Kategorien-Archiv Seniorenrecht

Ster­be­geld­ver­sich­er­ung

München. Sterbegeldversicherung – Was ist das eigentlich und wem steht diese im Todesfall zu?

Als ich es mir gestern Abend auf meiner Couch gemütlich machte und den Fernseher einschaltete, war ich sehr verblüfft, als ich in der Werbeunterbrechung den Werbespot einer großen Versicherungsgesellschaft sah, die von einem Thema handelte, welches grundsätzlich wohl nicht alltäglich ist. Man sieht einen Kinosaal mit verschiedenen Personen und hört eine männliche Stimme, die mitteilt, dass er es liebt, wenn es ein Happy End gibt. Dies würde auch das eigene Sterben betreffen. Um ehrlich zu sein, war ich hier etwas verwirrt, auf was diese Werbung hinauswollte. Und nun kamen wir zum Kern der Sache. Es handelte sich hierbei um eine Werbung für eine Sterbegeldversicherung. In diesem Werbespot ging es darum, dass man zu Lebzeiten und im Todesfall gut abgesichert sein sollte und eine würde volle Bestattung nach den persönlichen Wünschen stattfinden kann, ganz so, wie man es sich vorgestellt hat. Es würde insbesondere eine Unterstützung der Hinterbliebenen finanziell als auch mit Hilfeleistungen stattfinden, was wiederum zu einer Beruhigung des Erblassers führen würde.

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Muss ich bei einer Erkrankung an einer Demenz meine Versicherung benachrichtigen?


Demenzerkrankungen treten immer häufiger auf. Die starke Zunahme ist bedingt durch eine steigende Lebenserwartung sowie durch die Zunahme der Zahl an älteren Menschen. Gemäß der Statistik steigt die Zahl der Demenzkranken jährlich um 40.000 Menschen.

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Kann ich, auch wenn ich dement bin, ein Testament erstellen oder widerrufen?

München, 14.10.2019

Die Erstellung eines Testamentes oder einer anderen letztwilligen Verfügung ist oftmals eine Angelegenheit, die man nicht gerne in Angriff nimmt. Schließlich muss man sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen. Was passiert aber, wenn man mit der Erstellung eines Testamentes oder einer anderen letztwilligen Verfügung zu lange gewartet hat und nun geistig eingeschränkt ist, beispielsweise durch eine Demenz? Kann man dann noch ein wirksames Testament erstellen?

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Muss ich Vorsorgemaßnahmen treffen für den Fall eines Unfalls, einer Krankheit oder Alters und wenn ja, in welcher Form?

Vorsorge zu treffen für Zeiten, in denen man aufgrund eines Unfalls, einer schweren Erkrankung oder auch durch Nachlassen der geistigen Kräfte im Alter seine Angelegenheiten nicht mehr selbst wie gewohnt regeln kann, fällt vielen Menschen schwer. Wer trifft im Ernstfall für uns selbst Entscheidungen, wenn man selbst vorübergehend oder auf Dauer nicht mehr hierzu in der Lage ist? Man möchte in einem solchen Fall ja, dass die eigenen Wünsche und Vorstellungen Beachtung finden. Dies geht aber nur, wenn man diese Wünsche und Vorstellungen auch schriftlich formuliert hat. Ansonsten sind einem Bevollmächtigten die Hände gebunden.

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Erben haben Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs bei Tod des Arbeitnehmers.

Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, haben dessen Erben Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 7 Abs. 4 BUrlG). Das hat das BAG entschieden und damit konsequent die Linie des EuGH umgesetzt.

Der EuGH hatte 2018 klargestellt: Stirbt ein Arbeitnehmer im noch laufenden Arbeitsverhältnis und steht ihm ein noch unerfüllter Urlaubsanspruch zu, wandelt sich dieser Anspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Dieser Anspruch geht dann im Wege der Erbfolge auf die Erben über (EuGH 6.11.18, Rs. C-569/16 und C-570/16, Abruf-Nr. 205303).

Im Urteilsfall ist der nicht gewährte Urlaub mit 5.857,75 Euro brutto abzugelten. Der Abgeltungsanspruch der Erben umfasst den Anspruch auf

bezahlten Mindesturlaub von 24 Werktagen,

Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sowie

Urlaub nach § 26 Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD), der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt. Dem TVöD lässt sich nicht entnehmen, dass dem Erben das Verfallrisiko für den tariflichen Mehrurlaub bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers zugewiesen ist.
QUELLE: IWW AUSGABE 03 / 2019 | SEITE 38 | ID 45742169

Es sind strenge Anforderungen an die Tatsachenfeststellung bei der Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zu stellen.

Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten voraus. Die Gefahr für Leib oder Leben erfordert kein zielgerichtetes Verhalten, aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342).

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 30. April 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Betreuungsbehörde) wendet sich gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen.

2

Für die Betroffene, die unter einer paranoiden Schizophrenie leidet, ist eine rechtliche Betreuung u.a. mit dem Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten eingerichtet. Am 3. Dezember 2017 wurde ihr Mietverhältnis fristlos gekündigt, weil sie andere Mieter des Wohnhauses durch nächtliches Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür belästigt hatte, in deren Wohnungen eingedrungen war und Mitbewohner mehrfach beleidigt hatte.

3

Am 7. Dezember 2017 hat der Betreuer der Betroffenen beantragt, die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung betreuungsgerichtlich zu genehmigen. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens und Anhörung der Betroffenen deren Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung einer Pflegeeinrichtung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet vom Tag der Aufnahme in der Einrichtung an, genehmigt. Das Landgericht hat die – unzutreffend als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete -Beschwerde der Betreuungsbehörde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses begehrt.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

5

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung auf Eigengefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt und sie wie folgt begründet:

6

Die Betroffene leide unter einer psychischen Krankheit in Form einer paranoiden Schizophrenie und sei aufgrund dieser Erkrankung nicht in der Lage, einen freien Willen zu bilden und danach zu handeln. Es bestehe auch eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Betroffenen. Diese setze kein zielgerichtetes Verhalten der Betroffenen voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen könne, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden sei.

7

Dafür seien hier objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte gegeben, weil der Betroffenen Obdachlosigkeit drohe und diese eine konkrete Gefahr der Unterversorgung und Verwahrlosung der Betroffenen bedeute. Aufgrund der paranoiden Wahnvorstellungen mit Beeinträchtigungs- und Beziehungswahnerleben werde die Betroffene einer geordneten Tagesstruktur nicht nachkommen und deswegen in eine völlige Verwahrlosung hineingleiten. Der Grad der Gefahr sei groß und in Relation zum möglichen Schaden ohne freiheitsentziehende Maßnahme so hoch, dass die Unterbringung für den genehmigten Zeitraum verhältnismäßig sei.

8

Die Gefahr der Obdachlosigkeit sei auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt gegeben. Die Berechtigung der fristlosen Kündigung stehe außer Frage. Die Betroffene habe daher die Wohnung zu räumen und an den Vermieter herauszugeben. Ein Abwarten der zwangsweisen Räumung nach Erlass eines Räumungsurteils und die darauffolgende Einweisung in ein Obdachlosenheim sei kein geeignetes Mittel, um die drohende Gefahr von der Betroffenen abzuwenden. Außerdem sei dies mit der Würde der Betroffenen nicht vereinbar, insbesondere weil die Gründe für die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses in der psychischen Erkrankung der Betroffenen ihren Ursprung hätten.

9

Geeignete mildere Mittel als die Unterbringung für einen Zeitraum von sechs Monaten seien nicht ersichtlich, weil eine Vermittlung der Betroffenen auf dem freien Wohnungsmarkt nicht möglich sei und sie eine offene Heimunterbringung oder Unterstützungsmaßnahmen Dritter – wie in der Vergangenheit – nicht akzeptiere.

10

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die materiellen Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sind nicht ausreichend festgestellt.

11

a) Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

12

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zwar keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten. Dies setzt kein zielgerichtetes Verhalten des Betreuten voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist (Senatsbeschluss vom 13. Januar 2010 – XII ZB 248/09 -FamRZ 2010, 365Rn. 14). Erforderlich sind aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens. Der Grad der Gefahr ist dabei in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342Rn. 10 mwN).

13

Die Prognose einer nicht anders abwendbaren Suizidgefahr oder einer Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist Sache des Tatrichters. Sie baut im Wesentlichen auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren Beteiligten sowie auf dem nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachten auf (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342Rn. 11 mwN).

14

bb) Die Genehmigung der Unterbringung muss zudem erforderlich sein. Wenn die Gefahr durch andere Mittel als die freiheitsentziehende Unterbringung abgewendet werden kann, kommt eine Unterbringung als unverhältnismäßig nicht in Betracht (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 -FamRZ 2017, 1342Rn. 12 mwN).

15

b) Nach den bislang getroffenen Feststellungen des Landgerichts ist eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen nach diesen Maßstäben nicht zu rechtfertigen.

16

aa) Zwar leidet die Betroffene, wie das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten festgestellt hat, an einer behandlungsbedürftigen paranoiden Schizophrenie und damit an einer psychischen Krankheit iSv § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB .

17

bb) Das Landgericht hat aber keine konkreten Umstände für die Annahme aufgezeigt, die Betroffene werde sich erheblichen gesundheitlichen Schaden iSv § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zufügen, wenn die Unterbringung unterbleibt. Es führt hierzu lediglich aus, dass die bevorstehende Obdachlosigkeit für die Betroffene eine konkrete und ernstliche Gefahr der Unterversorgung und der Verwahrlosung bedeute und die Betroffene krankheitsbedingt einer geordneten Tagesstruktur nicht nachkommen und deshalb in eine völlige Verwahrlosung hineingleiten würde.

18

Dass die Betroffene nach dem Verlust ihrer Wohnung tatsächlich obdachlos würde, hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Auch wenn die Betroffene sich bislang nicht selbst um eine neue Wohnung bemüht hat, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie mit Hilfe ihres Betreuers, dem auch der Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten übertragen ist, neuen Wohnraum finden kann. Soweit in der angegriffenen Entscheidung in diesem Zusammenhang ausgeführt wird, eine Vermittlung der Betroffenen auf dem freien Wohnungsmarkt sei nicht möglich, beruht dies nicht auf entsprechenden Feststellungen. Insbesondere kann der angegriffenen Entscheidung nicht entnommen werden, ob der Betreuer bereits erfolglos versucht hat, der Betroffenen eine neue Wohnung zu verschaffen. Zudem hat sich das Landgericht auch nicht ausreichend mit der Frage befasst, ob einer Obdachlosigkeit der Betroffenen durch andere, gegebenenfalls durch den Betreuer zu organisierende Hilfen begegnet werden könnte. Die Annahme des Landgerichts, die Betroffene werde eine offene Heimunterbringung oder Unterstützungsmaßnahmen Dritter nicht akzeptieren, wird ebenfalls nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Zwar mag die Betroffene in der Vergangenheit derartige Hilfsangebote abgelehnt haben. Dies allein rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass die inzwischen 70-jährige Betroffene auch in ihrer jetzigen Situation diese ablehnende Haltung aufrechterhalten werde. Denn aufgrund der Kündigung ihres Mietverhältnisses und dem damit verbundenen Verlust ihrer Wohnung hat sich die aktuelle Lebenssituation der Betroffenen grundlegend verändert. Daher kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Betroffene nunmehr bereit ist, Hilfen anzunehmen. Erfolglose Bemühungen des Betreuers, der Betroffenen andere Hilfen anzubieten, hat das Landgericht jedenfalls nicht festgestellt.

