wert eines auf Lebenszeit mit einem solchen Recht belasteten Grundstücks dem Wert des unbelasteten. Daher lässt sich, wie die Revision insoweit zu Recht geltend macht, anstelle des durch den Verzicht erhöhten Grundstückswerts grundsätzlich auch der Wert betrachten, den dieser Verzicht (objektiv) für den Grundstückseigentümer hat und der demgemäß der Erhöhung des Grundstückswerts entsprechen muss.

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cc) Ebenso wenig kann es darauf ankommen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang der Grundstückseigentümer die ihm zugeflossene Werterhöhung „realisiert“ hat. Das Berufungsgericht übersieht bei seinen diesbezüglichen Erwägungen, dass die Bewertung eines Gegenstandes nicht davon abhängt, ob und in welcher Weise der Eigentümer tatsächlich über ihn eine Verfügung trifft. Es kommt nicht darauf an, ob er das Eigentum veräußert, in anderer Weise wirtschaftlich verwertet oder keinen Nutzen daraus zieht. Der objektive Wert eines Hausgrundstücks, wie es im Streitfall in Rede steht, ist – abgesehen von sich aus der Nutzung gegebenenfalls ergebenden Wertveränderungen – grundsätzlich davon unabhängig, ob der Eigentümer es selbst nutzt, vermietet oder leerstehen lässt.

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Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des III. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Soweit diese Entscheidungen darauf abstellen, dass in den darin zugrunde liegenden Streitfällen nach Bereicherungsrecht lediglich tatsächlich gezogene Nutzungen, nicht aber eine erlangte Nutzungsmöglichkeit auszugleichen seien ( BGH, Urteile vom 8. Oktober 1991 – XI ZR 259/90 , BGHZ 115, 268, 270 f. [zu II 2], vom 7. März 2013 – III ZR 231/12 , BGHZ 196, 285 Rn. 27 ), beziehen sich diese Ausführungen auf den Umfang eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB als des primären Herausgabeanspruchs. Sie stellen nicht in Frage, dass der Umfang eines Sekundäranspruchs auf Wertersatz objektiv nach dem Verkehrswert des primär herauszugebenden Gegenstandes zu bemessen ist (so vielmehr ausdrücklich BGHZ 196, 285 Rn. 28 ).

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c) Darüber hinaus schuldet die Beklagte die Herausgabe der Bereicherung, die sich aus der mit der Schenkung eingetretenen, wirtschaftlichen Möglichkeit zur Nutzung des geschenkten Gegenstandes ergeben hat.

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aa) Der Umfang und der Wert dieser Bereicherung sind zwar ebenfalls auf den Zeitpunkt der Entstehung des Herausgabeanspruchs gemäß § 528 Abs. 1 BGB zu bemessen. Insbesondere ein Wegfall der Bereicherung ist für den Zeitraum bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 818 Abs. 3 BGB uneingeschränkt zu berücksichtigen.

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bb) Für diese Bereicherung sind indessen auch die Vermögensmehrungen zu berücksichtigen, die sich aus Nutzungen vor diesem Zeitpunkt, mithin vom Vollzug der Schenkung an, ergeben haben. Ebenso wie der Schenkungsgegenstand vor dem Entstehen des Anspruchs gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Beschenkten zugewendet wurde und damit dessen Vermögen gemehrt hat, sind auch die Nutzungen herauszugeben, die sich mit der Schenkung für den Beschenkten ergaben und sein Vermögen bereichert haben. Auch hinsichtlich dieser Nutzungen, die sich im Streitfall aus der von der Beklagten durch die Vermietung der vormals dem Wohnungsrecht unterliegenden Wohnung an ihre Mutter ergeben haben, ist gemäß § 818 Abs. 3 BGB bis zu dem nach § 818 Abs. 4 , § 819 BGB maßgeblichen Zeitpunkt zu ermitteln, inwieweit die Bereicherung noch besteht oder weggefallen ist.

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III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt ist, und die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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1. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Entgegen der Auffassung der Revision kann aus dem jährlichen, von der Mutter der Beklagten gezahlten Mietzins von 4.080 € und dem Umstand, dass die im August 2012 77-jährige Mutter zu diesem Zeitpunkt noch eine statistische Lebenserwartung von 11,5 Jahren hatte, nicht ein die Klageforderung deutlich übersteigender Wert der Schenkung von mindestens 46.920 € abgeleitet werden.

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Allerdings ist die statistische Lebenserwartung des Berechtigten insofern ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Bemessung des Werts des nicht (mehr) mit dem Wohnungsrecht belasteten Grundstücks, als sie den Zeitraum angibt, für den ohne den Wegfall der Belastung ein vollständiger oder teilweiser Wegfall der Nutzungsmöglichkeiten des Eigentümers zu erwarten war. Die für die dem Wohnungsrecht unterliegende Wohnung in der Vergangenheit erzielte Jahreskaltmiete kann auch – nicht anders als sonst bei der Immobilienbewertung – bei der Ermittlung des Ertragswerts dieser Wohnung herangezogen werden und insofern Auskunft über einen für den Verkehrswert des Gesamtgrundstücks erheblichen Umstand geben. Zur Ermittlung des Werts der Zuwendung müssen jedoch die auf das Wohnungsrecht und seine zu erwartende Dauer bezogenen Daten in Relation zu den für die Bewertung des Grundstücks insgesamt maßgeblichen Zahlen gesetzt werden.

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2. Die hierzu erforderlichen Feststellungen zum Grundstückswert sind bislang nicht getroffen. Weiterhin ist bisher nicht erörtert worden, inwieweit eine Bereicherung aufgrund der von 2003 bis August 2012 gezogenen Nutzungen zum Zeitpunkt der Haftung gemäß § 818 Abs. 4 , § 819 BGB im Vermögen der Beklagten noch vorhanden oder bis dahin weggefallen war. Die erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – nachzuholen haben.

Vorschriften
§ 528 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB, § 528 Abs. 1 BGB, § 287 Abs. 2 ZPO, § 528 BGB, § 519 BGB, § 529 Abs. 1 Alt. 3 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 818 Abs. 3 BGB, § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 818 Abs. 4, § 819 BGB

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