19

Ebenso wenig hat das Landgericht ausreichende Feststellungen für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens getroffen, falls eine Unterbringung der Betroffenen unterbleibt. Die angeführte Gefahr einer Verwahrlosung ist als solche nicht ausreichend, eine Selbstgefährdung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu begründen, weil damit nicht aufgezeigt ist, inwieweit mit ihr die konkrete Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens für die Betroffene verbunden sein soll (vgl. Senatsbeschluss vom 14. März 2018 – XII ZB 629/17 -FamRZ 2018, 950Rn. 30). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffenen ohne die Unterbringung ein erheblicher gesundheitlicher Schaden droht, ergeben sich auch nicht aus dem vom Landgericht in Bezug genommenen Sachverständigengutachten. Auch darin wird insoweit lediglich ausgeführt, dass sich die Betroffene bislang nicht um eine Wohnung bemüht habe, sie krankheitsbedingt hierzu auch nicht in der Lage sei und ihr deshalb eine dauerhafte Obdachlosigkeit drohe, die mit der Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens verbunden sei. Welche konkreten gesundheitlichen Gefahren für die Betroffene ohne die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung bestehen sollen und wie wahrscheinlich diese sind, wird in dem Sachverständigengutachten nicht dargelegt. Auch die angegriffene Entscheidung verhält sich hierzu nicht. Dazu hätte aber bereits deshalb Anlass bestanden, weil die Betroffene bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung trotz ihrer psychischen Erkrankung offensichtlich in der Lage war, sich selbst angemessen zu versorgen und ihren eigenen Hausstand zu führen. In der angegriffenen Entscheidung werden damit letztlich nur abstrakte Gefahren beschrieben, die sich aus dem Verlust der Wohnung für die Betroffene ergeben können.

20

3. Die angegriffene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, weil die Sache mangels hinreichender Tatsachenfeststellung noch nicht entscheidungsreif ist (vgl. § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG). Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

21

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).

Dose
Klinkhammer
Günter
Botur
Krüger

Vorschriften
§ 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 321 FamFG, § 74 Abs. 7 FamFG

Bei Zahlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung darf der Versicherer ohne nachvollziehbare Begründung Zahlungen nicht einstellen.

Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

8 U 139/18
5 O 362/16 Landgericht Lüneburg

Verkündet am19. November 2018

In dem Rechtsstreit

pp.

vom 29. Oktober 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. Mai 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 51.734,02 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2017.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Januar 2017 bis längstens Januar 2044 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.890,77 € monatlich im Voraus zu zahlen und dem Kläger für den Zeitraum ihrer Leistungspflicht Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 99,00 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 140.000,00 € festgesetzt.

G r ü n d e:

I.

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Januar 2006 eine Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugrunde (BUZ). Hinsichtlich des Inhalts der BUZ wird auf Bl. 28 – 32 d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsscheins vom 15. Dezember 2005 wird auf Bl. 13 – 17 d. A. Bezug genommen.

Am 23. Februar 2013 erlitt der Kläger anlässlich seiner Tätigkeit als selbstständiger Forstwirt einen Unfall. Dabei kam es zu Frakturen im Bereich der Wirbelsäule und des Unterschenkels. Mit Schreiben vom 19. November 2013 bestätigte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen rückwirkend ab dem 1. März 2014 (Bl. 39 d. A.).

Mit Schreiben vom 23. September 2014 (Bl. 42 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die beim Kläger vorhandenen unfallbedingten Einschränkungen laut Auskunft der behandelnden Klinikärzte „in allen Teiltätigkeiten auf unter 50 % gesunken“ seien. Deshalb stelle sie ihre Zahlungen zum 1. November 2014 ein.

Der Kläger hat gemeint, dass die Beklagte bereits mangels ordnungsgemäßer Einstellungsmitteilung zur fortlaufenden Leistung verpflichtet sei (Bl. 6 – 7 d. A.). Unabhängig hiervon bestehe die aufgrund des Unfalls eingetretene Berufsunfähigkeit des Klägers uneingeschränkt fort.

Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 49.160,02 € nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere 2.574,00 € nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Januar 2017 bis zum Ablauf der Versicherung am 1. Januar 2044 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.890,77 € monatlich zu zahlen und dem Kläger von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge von jeweils 99,00 € zu gewähren,
4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger als Nebenforderung 2.611,93 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Einstellungsmitteilung sei wirksam. Darüber hinaus habe sich der Gesundheitszustand des Klägers so weit verbessert, dass er jedenfalls teilweise seiner Tätigkeit als Forstwirt nachgehen könne und dieser Tätigkeit seit dem 3. Juni 2014 auch tatsächlich wieder nachgehe (Bl. 65 d. A.).

Mit Urteil vom 4. Mai 2018 (Bl. 184 – 186 R d. A.) hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung lägen nicht vor. Weder die vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten noch ihr Vortrag im Rechtsstreit würden den Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung genügen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 23. September 2014 sei formal wirksam, jedenfalls aber mit der Klageerwiderung nachgeholt worden. Die Beklagte habe dort detailliert geschildert, inwieweit sich die gesundheitlichen Beschwerden des Klägers gebessert hätten. Warum dies nicht ausreiche, sei nicht nachvollziehbar. Außerdem könne der Kläger nach durchgeführter Umorganisation die nunmehr von ihm ausgeübte Tätigkeit zu mehr als 50 % ausüben. Dass dies nicht auskömmlich sei, werde bestritten.

Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als das Landgericht versäumt hat, den auf die Zukunft gerichteten Anspruch bis „längstens“ Januar 2044 zuzuerkennen. Weiter besteht kein Anspruch auf Zahlung ab dem 1. Januar 2017, sondern erst ab dem Folgetag. Schließlich steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch über den 1. November 2014 hinaus ein Anspruch auf Rentenzahlung und Beitragsbefreiung gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit § 1 (1) BUZ zu.

1. Der Versicherungsfall im Sinne von § 2 (1) BUZ ist jedenfalls zunächst eingetreten. Dabei kann dahingestellt bleiben, wie die vom Kläger zuletzt an gesunden Tagen ausgeübte berufliche Tätigkeit tatsächlich ausgestaltet war und ob der Kläger dieser Tätigkeit aufgrund seines Unfalls (zunächst) nicht mehr zu wenigstens 50 % nachgehen konnte. Denn die Beklagte erkannte den Leistungsanspruch des Klägers mit Schreiben vom 19. November 2013 ausdrücklich an. Mit einem zeitlich unbefristeten und der Sache nach uneingeschränkten Anerkenntnis verliert der Versicherer aber die Möglichkeit, sich später auf das Fehlen der beruflichen oder gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsfalls zu berufen oder eine zum Zeitpunkt der Abgabe bereits vorhandene Verweisungsmöglichkeit nachzuschieben (vgl. BGH VersR 2011, 655; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Auflage, § 173, Rn. 1; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 173, Rn. 4).

2. Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht nachträglich wieder gemäß § 7 Abs. 4 BUZ erloschen.

In den Versicherungsbedingungen ist der Inhalt der Einstellungsmitteilung zwar nicht näher ausgestaltet. Aus Sinn und Zweck der Klausel ergibt sich jedoch, dass in der Mitteilung eine nachvollziehbare Begründung für die Leistungseinstellung gegeben werden muss (vgl. BGH VersR 1996, 958; BGH NJW-RR 1993, 721). Dazu zählt, dass der Versicherungsnehmer durch die Mitteilung seine Prozessrisiken abschätzen kann. Die hieran geknüpften Anforderungen sind abhängig vom Grund der Leistungseinstellung. Bei der Leistungseinstellung aufgrund eines verbesserten Gesundheitszustandes muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer etwaig eingeholte Gutachten oder ärztliche Bescheinigungen zugänglich machen, auf die der Versicherer seine Entscheidung stützt. Darüber hinaus muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufzeigen, wie er zu seiner getroffenen Entscheidung gelangt ist. Deshalb muss der Versicherer seine Vergleichsbetrachtung und die aus ihr gezogenen Folgerungen aufzeigen. Hierzu gehört der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie ihn der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung (vgl. BGH VersR 1996, 958; BGH NJW-RR 1993, 721; OLG München NJW-RR 2010, 1619; KG Berlin RuS 2006, 515). Bei einer Verweisung auf einen anderen Beruf muss der Versicherer darlegen, weshalb er meint, den Versicherungsnehmer auf diesen anderen Beruf verweisen zu können (vgl. Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., J, Rn. Rn. 39).

Zwar dürfen die Anforderungen an eine Leistungseinstellung auch nicht überspannt werden. Insbesondere ist ein gesonderter Bescheid nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr der Vortrag im Rechtsstreit selbst, dass und ab welchem Zeitpunkt der Versicherungsnehmer wieder berufsfähig ist, aus welchen veränderten Umständen sich dies ergibt und dass damit der Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen wieder entfallen ist (vgl. BGH VersR 2000, 171; OLG Karlsruhe RuS 2015, 81).

Zutreffend ist das Landgericht aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte weder vorgerichtlich noch im Rechtsstreit zu den Gründen der Leistungseinstellung ausreichend vorgetragen hat:

In ihrer Einstellungsmitteilung vom 23. September 2014 (Anlage K5a, Bl. 42 d. A.) nahm die Beklagte keine Gegenüberstellung des aktuell beim Kläger bestehenden Gesundheitszustand mit dem Zustand vor, der Grundlage ihres Anerkenntnisses war. Die Beklagte beschränkte sich vielmehr unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Schreiben des B. K. H. vom 5. September 2014 (Bl. 43 d. A.) auf die Behauptung, dass die Einschränkungen des Klägers hinsichtlich aller Teiltätigkeiten auf unter 50 % gesunken seien. Hierbei handelt es sich aber nur um eine von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung auf der Grundlage einer dem Kläger nicht mitgeteilten Ermittlung seines aktuellen Gesundheitszustandes im Vergleich mit einem – dem Kläger gleichfalls nicht mitgeteilten – Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses.

Dass allein die Bezugnahme auf eine etwaig verbesserte Leistungsfähigkeit hinsichtlich einzelner Teilbereiche der ursprünglich ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht ausreicht, hat der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 28. April 1999 (Az. IV ZR 123/98) entschieden. In dem Urteil heißt es unter anderem:

„Allein die Gegenüberstellung der damals und jetzt von verschiedenen Gutachtern geschätzten Grade der Berufsunfähigkeit genügt aber nicht für eine Vergleichsbetrachtung. Denn allein der Umstand, dass ein früher tätig gewordener Erstgutachter den Grad der Berufsunfähigkeit höher bewertet hat als ein später nachuntersuchender Arzt, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine zwischenzeitliche Besserung der Gesundheit und der Berufsfähigkeit und erlaubt erst recht nicht, deren Ausmaß mit der Differenz der beiden gutachterlichen Bewertungen gleichzusetzen. Wegen des den Ärzten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums, der Raum für individuell unterschiedliche Schätzungen lässt, besteht nämlich die Möglichkeit, dass verschiedene Ärzte demselben Gesundheitszustand verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit zuordnen. Deshalb lässt sich nicht ausschließen, wenn ein früheres und ein späteres Gutachten verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit angeben, dass dem Unterschied keine Gesundheitsänderung, sondern lediglich verschiedene subjektive Maßstäbe der verschiedenen Gutachter zugrunde liegen. Eine unterschiedliche Bewertung des unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer aber kein Recht zur Leistungseinstellung.“

Die vom Bundesgerichtshof aufgezeigte Problematik äußert sich im vorliegenden Fall besonders eindrucksvoll. Denn in ihrem Schreiben vom 5. September 2014 bewerteten die von der Beklagten beauftragten Ärzte die Einschränkungen des Klägers hinsichtlich einzelner Teiltätigkeiten wie folgt:

– Pflanzarbeiten 20%
– Baumfällung, Holzeinschlag 40%
– Kletterarbeiten 40%
– Gartenpflege 30%
– aufsichtsführende Tätigkeit 10%
– Führung von Kfz 5%
– kaufmännische Tätigkeiten 0%

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 (Bl. 45 d. A.) und damit gerade einmal sechs Wochen später nahmen dieselben Ärzte hingegen folgende Beurteilung vor:

– Pflanzarbeiten 80%
– Baumfällung, Holzeinschlag 80%
– Kletterarbeiten 70%
– Gartenpflege 30%
– aufsichtsführende Tätigkeit 10%
– Führung von Kfz 5%
– kaufmännische Tätigkeiten 0%

Unter diesen Umständen liegt es auf der Hand, dass allein die Einschätzung der unfallbedingten Leistungsbeeinträchtigung durch einen Arzt keine ausreichende Grundlage für den Versicherungsnehmer darstellt, seine Prozessrisiken zu bewerten.

Auch der ärztliche Bericht des B. K. vom 16. Juli 2014 (Anlage BLD 12, Bl. 115 – 119 d. A.) kann nicht für eine Vergleichsbetrachtung herangezogen werden. Dort wird lediglich auf eine „rückläufige Bewegungs- und Belastungsinsuffizienz nach konsolidierter LWK-4-Fraktur“ hingewiesen, ohne aber den aktuellen Gesundheitszustand nachvollziehbar aufzuzeigen. Abgesehen davon hat sich die Beklagte darauf in ihrer Einstellungsmitteilung vom 23. September 2014 auch nicht bezogen. Entsprechendes gilt für das inhaltlich gleichlautende weitere außergerichtliche Schreiben vom 15. Juni 2016 (Anlage K9, Bl. 48 d. A.).

Auch im nachfolgenden Rechtsstreit hat die Beklagte zum aktuellen Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich mit seinem Zustand zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht ausreichend vorgetragen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, abermals auf die von ihr vorgerichtlich eingeholten ärztlichen Gutachten und Stellungnahme zu verweisen. Diese sind aber nicht geeignet, um dem Kläger eine Vergleichsbetrachtung zwischen seinen aktuellen und seinen ursprünglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erlauben. Damit vermag der Kläger auch weiterhin nicht abzuschätzen, auf welcher Tatsachengrundlage die Beklagte ihre Leistungen einstellte.

Zwar hat die Beklagte auf S. 8 f. der Klagerwiderung (Bl. 62 f. d. A.) unter Bezugnahme auf den Bericht der A. K. A. vom 30. Juli 2013 (Anlage BLD 8, Bl. 92 ff. d. A.) den von ihr für den Zeitpunkt ihres Leistungsanerkenntnisses angenommenen gesundheitlichen Zustand des Klägers nunmehr in ausreichender Weise dahingehend beschrieben, dass auch 6 Monate nach dem Unfall die Mobilisation mit Unterarmgehstützen noch nicht abgeschlossen gewesen sei sowie in der Wirbelsäule noch ein Fixateur eingebracht gewesen sei mit der Folge erheblicher Bewegungseinschränkungen an der unteren Lendenwirbelsäule. Aus dem genannten Bericht ergab sich zudem, dass infolgedessen u.a. Heben und Tragen, Autofahren, Bücken, Knien und Arbeiten in Zwangshaltung völlig ausgeschlossen waren. Dadurch waren auch die von der Beklagten für den Anerkenntniszeitpunkt zugrunde gelegten Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den für die berufliche Tätigkeit des Klägers als Forstwirt relevanten Funktionsbereichen jedenfalls im Wesentlichen umrissen.

Allerdings fehlt es nach wie vor an einer ausreichenden Vergleichsbetrachtung bezogen auf den Nachprüfungszeitpunkt. Allein der Hinweis auf eine rückläufige Bewegungs- und Belastungsinsuffizienz des Rumpfes nach der zwischenzeitlich durchgeführten Materialentfernung aus Wirbelsäule und Unterschenkel und die Konsolidierung der Frakturen reicht dafür nicht aus. Denn es bleibt offen, welche tatsächlichen Veränderungen sich aus Sicht der Beklagten in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers in den für die Berufs-(un-)fähigkeit maßgeblichen Funktionsbereichen konkret ergeben hatten. Wie weit etwa tatsächlich die Beweglichkeit und Belastbarkeit von Rumpf und Knien wiederhergestellt war und auch einer dauerhaften Beanspruchung standhalten würde, ergibt sich weder aus dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten noch aus dem von ihr insoweit in Bezug genommenen Bericht vom 16. Juli 2014 (Anlage BLD 12). Auch die Auswirkungen der – nicht näher konkretisierten – gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die relevanten Funktionsbereiche sind nicht ausreichend dargelegt. So fehlt beispielsweise in dem Bericht vom 16. Juli 2014 jede Aussage zum Knien und Arbeiten in Zwangshaltung. Zudem soll danach die Belastbarkeit beim Heben und Tragen nach wie vor „stark“ eingeschränkt gewesen sein. Das reicht nicht, um eine relevante gesundheitliche Verbesserung nachvollziehbar darzutun.

Auch nach entsprechendem Hinweis der Senatsvorsitzenden (LA Bl. 239, 240 d. A.) hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die von den Ärzten des B. K. H. vom 5. September 2014 auf der Grundlage des von den Ärzten in ihrem Schreiben nicht mitgeteilten Gesundheitszustandes gezogenen Schlussfolgerungen aufzugreifen und sich zu eigen zu machen (Bl. 259 d. A.). Die von den Ärzten vorgenommene Bewertung etwaig vorhandener Einschränkungen hinsichtlich der früher ausgeübten Teiltätigkeiten des Versicherungsnehmers ist aber für eine Gegenüberstellung des Gesundheitszustandes nicht ausreichend (s. o.). Die im Übrigen pauschal gebliebene Behauptung eines verbesserten Gesundheitszustandes (und mehr kann auch dem ärztlichen Bericht vom 16. Juli 2014 nicht entnommen werden) genügt ebenso wenig.

3. Der Kläger ist auch nicht zu einer Umorganisation seines Betriebs imstande. Unstreitig war der Kläger vor dem Unfall der alleinige Mitarbeiter seines Betriebs. Eine Umorganisation käme somit nur in Betracht, wenn der Kläger seine ursprüngliche Tätigkeit durch eine Änderung der Arbeitsabläufe wieder ausüben könnte. Zwar betrifft die Umorganisation augenscheinlich nur die Delegation auf andere Personen. Sie umfasst aber genauso jede Änderung in den Arbeitsvorgängen des verpflichteten Unternehmers, also etwa zeitliche Umgestaltung, Nutzung anderer Maschinen, Veränderungen der zeitlichen Abläufe oder Nutzung von Hilfsmitteln (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Kap. F, Rn. 128).

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 hat der Kläger die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit geschildert. Danach habe er in den letzten drei Monaten vor dem Unfallereignis nur für einen einzigen Kunden gearbeitet. Für diesen habe er nahezu ausschließlich Pflanzungen, Holzeinschlag, Jungwuchspflege sowie die Unterhaltung von Wildzäunen einschließlich deren Montage und Demontage durchgeführt (Bl. 152 d. A.). Weiter heißt es in dem Schriftsatz unter anderem (Bl. 153 d. A.):

„Dabei bestand die Arbeit des Klägers tagtäglich darin, zwischen 8:00 Uhr und 17:00 Uhr Pflanzungen im Wald an der hierfür jeweils vorgesehenen Fläche vorzunehmen. Dabei war der Kläger aufgrund seiner Routine und körperlichen Leistungsfähigkeit in der Lage, pro Stunde ca. 100 Pflanzen und Setzlinge in den Boden zu bringen, sodass er hierfür pro Tag eine Akkordvergütung für insgesamt ca. 800 Pflanzen und Setzlinge zu generieren vermochte.“

Die Darlegungs- und Beweislast für eine dem Versicherten mögliche und zumutbare Umorganisation liegt im Nachprüfungsverfahren beim Versicherer (vgl. Neuhaus aaO, Kap. M, Rn. 130). Dementsprechend muss der Versicherer entweder auf der Grundlage der vom Versicherten geschilderten Tätigkeit darlegen und ggf. beweisen, inwieweit dieser seinen Betrieb umorganisieren kann. Oder der Versicherer muss darlegen und beweisen, welchen Beruf der Versicherte zuletzt an gesunden Tagen tatsächlich ausübte und dass insoweit eine Umorganisation möglich und zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die Tätigkeitsbeschreibung des Klägers zu bestreiten. Das ist im Nachprüfungsverfahren aber nicht ausreichend.

Soweit die Beklagte auf die aktuell vom Kläger ausgeübte Tätigkeit hingewiesen hat, handelt es sich entgegen der von ihr mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2018 vertretenen Auffassung (Bl. 261, 262 d. A.) nicht um eine Form der Umorganisation. Die nunmehr vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist nicht mit der vom Kläger geschilderten Tätigkeit vor dem Unfall im Wesentlichen vergleichbar. Eine Umorganisation setzt aber immer voraus, dass der Betrieb in seiner ursprünglichen Ausgestaltung – wenngleich unter Abänderung der betriebsinternen Abläufe – fortgeführt werden kann. Ist das nicht mehr möglich und muss der Betriebsinhaber zur Kompensation seiner unfallbedingten Beschwerden das bisherige Tätigkeitsfeld verändern, handelt es sich nicht mehr um eine Umorganisation. Vielmehr handelt es sich um eine andere Tätigkeit, die den Versicherer nur zur Leistungseinstellung berechtigt, wenn er den Versicherten auf diese Tätigkeit verweisen kann.

Im vorliegenden Fall kann die Beklagte den Kläger aber nicht mit Erfolg auf seine aktuell ausgeübte Tätigkeit verweisen. Hat der Versicherte in der Zeit seit dem Anerkenntnis eine andere Erwerbstätigkeit aufgenommen, dann muss er sich allenfalls dann darauf verweisen lassen, wenn diese neue Tätigkeit den Anforderungen der maßgeblichen Versicherungsbedingungen genügt (vgl. Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 174, Rn. 18). Gemäß § 7 (1) Satz 1 in Verbindung mit § 2 (1) Satz 1 BUZ kann der Versicherungsnehmer auf einen anderen Beruf verwiesen werden, wenn er diesen aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und wenn dieser seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (vgl. BGH VersR 2018, 152).

Insoweit fehlt es abermals an einem ausreichenden Vortrag der auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen (vgl. Neuhaus aa) Beklagten. Nicht nur hat sie die vom Kläger dargestellte aktuelle Tätigkeit bestritten, ohne ihrerseits hierzu näher vorzutragen (Bl. 170 d. A). Vielmehr hat die Beklagte auch nicht behauptet, dass die ursprünglich vom Kläger erzielte Vergütung seinem jetzigen Einkommen zumindest ungefähr entspricht.

4. Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Leistungen ist unstreitig. Das betrifft sowohl die Höhe der monatlich geschuldeten Rente als auch die Höhe der monatlichen Prämie.

Begründet ist die Berufung allerdings insoweit, als das Landgericht dem Kläger einen uneingeschränkten Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen bis zum Ende der Versicherungsdauer zugesprochen hat. Insoweit hat das Landgericht nicht der Möglichkeit eines jederzeit erneut in Betracht kommenden Nachprüfungsverfahrens und/oder einer nachfolgenden (ordnungsgemäßen) Einstellungsmitteilung der Beklagten Rechnung getragen. Damit besteht die Möglichkeit einer bereits vor dem 1. Januar 2044 endenden Leistungspflicht der Beklagten. Dementsprechend hätte das Landgericht dem Kläger einen Anspruch auf zukünftige Leistungen nur „längstens“ bis zum 1. Januar 2044 zusprechen dürfen.

Die Berufung ist auch insoweit begründet, als dem Kläger gegen die Beklagte kein auf die Zukunft gerichteter Anspruch beginnend mit dem 1. Januar 2017 zusteht. Die Beklagte schuldet gemäß § 1 (1) a) BUZ im Leistungsfall Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente monatlich im Voraus. Das bedeutet, dass die Leistung bis zum Monatsersten erbracht worden sein muss (vgl. Brudermüller in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1585, Rn. 1). Allerdings ist der Bestimmung des § 193 BGB Rechnung zu tragen. Hieraus folgt, dass an die Stelle des 1. Januar der nächste Werktag tritt und die Beklagte somit Zahlung erst am 2. Januar schuldet.

Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB. Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Verzinsung des begründeten Anspruchs erst ab dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag ausgesprochen, § 187 Abs. 1 BGB.

Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger hingegen nicht zu. Die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 23. September 2014 (Bl. 42 d. A.) kann nicht als endgültige Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verstanden werden. Dass die Beklagte unter keinen Umständen zu einer Wiederaufnahme ihrer Leistungen bereit sein würde, ergibt sich aus dem Schreiben nicht. Auch der Kläger ging hiervon erkennbar nicht aus, denn er holte zunächst vom B. U. eine ergänzende Stellungnahme ein. Darüber hinaus ließ sich die Beklagte im Anschluss auf die vom Kläger vorgebrachten Gegenargumente ein und bat das B. U. H. ihrerseits um eine ergänzende Stellungnahme (Bl. 48 d. A.). Dass es im Anschluss bis zur Beauftragung des Klägervertreters zu einer Inverzugsetzung der Beklagten oder zu einer Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB kam, kann weder dem Parteivortrag noch dem weiteren Akteninhalt entnommen werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO hat der Senat abgesehen. Der Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Quelle: IWW-Abrufnummer 206985

Verzicht auf ein zugewendetes Wohnrecht der Eltern gilt als Schenkung, welches auch im Falle der Verarmung des Schenkers zurückgefordert werden kann

Bundesgerichtshof: Urteil vom 17.04.2018 – X ZR 65/17
BGB § 528

a) Zur Bestimmung des Umfangs des Rückforderungsanspruchs des Schenkers wegen Verarmung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die seit der Schenkung gezogenen Nutzungen herauszugeben.

b) Hat der Schenker dem Beschenkten den Verzicht auf ein auf dem Grundstück des Beschenkten lastendes Wohnungsrecht zugewandt, ist für die Höhe des Rückforderungsanspruchs bei Verarmung des Schenkers als Wertersatz für den geschenkten Gegenstand der Betrag maßgeblich, um den sich der Verkehrswert des Grundstücks bei Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers durch den Wegfall der dinglichen Belastung erhöht hat.

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Mai 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil des Klägers entschieden hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der klagende Landkreis begehrt aus übergeleitetem Recht den Ersatz des Werts einer Schenkung wegen Verarmung der Schenkerin.

2

Die Eltern der Beklagten übertrugen dieser 1995 das Eigentum an einem Hausgrundstück in B. . Dabei wurde das Eigentum mit einem unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrecht zugunsten der Eltern belastet. 2003 verzichteten die Eltern auf das Wohnungsrecht und bewilligten die Löschung des Rechts im Grundbuch. Die Beklagte vermietete die Wohnung fortan gegen eine monatliche Kaltmiete von 340 € an ihre Mutter. Im Jahr 2010 verstarb ihr Vater. Nachdem sie pflegebedürftig geworden war, lebte die Mutter seit August 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Die zuvor von ihr bewohnte Wohnung stand zunächst leer; die Beklagte vermietete sie ab September 2013 gegen eine monatliche Kaltmiete von 360 €. Der Kläger leistete vom 10. August 2012 bis zum Tod der Mutter am 30. März 2015 Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 22.248,37 €.

3

Der Kläger, der einen Rückforderungsanspruch der Mutter der Beklagten auf sich übergeleitet hat, hat die Beklagte in entsprechender Höhe auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Beklagte hat in Höhe der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsverteidigungskosten Widerklage erhoben. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte zur Zahlung von 5.700 € nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die beiderseitigen Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zur Höhe des Rückforderungsanspruchs zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt, verfolgt der Kläger den abgewiesenen Teil der Klageforderung weiter.

Entscheidungsgründe

4

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – wie folgt begründet:

5

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte aus übergeleitetem Recht ein Anspruch gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 , § 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz des Werts der durch die Löschung des dinglichen Wohnungsrechts erlangten Bereicherung zu. Die unentgeltliche Aufgabe des Wohnungsrechts sei eine Schenkung gewesen; die Aufgabe der dinglichen Belastung des Grundstücks habe zu einem Vermögenszuwachs bei der Beklagten geführt. Da die Mutter der Beklagten seit dem 10. August 2012 nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Unterhalt zu bestreiten, habe sie die Schenkung zurückfordern können, soweit sie deren Wert für ihren regelmäßigen Unterhalt bedurfte. Der auf den Kläger übergeleitete Anspruch richte sich mithin auf wiederkehrende Leistungen der Beklagten, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft sei.

6

Der Höhe nach gehe der Wertersatzanspruch aber nicht über die von der Beklagten in den Monaten von September 2013 bis zum Tod ihrer Mutter erwirtschafteten Mietüberschüsse in Höhe von insgesamt 5.700 € hinaus. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Werts des zurückzugebenden Geschenks sei der Zeitpunkt der Entstehung des Wertersatzanspruchs, mithin der Zeitpunkt der Bedürftigkeit der Schenkerin. Der Anspruch sei nicht nach dem durch den Wegfall des Wohnungsrechts erhöhten Verkehrswert des Grundstücks zu bemessen. Der Wert der Löschung eines Wohnungsrechts dürfe nicht losgelöst von der tatsächlichen Verwertung und Nutzung des Grundstücks durch den Eigentümer bemessen werden. Das Wohnungsrecht sei ebenso wenig wie seine Löschung ein verkehrsfähiges Gut. Maßgeblich müsse daher sein, welchen Betrag der Schenker nach objektiven Kriterien als angemessene Vergütung für die Aufgabe des Wohnungsrechts hätte verlangen können. Ein Wohnungsrecht mindere den Grundstückswert von vornherein nicht endgültig; mit dem Tode des Schenkers falle dem Beschenkten ohnehin eine entsprechende Erhöhung des Verkehrswerts zu. Der Beschenkte erhalte durch die Aufgabe des Wohnungsrechts lediglich die Möglichkeit, einen erhöhten Verkehrswert zu realisieren. Nehme er diese Möglichkeit nicht wahr, zumindest nicht vor dem Tod der zuvor Wohnungsrechtberechtigten, sei es nicht gerechtfertigt, ihn gleichwohl so zu stellen, als hätte er diesen Wert realisiert. § 528 Abs. 1 BGB erlaube nur die Abschöpfung einer Bereicherung, soweit der Bereicherte eine echte Vermögensvermehrung erfahren habe. Deshalb dürften die Herausgabepflicht des Bereicherten und eine daraus folgende Zahlungsverpflichtung nicht zu einer Verminderung von dessen Vermögen über den wirklichen Betrag der Bereicherung hinaus führen. Bereichert sei der Grundstückseigentümer lediglich, soweit er tatsächlich Nutzungen ziehe. Dieser Wert sei im Streitfall in Höhe der eingenommenen Mietzinszahlungen abzüglich einer für Reparaturen und die vorherige Renovierung zu veranschlagenden Kostendeckung zu bemessen, wobei die Kostendeckung als ein Anteil an der monatlichen Mietzinshöhe geschätzt werden könne. Der sich daraus ergebende Mietüberschuss sei im Streitfall bei einem Mietzins von monatlich 360 € gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf monatlich 300 € zu schätzen. Die Beklagte sei deshalb für den Zeitraum von 19 Monaten der Vermietung in Höhe von insgesamt 5.700 € bereichert.

7

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

8

1. Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ( BGH, Urteil vom 29. März 1985 – V ZR 107/84 , BGHZ 94, 141, 143 f. [zu 3]; Urteil vom 20. Mai 2003 – X ZR 246/02 , BGHZ 155, 57, 59 [zu 2]) gesehen, dass der – auf den Kläger übergegangene – Anspruch der Schenkerin von Anfang an auf monatliche Zahlungen in Höhe des ungedeckten Unterhaltsbedarfs gerichtet war, weil die Schenkerin nur in dieser Höhe jeweils einen Rückforderungsanspruch erwarb und das Geschenk nicht in natura teilbar war, mithin von der Beklagten bis zur Erschöpfung des Werts des Geschenks Ersatz in entsprechender Höhe zu leisten war.

9

2. Zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass für die Ermittlung des Werts des Geschenks der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der Rückforderungsanspruch des Schenkers entsteht. Denn der Umfang des zu ersetzenden Werts des Geschenks kann nicht über den Wert hinausgehen, den das Geschenk selbst zu dem Zeitpunkt hat, zu dem eine Rückgabe des Geschenks im Falle seiner Teilbarkeit geschuldet wäre.

10

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt dies jedoch nicht seine Annahme, der Kläger könne von der Beklagten nur eine Zahlung in Höhe der von September 2013 bis März 2015 erwirtschafteten Mietüberschüsse verlangen. Der von der Beklagten zu ersetzende Wert der Schenkung ist vielmehr nach dem Wertzuwachs des Grundstücks zu bemessen, der im August 2012 noch aus dem im Jahr 2003 eingetretenen Wegfall der dinglichen Belastung mit dem Wohnungsrecht fortbestand. Zudem hat die Beklagte auch die Nutzungen herauszugeben, die sie bereits seit der Schenkung aus dem Geschenk gezogen hat.

11

a) Der Rückforderungsanspruch des § 528 BGB bezweckt, den Schenker vor einer wirtschaftlichen Notlage zu bewahren, solange der Beschenkte durch das Geschenk weiterhin bereichert ist. Ihm liegt wie der Einrede aus § 519 BGB das Ziel zugrunde, eine solche Notlage nicht entstehen oder fortbestehen zu lassen, während der Beschenkte durch das Geschenk ohne Gegenleistung weiterhin bereichert wäre (vgl. MünchKomm.BGB/Koch, 7. Aufl., § 528 Rn. 1). Der Freigiebigkeit des Schenkers soll – im beiderseitigen Interesse – eine für ihn auskömmliche Vermögenslage zugrunde liegen (vgl. Staudinger/Chiusi, BGB, Neubearb. 2013, § 528 Rn. 1). Fällt diese Vermögenslage innerhalb von zehn Jahren weg ( § 529 Abs. 1 Alt. 3 BGB ), während die Bereicherung beim Beschenkten noch vorhanden ist, bedarf es deshalb der Herausgabe der Bereicherung, um die wirtschaftliche Notlage des Schenkers auszugleichen.

12

Mit dem Rückforderungsanspruch gilt es, die Vermögenslage des Beschenkten so aus einer Notlage zu führen, als hätte es das Geschenk nicht gegeben. Zur Bestimmung des Umfangs des Herausgabeanspruchs gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 ist deshalb eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten nicht nur mit dem Wert dieses Gegenstandes, sondern auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

13

b) Soweit – wie im Streitfall – die Herausgabe des geschenkten Gegenstandes selbst nicht möglich und stattdessen deshalb gemäß § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen ist, kommt es für die Bestimmung der Anspruchshöhe auf den objektiven Wert dieses Gegenstandes an. Den besten Anhaltspunkt für diesen Wert bildet im Zweifel der Verkehrswert, da er den Geldwert widerspiegelt, für den der Gegenstand für denjenigen erhältlich ist, der ihn erwerben möchte, und den derjenige erzielen kann, der ihn veräußern möchte. Bei Verzicht auf ein Wohnungsrecht ist deshalb die hierdurch eintretende Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks auszugleichen ( BGH, Urteil vom 26. Oktober 1999 – X ZR 69/97 , NJW 2000, 728, 730 [zu II 2 b, insoweit in BGHZ 143, 51 nicht abgedruckt]). Dieser Wert findet in der für einen solchen Verzicht am Markt üblichen Gegenleistung seinen Ausdruck (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 – III ZR 231/12 , BGHZ 196, 285 Rn. 28 ).

14

aa) Das der Beklagten von ihrer Mutter gemachte Geschenk bestand, wie das Berufungsgericht an sich zutreffend gesehen hat, in dem Verzicht auf das Wohnungsrecht und die damit verbundene dingliche Belastung des Grundstücks. Die Beklagte erhielt mit anderen Worten ein (insoweit) lastenfreies Grundstück anstelle des bis dahin mit dem Wohnungsrecht belasteten. Hierdurch hat sich, wie wohl auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel zieht, der Grundstückswert erhöht. Der vom Berufungsgericht nicht festgestellte, im August 2012 jedoch noch vorhandene Betrag dieser Erhöhung bildet den Wert des Geschenks und damit die Obergrenze des Rückforderungsanspruchs nach § 528 BGB .

15

bb) Dem kann nicht die Erwägung des Berufungsgerichts entgegengehalten werden, der „volle Grundstückswert“ wäre der Beklagten mit dem Tod ihrer Mutter ohnehin zugeflossen. Dies verkennt, dass der Wert eines bebauten Grundstücks aus dem Bodenwert und dem Wert des aufstehenden Gebäudes besteht und dessen Wert sich wiederum aus dem Wert seiner Nutzbarkeit über die Zeit ergibt. Ebenso wenig wie der Wert eines einjährigen Wohnungsrechts demjenigen eines zehnjährigen entspricht, entspricht daher der Wert eines auf Lebenszeit mit einem solchen Recht belasteten Grundstücks dem Wert des unbelasteten. Daher lässt sich, wie die Revision insoweit zu Recht geltend macht, anstelle des durch den Verzicht erhöhten Grundstückswerts grundsätzlich auch der Wert betrachten, den dieser Verzicht (objektiv) für den Grundstückseigentümer hat und der demgemäß der Erhöhung des Grundstückswerts entsprechen muss.

16

cc) Ebenso wenig kann es darauf ankommen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang der Grundstückseigentümer die ihm zugeflossene Werterhöhung „realisiert“ hat. Das Berufungsgericht übersieht bei seinen diesbezüglichen Erwägungen, dass die Bewertung eines Gegenstandes nicht davon abhängt, ob und in welcher Weise der Eigentümer tatsächlich über ihn eine Verfügung trifft. Es kommt nicht darauf an, ob er das Eigentum veräußert, in anderer Weise wirtschaftlich verwertet oder keinen Nutzen daraus zieht. Der objektive Wert eines Hausgrundstücks, wie es im Streitfall in Rede steht, ist – abgesehen von sich aus der Nutzung gegebenenfalls ergebenden Wertveränderungen – grundsätzlich davon unabhängig, ob der Eigentümer es selbst nutzt, vermietet oder leerstehen lässt.

17

Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus den vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen des III. und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Soweit diese Entscheidungen darauf abstellen, dass in den darin zugrunde liegenden Streitfällen nach Bereicherungsrecht lediglich tatsächlich gezogene Nutzungen, nicht aber eine erlangte Nutzungsmöglichkeit auszugleichen seien ( BGH, Urteile vom 8. Oktober 1991 – XI ZR 259/90 , BGHZ 115, 268, 270 f. [zu II 2], vom 7. März 2013 – III ZR 231/12 , BGHZ 196, 285 Rn. 27 ), beziehen sich diese Ausführungen auf den Umfang eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB als des primären Herausgabeanspruchs. Sie stellen nicht in Frage, dass der Umfang eines Sekundäranspruchs auf Wertersatz objektiv nach dem Verkehrswert des primär herauszugebenden Gegenstandes zu bemessen ist (so vielmehr ausdrücklich BGHZ 196, 285 Rn. 28 ).

18

c) Darüber hinaus schuldet die Beklagte die Herausgabe der Bereicherung, die sich aus der mit der Schenkung eingetretenen, wirtschaftlichen Möglichkeit zur Nutzung des geschenkten Gegenstandes ergeben hat.

19

aa) Der Umfang und der Wert dieser Bereicherung sind zwar ebenfalls auf den Zeitpunkt der Entstehung des Herausgabeanspruchs gemäß § 528 Abs. 1 BGB zu bemessen. Insbesondere ein Wegfall der Bereicherung ist für den Zeitraum bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 818 Abs. 3 BGB uneingeschränkt zu berücksichtigen.

20

bb) Für diese Bereicherung sind indessen auch die Vermögensmehrungen zu berücksichtigen, die sich aus Nutzungen vor diesem Zeitpunkt, mithin vom Vollzug der Schenkung an, ergeben haben. Ebenso wie der Schenkungsgegenstand vor dem Entstehen des Anspruchs gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB dem Beschenkten zugewendet wurde und damit dessen Vermögen gemehrt hat, sind auch die Nutzungen herauszugeben, die sich mit der Schenkung für den Beschenkten ergaben und sein Vermögen bereichert haben. Auch hinsichtlich dieser Nutzungen, die sich im Streitfall aus der von der Beklagten durch die Vermietung der vormals dem Wohnungsrecht unterliegenden Wohnung an ihre Mutter ergeben haben, ist gemäß § 818 Abs. 3 BGB bis zu dem nach § 818 Abs. 4 , § 819 BGB maßgeblichen Zeitpunkt zu ermitteln, inwieweit die Bereicherung noch besteht oder weggefallen ist.

21

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt ist, und die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

22

1. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif. Entgegen der Auffassung der Revision kann aus dem jährlichen, von der Mutter der Beklagten gezahlten Mietzins von 4.080 € und dem Umstand, dass die im August 2012 77-jährige Mutter zu diesem Zeitpunkt noch eine statistische Lebenserwartung von 11,5 Jahren hatte, nicht ein die Klageforderung deutlich übersteigender Wert der Schenkung von mindestens 46.920 € abgeleitet werden.

23

Allerdings ist die statistische Lebenserwartung des Berechtigten insofern ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Bemessung des Werts des nicht (mehr) mit dem Wohnungsrecht belasteten Grundstücks, als sie den Zeitraum angibt, für den ohne den Wegfall der Belastung ein vollständiger oder teilweiser Wegfall der Nutzungsmöglichkeiten des Eigentümers zu erwarten war. Die für die dem Wohnungsrecht unterliegende Wohnung in der Vergangenheit erzielte Jahreskaltmiete kann auch – nicht anders als sonst bei der Immobilienbewertung – bei der Ermittlung des Ertragswerts dieser Wohnung herangezogen werden und insofern Auskunft über einen für den Verkehrswert des Gesamtgrundstücks erheblichen Umstand geben. Zur Ermittlung des Werts der Zuwendung müssen jedoch die auf das Wohnungsrecht und seine zu erwartende Dauer bezogenen Daten in Relation zu den für die Bewertung des Grundstücks insgesamt maßgeblichen Zahlen gesetzt werden.

24

2. Die hierzu erforderlichen Feststellungen zum Grundstückswert sind bislang nicht getroffen. Weiterhin ist bisher nicht erörtert worden, inwieweit eine Bereicherung aufgrund der von 2003 bis August 2012 gezogenen Nutzungen zum Zeitpunkt der Haftung gemäß § 818 Abs. 4 , § 819 BGB im Vermögen der Beklagten noch vorhanden oder bis dahin weggefallen war. Die erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht – gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe – nachzuholen haben.

Vorschriften
§ 528 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB, § 528 Abs. 1 BGB, § 287 Abs. 2 ZPO, § 528 BGB, § 519 BGB, § 529 Abs. 1 Alt. 3 BGB, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 818 Abs. 3 BGB, § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 818 Abs. 4, § 819 BGB

Der Versicherer darf vor Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente umfassend prüfen, ob der Versicherte bei Vertragsabschluss korrekte Angaben gemacht hat

Bundesgerichtshof: Urteil vom 22.02.2017 – IV ZR 289/14
VVG § 14 Abs. 1 , § 31 Abs. 1 , § 213 Abs. 1

1. Zu den zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG zählen auch solche, die klären sollen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG erfüllt hat.

a) Zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers sind auch solche Auskünfte erforderlich im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG , die der Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen dienen. Die den Versicherungsnehmer insoweit treffende Mitwirkungsobliegenheit ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen bereits eine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung besteht.

b) Der Versicherungsnehmer hat bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken, als diese zur Pr üfung des Leistungsfalles relevant sind. Kann der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung relevant sind.

3. § 213 Abs. 1 VVG steht einer Datenerhebung des Versicherers zum Zwecke der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht entgegen.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann und die Richterin Dr. Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2017
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 8. Juli 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 95.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die unbekannten Erben des während des Revisionsverfahrens verstorbenen Klägers (im Folgenden weiterhin als Kläger bezeichnet) fordern Leistungen aus einer bei der Beklagten seit April 2009 gehaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung, welcher „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die BerufsunfähigkeitsPolice I. “ der Beklagten (im Folgenden: AVB) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 22 Welche Mitwirkungspflichten sind zu beachten, wenn Leistungen wegen Berufsunfähigkeit verlangt werden? […] (2) Wir können außerdem, dann allerdings auf unsere Kosten, weitere Untersuchungen durch von uns beauftragte Ärzte und sonstige Sachverständige sowie notwendige Nachweise – auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen – verlangen, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen, auch die des Arbeitgebers über den Beruf im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages. Die versicherte Person hat Ärzte, Krankenhäuser und sonstige Krankenanstalten sowie Pflegeheime, bei denen sie in Behandlung oder Pflege war oder sein wird, sowie Sachverständige, Pflegepersonen, andere Personenversicherer und Behörden sowie wegen des Berufs auch den Arbeitgeber zu ermächtigen, uns auf Verlangen Auskunft zu erteilen. […]“
2

Mit Schreiben vom 18. Mai 2010 zeigte der Kläger, zu diesem Zeitpunkt noch Bezirksleiter einer Bausparkasse, der Beklagten an, dass er aufgrund eines Burnout-Syndroms nicht mehr in der Lage sei, seine berufliche Tätigkeit auszuüben.

3

Im Februar 2011 meldete er bei der Beklagten Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung an. Hierauf bat ihn die Beklagte unter anderem um die Unterzeichnung von Schweigepflichtentbindungserklärungen zur Einholung von Auskünften bei verschiedenen Stellen. Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er werde die Erhebung von Auskünften bei der Krankenkasse nur genehmigen, soweit sie sich auf die Berufsunfähigkeit bezögen, wies die Beklagte ihn darauf hin, dass sie auch prüfen wolle, ob der Versicherungsvertrag ordnungsgemäß zustande gekommen sei.

4

Zur Abgabe einer Schweigepflichtentbindung zu diesem Zweck war der Kläger im Weiteren nicht bereit. Eine von ihm zuvor noch formulierte und unterzeichnete „Einwilligung und Schweigepflichtentbindungserklärung“ hatte die Beklagte zunächst als unzureichend abgelehnt; als sie diese später dennoch für eine Abfrage der Gesundheitsverhältnisse des Klägers für die Zeit ab Juni 2002 nutzen wollte, widersprach der Kläger dieser Datenerhebung ausdrücklich, soweit sie die Überprüfung „vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen“ betreffe. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie stelle die weitere Leistungsprüfung ein, und berief sich darauf, die geltend gemachten Leistungsansprüche des Klägers seien nicht fällig.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur jährlichen Rentenerhöhung sowie die Freistellung von der Prämienzahlung begehrt.

6

Das Landgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Kammergericht zurückgewiesen. Die Revision des Klägers verfolgt die erhobenen Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

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Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2014, 1191 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Leistungsanspruch des Kl ägers sei derzeit jedenfalls nicht fällig, da die Beklagte ihre Leistungsprüfung nicht abschließen könne. Es fehle die erforderliche Einwilligung des Klägers, die es der Beklagten ermögliche, Gesundheitsdaten aus der Zeit vor dem Vertragsschluss zu erheben. Infolgedessen habe die Beklagte nicht prüfen können, ob die behauptete Berufsunfähigkeit bereits vor Vertragsbeginn eingetreten sei und ob ihr eventuell wegen einer Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten des Klägers ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht zustehe.

9

Zur Feststellung des Versicherungsfalles gehöre auch die Prüfung, ob der Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen sei und sich das versicherte Risiko erst nach Beginn des Versicherungsschutzes verwirklicht habe. Die hierfür benötigten Daten dürfe der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung erheben. Dem stehe weder § 213 VVG noch das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung entgegen.

10

Der Versicherer sei nicht verpflichtet, die Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten ausschließlich vor Vertragsschluss zu prüfen. Die Erhebung vorvertraglicher Gesundheitsdaten sei weder auf Umstände beschränkt, die Einfluss auf den Versicherungsfall gehabt haben könnten, noch auf Fälle, in denen bereits ein konkreter Anfangsverdacht für eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzung vorliege. Im Streitfall habe aber ohnehin ein ausreichender Prüfungsanlass wegen der zeitlichen Nähe der Vertragserklärung des Klägers zu der vorgetragenen Diagnose bestanden.

11

Die Beklagte habe im Laufe des Rechtsstreits auch nicht auf die Datenerhebung verzichtet.

12

II. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

13

Ein Leistungsanspruch des Klägers ist derzeit jedenfalls noch nicht fällig, weil die Beklagte notwendige Erhebungen zur Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Klägers aufgrund dessen unzureichender Mitwirkung nicht hat abschließen können.

14

1. Die Fälligkeit des Leistungsanspruchs hängt nach § 14 Abs. 1 VVG auch vom Abschluss der Ermittlungen des Versicherers zur Frage einer vorvertraglichen Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ab.

15

a) Gemäß § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des Versicherers mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Leistungsumfangs notwendigen Erhebungen fällig. Hierzu zählen entgegen der Auffassung der Revision auch solche Nachforschungen, die klären sollen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG ordnungsgemäß erfüllt hat (OLG Hamburg VersR 2010, 749, 750 [OLG Hamburg 02.03.2010 – 9 U 186/09] ; OLG Hamm VersR 2015, 1497, 1498; OLG Köln VersR 2015, 305; HK-VVG/Muschner, 3. Aufl. § 14 Rn. 16, 25; MünchKomm-VVG/Fausten, 2. Aufl. § 14 Rn. 22; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 14 Rn. 8; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl. § 14 Rn. 6; Marlow/ Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1460; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. P Rn. 84; Britz, VersR 2015, 410, 411; Fricke, VersR 2009, 297, 300; Höra, r+s 2008, 89, 93; Rixecker, ZfS 2007, 556; a.A. Egger, VersR 2015, 1209, 1211).

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b) Anders als die Revision meint, steht dem nicht entgegen , dass vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzungen weder den Eintritt des Versicherungsfalles betreffen, noch Auswirkungen auf die Bemessung der Versicherungsleistung haben, da sie lediglich rechtsvernichtende Gestaltungsrechte (Rücktritt nach § 19 Abs. 2 VVG und Arglistanfechtung nach § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB ) begründen können (so aber Egger, VersR 2015, 1209, 1210 f.; ders., VersR 2014, 1304, 1306).

17

aa) Soweit der Wortlaut des § 14 Abs. 1 VVG die Fälligkeit der Geldleistungen des Versicherers von der Beendigung der „zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen“ abhängig macht, wird davon auch die Prüfung der Vertragswirksamkeit erfasst. Sowohl der Versicherungsfall als auch der Umfang einer auf diesen gestützten Versicherungsleistung setzen einen wirksamen Versicherungsvertrag voraus.

18

bb) Für dieses weite Verständnis des § 14 Abs. 1 VVG sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift, die dem Versicherer angesichts häufig schwieriger rechtlicher und tatsächlicher Fragen Zeit zur Prüfung einräumen will, ob und in welcher Höhe er zur Leistung verpflichtet ist (Johannsen in Bruck/Möller, 9. Aufl. § 14 VVG Rn. 3). Dies erstreckt sich auch auf Fragen nach der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages, welche die grundlegende Voraussetzung für die Leistungsverpflichtung des Versicherers bildet. Denn es widerspräche dem Zweck des § 14 Abs. 1 VVG , die Fälligkeit der Versicherungsleistung ungeachtet des Vorliegens von Umständen eintreten zu lassen, welche die Vertragswirksamkeit infrage stellen.

19

cc) Eine Unterscheidung danach, ob tatsächliche Umstände die Leistungspflicht des Versicherers unmittelbar entfallen lassen oder ihm lediglich ein Gestaltungsrecht verschaffen, den Versicherungsvertrag durch eine Anfechtungs- oder Rücktrittserklärung zu Fall zu bringen, ist insoweit nicht geboten. Denn das von § 14 Abs. 1 VVG letztlich geschützte Interesse des Versicherers und der Versichertengemeinschaft, Leistungen nicht ohne Grund oder auf Grundlage einer unzureichenden Prüfung erbringen zu müssen, ist in beiden Fällen gleichermaßen berührt.

20

2. Die Erhebungen der Beklagten zur Frage vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Klägers sind in Anbetracht seiner Weigerung, in jeglicher Weise an der Beschaffung der insoweit relevanten Gesundheitsdaten bei seinen Krankenkassen sowie dem ihn behandelnden Arzt mitzuwirken, nicht als beendet im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG anzusehen.

21

a) Ob das auch dann gälte, wenn der Versicherungsnehmer aus keinem rechtlichen Grund zur Mitwirkung bei einer solchen Datenerhebung des Versicherers gehalten wäre (Spuhl, VuR 2009, 1, 4; Looschelders, JR 2010, 530, 532), kann dahinstehen, denn im Streitfall traf den Kläger eine entsprechende Obliegenheit. Diese ergibt sich allerdings nicht aus § 22 Abs. 2 Satz 2 AVB, der infolge unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 BGB unwirksam ist (hierzu aa)), sondern aus § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AVB i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG (hierzu bb)).

22

aa) § 22 Abs. 2 Satz 2 AVB hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Die Klausel bestimmt, dass die versicherte Person im Rahmen der Leistungsprüfung bestimmte Auskunftspersonen zu ermächtigen hat, auf Verlangen des Versicherers Auskunft zu erteilen. Das benachteiligt den Versicherungsnehmer entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen, weil das Recht des Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG missachtet wird. Damit widerspricht die Klausel zugleich dem Grundgedanken des § 213 VVG .

23

(1) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrec hts die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (grundlegend: BVerfGE 65, 1, 43 [BVerfG 15.12.1983 – 1 BvR 209/83] ). Als Grundrecht entfaltet es im Privatrecht seine Wirkkraft über die Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen (sog. mittelbare Drittwirkung; hierzu grundlegend: BVerfGE 7, 198, 205 [BVerfG 15.01.1958 – 1 BvR 400/51] ), und ist insbesondere bei der Auslegung von Generalklauseln (BVerfG aaO 205 f.), wie hier von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB , zu beachten.

24

(2) Demgemäß sind Bestimmungen in allgemeinen Versicherungsbedingungen als unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers anzusehen, die einen informationellen Selbstschutz vereiteln oder unzumutbar werden lassen ( Senatsurteil vom 13. Juli 2016 – IV ZR 292/14 , VersR 2016, 1173 Rn. 29 m.w.N.). Nach Auslegung von § 22 Abs. 2 Satz 2 AVB ist das hier der Fall.

25

(a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an ( Senatsurteile vom 17. Februar 2016 – IV ZR 353/14 , VersR 2016, 720 Rn. 15; vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92 , BGHZ 123, 83, 85 ; st. Rspr.).

26

(b) Ein solcher Versicherungsnehmer entnimmt § 22 Abs. 2 Satz 2 AVB, dass der Versicherte im Fall der Geltendmachung von Leistungsansprüchen die dort genannten Auskunftspersonen uneingeschränkt zu ermächtigen hat, dem Versicherer auf dessen Verlangen hin unmittelbar Auskunft zu erteilen. Eine inhaltliche Begrenzung dieser Verpflichtung auf Auskünfte etwa nur zu bestimmten Themen oder Zeiträumen lässt sich für ihn nicht ersehen.

27

In dieser Auslegung nimmt die Klausel dem Versicherten die Möglichkeit, die Sachdienlichkeit der Informationserhebung zu überprüfen und die Preisgabe – auch sensibler – Daten selbst zu steuern (vgl. Höra in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 213 Rn. 68; MünchKomm-VVG/Wandt, 2. Aufl. § 31 Rn. 68; Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. § 4 BUZ 2008 Rn. 6; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. P Rn. 7; ders./Kloth, NJOZ 2 009, 1370, 1393; Rixecker, ZfS 2007, 37).

28

(c) Zugleich steht § 22 Abs. 2 Satz 2 AVB damit in Widerspruch zu dem Grundgedanken des § 213 VVG . Dieser regelt zwar nach seinem Wortlaut lediglich die Voraussetzungen, unter denen der Versicherer berechtigt ist, personenbezogene Daten bei Dritten zu erheben, und nicht die Frage, inwiefern der Versicherte vertraglich angehalten werden kann, für den Versicherer diese Voraussetzungen zu schaffen. Die Vorschrift soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers gerade auch die Grundsätze aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2006 (VersR 2006, 1669 [BVerfG 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02] ) umsetzen und den verfassungsrechtlich geforderten wirkungsvollen Selbstschutz gewährleisten (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 28. Juni 2007, BT-Drucks. 16/5862 S. 100; Höra, r+s 2008, 89, 93). Dem widerspräche es, die Ausübung der dazu geschaffenen gesetzlichen Möglichkeiten des Versicherten, die nach Abs. 1 erforderliche Einwilligung zu verweigern oder trotz erteilter Einwilligung der Datenerhebung nach Abs. 2 Satz 2 zu widersprechen, regelmäßig als Verstoß gegen vertragliche Mitwirkungsobliegenheiten anzusehen (vgl. MünchKomm-VVG/Eberhardt, § 213 Rn. 75). Denn die Wahrnehmung verfassungsrechtlich gebotener Rechte kann grundsätzlich nicht als Obliegenheitsverletzung gewertet werden (Höra in Bruck/Möller, 9. Aufl. § 213 VVG Rn. 68; Britz, Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch Versicherungs unternehmen bei Dritten gemäß § 213 VVG unter Berücksichtigung des Gendiagnostikgesetzes, 2011 S. 211; Marlow/Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1473).

29

bb) Den Kläger trifft indes eine Obliegenheit zur Mitwirkung bei der Datenerhebung der Beklagten – auch zur Frage vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen – aus § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AVB i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG .

30

(1) Gemäß § 31 Abs. 1 VVG kann der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (Satz 1), und dass ihm insoweit Belege vorgelegt werden, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann (Satz 2). § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AVB gestaltet die gesetzliche Regelung dahingehend aus, dass der Versicherer auf seine Kosten vom Versicherungsnehmer notwendige Nachweise – auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen – fordern kann, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen, auch die des Arbeitgebers über den Beruf im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

31

§ 31 Abs. 1 VVG entspricht § 34 VVG a.F. (BT-Drucks. 16/3945 S. 70) und beruht auf dem Gedanken einer kooperativen Regulierung des Versicherungsfalles auf der Basis eines strukturierten, von Treu und Glauben beherrschten Informations- und Kommunikationsprozesses, der die zwischen den Vertragsparteien bestehende Informationsasymmetrie ausgleichen und dem Versicherer damit die Prüfung seiner eventuellen Leistungspflicht ermöglichen soll (vgl. Brömmelmeyer in Bruck/Möller, 9. Aufl. § 31 VVG Rn. 2 m.w.N.). Die nach dem Gesetz zwar sanktionslose, für den Versicherungsnehmer dennoch verbindliche Obliegenheit nach § 31 Abs. 1 VVG setzt ein Verlangen des Versicherers voraus (vgl. zur Erforderlichkeit einer Aufforderung des Versicherers im Fall der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers: Senatsurteil vom 16. November 2005 – IV ZR 307/04 , VersR 2006, 258 Rn. 16 m.w.N.). Danach muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer, der sich ein klares Bild von seiner Leistungspflicht machen will, erst auf entsprechende Aufforderung hin weitere Kenntnisse verschaffen und Beweise erbringen (Möller in Bruck/Möller, 8. Aufl. § 34 VVG Anm. 3 f.).

32

Dabei kommt dem Versicherer grundsätzlich ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob sich die geforderten Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung tatsächlich als wesentlich erweisen, da die Frage der Erforderlichkeit ex ante zu beurteilen ist (zum Vorstehenden: Senatsurteile vom 13. Juli 2016 – IV ZR 292/14 , VersR 2016, 1173 Rn. 34; vom 22. Oktober 2014 – IV ZR 242/13 , VersR 2015, 45 Rn. 18; vom 16. November 2005 – IV ZR 307/04 , VersR 2006, 258 Rn. 14; jeweils m.w.N.).

33

(2) Umstritten ist aber, ob der Versicherer auch nach Umständen fragen und die Vorlage von Belegen verlangen darf, die es ihm erlauben, die Verletzung von vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten durch den Versicherungsnehmer zu beurteilen, insbesondere wie das Tatbestandsmerkmal des § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG „zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich“ auszulegen ist.

34

Älterer obergerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums zufolge soll eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung geboten sein, nach der die Aufklärungsobliegenheit über die Abwicklung des konkreten Versicherungsfalles nicht hinausgeht und sich damit nicht auf Umstände erstreckt, die ausschließlich Anfechtungs- und Rücktrittsgründe zu begründen vermögen (noch zu § 34 VVG a.F.: OLG Hamm VersR 1978, 1060, 1061; OLG Köln r+s 1993, 72, 74; Möller in Bruck/ Möller, 8. Aufl. § 34 VVG Anm. 12; zu § 31 VVG n.F.: MünchKomm-VVG/ Wandt, 2. Aufl. § 31 Rn. 39; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl. § 31 VVG Rn. 10; ders. in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 46 Rn. 210; Egger, VersR 2015, 1209, 1210; ders., VersR 2014, 1304, 1306; ders., VersR 2012, 810, 812).

35

Gegenstimmen in der Literatur sehen demgegenüber – wie die herrschende Meinung zu § 14 Abs. 1 VVG – auch die Aufklärung solcher Umstände als erforderlich im Sinne des § 31 Abs. 1 VVG an, die dazu dienen, eine Anzeigeobliegenheitsverletzung oder arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss aufzudecken (HK-VVG/ Muschner, 3. Aufl. § 31 VVG Rn. 5; Reichel in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 21 Rn. 32; Marlow/ Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1460; Britz, VersR 2015, 410, 411; Fricke, VersR 2009, 297, 300; Neuhaus/Kloth, N JOZ 2009, 1370, 1394).

36

(3) Die letztgenannte Ansicht überzeugt. Für sie streiten im Wesentlichen die gleichen Argumente, die schon für die weite Auslegung des nahezu wortgleichen § 14 Abs. 1 VVG ausschlaggebend sind (siehe hierzu die Ausführungen unter 1 b):

37

Der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG kann dahin verstanden werden, dass die Prüfung der Vertragswirksamkeit mitumfasst werden soll. Dafür sprechen – ähnlich wie bei § 14 Abs. 1 VVG – Sinn und Zweck der Vorschrift: Zielt § 14 Abs. 1 VVG darauf ab, dem Versicherer die erforderliche Zeit zur Prüfung zu verschaffen, ob und in welcher Höhe er zur Leistung verpflichtet ist (hierzu 1 b bb), soll § 31 Abs. 1 VVG ihn dazu befähigen, die hierzu erforderliche Tatsachengrundlage zu ermitteln. Beide Regelungen bezwecken damit im Kern, dem Versicherer eine sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 2014 – IV ZR 242/13 , VersR 2015, 45 Rn. 19 zu § 34 VVG a.F.). Hierzu zählt die Prüfung der Vertragswirksamkeit. Insoweit ist auch hier ohne Belang, ob es bei der Prüfung des Versicherers um tatsächliche Umstände geht, welche seine Leistungspflicht unmittelbar entfallen lassen, oder solche, die ihm lediglich ein Gestaltungsrecht verschaffen, mit dessen Hilfe er den Vertrag nachträglich zu Fall bringen kann.

38

(4) Das Bestehen der entsprechenden Obliegenheit ist entgegen der Auffassung der Revision nicht davon abhängig, dass dem Versicherer Anhaltspunkte für eine vorvertragliche Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vorliegen. Zwar findet die Obliegenheit – wie die Wirksamkeit von § 22 Abs. 2 Satz 2 der AVB – ihre Grenze im Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht begrenzt indes nur den Umfang der Obliegenheit, ohne an ihr Eingreifen erhöhte Anforderungen zu stellen.

39

(a) Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, bei der Beschaffung seiner persönlichen Daten durch den Versicherer mitzuwirken, berührt sein grundrechtlich geschütztes Interesse an informationellem Selbstschutz. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, unabhängig davon, ob die Daten bei einem Dritten (vgl. BVerfG VersR 2006, 1669 Rn. 43 [BVerfG 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02] ; VersR 2013, 1425, 1427 [BVerfG 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08] [[…] Rn. 22]) oder beim Grundrechtsträger selbst (vgl. BVerfGE 65, 1, 45 [BVerfG 15.12.1983 – 1 BvR 209/83] ) erhoben werden.

40

Das bedeutet allerdings nicht, dass jede Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Mitwirkung bei der Datenerhebung des Versicherers sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzte. Vielmehr steht dem Interesse des Versicherungsnehmers an informationeller Selbstbestimmung das ebenfalls erhebliche Offenbarungsinteresse des Versicherers gegenüber, das in der Vertragsfreiheit wurzelt und damit durch Art. 12 GG ebenfalls grundrechtlichen Schutz genießt ( Senatsurteil vom 13. Juli 2016 – IV ZR 292/14 , VersR 2016, 1173 Rn. 31; BVerfG VersR 2006, 1669 Rn. 50 [BVerfG 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02] ; VersR 2013, 1425, 1427 [BVerfG 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08] [[…] Rn. 21]).

41

Beiden Grundrechten ist bei der Auslegung des § 31 Abs. 1 VVG nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen, indem die kollidierenden Grundrechtspositionen so zu begrenzen sind, dass sie für alle Beteiligten möglichst wirksam werden (vgl. Senatsurteil vom 14. November 2007 – IV ZR 74/06 , BGHZ 174, 127 Rn. 143 ; BGH, Urteil vom 2. April 2015 – I ZR 59/13 , BGHZ 205, 22 Rn. 43 ).

42

(b) Dabei ist einerseits dem berechtigten Interesse des Versicherungsnehmers Geltung zu verschaffen, dass keine Daten erhoben werden, die dem Versicherer über das erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über den Versicherungsnehmer gewähren (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 – IV ZR 292/14 , VersR 2016, 1173 Rn. 32; BVerfG VersR 2013, 1425, 1427 [BVerfG 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08] [[…] Rn. 27]). Das wäre – wie die Revision richtig erkennt – nicht gewährleistet, wenn der Versicherungsnehmer seine Mitwirkung bei der Beschaffung entsprechender Daten durch den Versicherer zwar faktisch verweigern könnte, dadurch aber stets seine Mitwirkungsobliegenheit nach § 31 Abs. 1 VVG missachtete und die Fälligkeit seines Leistungsanspruchs nach § 14 Abs. 1 VVG gefährdete. Denn damit wäre der Versicherer im Ergebnis bis zu einem eventuellen Einlenken des Versicherungsnehmers faktisch leistungsfrei, obgleich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Versicherte einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden können, um des informationellen Selbstschutzes willen die Leistungsfreiheit des Versicherers hinzunehmen (BVerfG VersR 2006, 1669 Rn. 39 [BVerfG 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02] ; VersR 2013, 1425, 1427 [BVerfG 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08] [[…] Rn. 25]).

43

Auf der anderen Seite ist das anerkennenswerte Interesse des Versicherers und auch der Gemeinschaft der Versicherten (vgl. OLG Saarbrücken VersR 2009, 1478, 1481 [OLG Saarbrücken 09.09.2009 – 5 U 510/08-93] ) zu wahren, zur Vermeidung ungerechtfertigter Versicherungsleistungen alle Tatsachen – auch Hilfstatsachen – zu erfahren, die unmittelbar oder auch erst nach der Ausübung von Gestaltungsrechten zu seiner Leistungsfreiheit führen können (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. P Rn. 32). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im Zeitpunkt der Datenerhebung oft noch nicht möglich ist, sicher zu beurteilen, auf welche Tatsachen es bei der Beurteilung der Leistungspflicht am Ende ankommt (vgl. BVerfG VersR 2013, 1425, 1427 [BVerfG 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08] [[…] Rn. 22]; HK-VVG/Muschner, 3. Aufl. § 213 Rn. 22; Fricke, VersR 2009, 297, 300).

44

(c) Die Abwägung der vorstehenden Belange führt nicht dazu, die den Versicherungsnehmer treffende Mitwirkungsobliegenheit auf Fälle zu beschränken, in denen bereits eine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers besteht (so aber Büchner, Neue Entwicklungen und alte Probleme in der Berufsunf ähigkeitsversicherung nach der VVG-Reform 2015 S. 236; Marlow/Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1461; ähnlich: Egger, VersR 2012, 810, 813), welche – wie die Revision meint – sogar die subjektiven Voraussetzungen der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers umfassen müsste. Denn der dem Versicherer zuzubilligende Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Angaben er zur Sachverhaltsermittlung für erforderlich hält, wäre zu weitgehend eingeschränkt, müsste er zur Rechtfertigung seiner Erhebungen zunächst jeweils im Einzelnen darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Fallumstände den konkreten Verdacht einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit durch den Versicherungsnehmer begründeten.

45

Vielmehr ist der Ausgleich der insoweit widerstreitenden Interessen dadurch herzustellen, dass der Versicherungsnehmer bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken hat, als diese zur Prüfung des Leistungsfalles relevant sind. Kann der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung relevant sind (vgl. BVerfG VersR 2013, 1425, 1428 [BVerfG 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08] [[…] Rn. 29]).

46

Dies kann im Fall eines geringen Kenntnisstandes des Versicherers eine gestufte, einem Dialog vergleichbare (vgl. dazu BVerfG aaO 1427 f. [[…] Rn. 22, 28]) Datenerhebung erforderlich werden lassen, in deren Rahmen zunächst Vorinformationen allgemeiner Art erhoben werden, auf deren Grundlage der Versicherer sodann einzelne, spezifischere Anfragen zu stellen vermag, deren Beantwortung unter Umständen wiederum zur Grundlage noch weiter ins Detail gehender Erkundigungen werden kann.

47

Nach allem ist der Versicherungsnehmer aufgrund der ih n treffenden Aufklärungsobliegenheit weder gehalten, dem Versicherer bei der Datenerhebung – selbst wenn sich diese auf eine oder wenige Auskunftspersonen beschränken sollte – völlig freie Hand zu lassen, noch muss er seinerseits vorformulierte Entwürfe des Versicherers für weit gefasste Schweigepflichtentbindungserklärungen oder ähnliche Ermächtigungen des Versicherers in der Weise modifizieren, dass sie über das genannte Maß nicht hinausgehen (vgl. BVerfG aaO). Vielmehr werden sich die Erhebungen des Versicherers zunächst auf solche Informationen zu beschränken haben, die ihm einen Überblick über die zur Beurteilung des Versicherungsfalles einschließlich des vorvertraglichen Anzeigeverhaltens des Versicherungsnehmers relevanten Umstände ermöglichen.

48

Dies kann etwa auf einer ersten Stufe der Erhebungen die Frage betreffen, wann in dem für die Anzeigeobliegenheit maßgeblichen Zeitraum ärztliche Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden haben, was beispielsweise durch eine Auskunft des Krankenversicherers beantwortet werden könnte, den der Versicherungsnehmer zunächst nur insoweit von seiner Schweigepflicht entbinden müsste. Besonders sensible Gesundheitsdaten (etwa Diagnosen, Behandlungsweisen oder Verordnungen betreffend) blieben von der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers so lange nicht umfasst, bis der Versicherer aufgrund seiner Prüfung der Vorinformationen sein Auskunftsverlangen weiter konkretisiert. Erst dann wäre der Versicherungsnehmer gehalten, dieser Konkretisierung entsprechende Schweigepflichtentbindungen zu erteilen.

49

Allerdings bleibt es ihm unbenommen, zur Beschleunigung der Leistungsprüfung stattdessen sogleich umfassende Auskünfte zu erteilen und auch eine unbeschränkte Schweigepflichtentbindung zu erklären. Denn als Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung steht es ihm frei, Daten anderen gegenüber zu offenbaren (vgl. BVerfG VersR 2006, 1669 Rn. 34 [BVerfG 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02] ). Hierüber und über die andernfalls nach den vorgenannten Maßstäben schrittweise zu erfüllende Obliegenheit, Schweigepflichtentbindungen zu erteilen, hat der Versicherer den Versicherungsnehmer eingangs seiner Erhebungen zu informieren.

50

(5) Gegen die Annahme einer derart begrenzten Mitwirkungsobliegenheit des Versicherungsnehmers aus § 31 Abs. 1 VVG greifen die von der Revision und Teilen der Literatur erhobenen Einwände nicht durch.

51

(a) Soweit der Senat im Urteil vom 28. Oktober 2009 (IV ZR 140/08 , VersR 2010, 97 Rn. 23) das Interesse des Versicherungsnehmers als hoch eingestuft hat, Informationen über ihn betreffende Erkrankungen geheim zu halten und den Umgang damit zu kontrollieren, hat er zugleich hervorgehoben, dass das Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung im Verhältnis der Vertragspartner einer Berufsunfähigkeitsversicherung dadurch modifiziert ist, dass es dem Versicherungsnehmer von Gesetzes wegen obliegt, dem Versicherer relevante Informationen über seinen Gesundheitszustand auch im Leistungsfall zugänglich zu machen, soweit dies zur Prüfung der Leis tungspflicht erforderlich ist, um dem legitimen Interesse des Versicherers an der Kenntnis und Verwendung dieser Informationen Rechnung zu tragen (Senat aaO Rn. 24).

52

(b) Anderes ergibt sich auch nicht aus § 213 Abs. 1 VVG .

53

Dessen Tatbestand ist von seinem Wortlaut her weiter als der des § 31 Abs. 1 VVG , weil er die Erhebung personenbezogener Daten für zulässig erklärt, deren Kenntnis „für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht“ erforderlich ist. Ferner wird der wirkungsvolle informationelle Selbstschutz, den die Regelung bezwecken soll, durch die Begrenzung des Obliegenheitsumfangs (s. oben 2 a bb (4) (c)) gewährleistet. Das gilt insbesondere auch für das achtens- und schützenswerte Interesse redlicher Versicherungsnehmer an der Geheimhaltung sensibler Gesundheitsdaten. Der Einwand der Revision, die vom Versicherer erhobenen Daten könnten inhaltlich falsch sein und begründeten für den redlichen Versicherungsnehmer das Risiko, mit tatsächlich nicht gegebenen Gestaltungsrechten konfrontiert und deshalb in einen langwierigen Rechtsstreit verwickelt zu werden, greift nicht durch. Die jeder Ermittlung anhaftende Möglichkeit eines falschen Ermittlungsergebnisses kann die Zulässigkeit der Ermittlung als solche nicht infrage stellen.

54

Dementsprechend geht auch die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur zu Recht davon aus, § 213 VVG stehe einer Datenerhebung zum Zwecke der Überprüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers nicht entgegen (OLG Saarbrücken VersR 2013, 1157, 1161 [OLG Saarbrücken 10.10.2012 – 5 U 408/11; 5 U 408/11 – 57] ; Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 5. Aufl. § 213 VVG Rn. 46; HK-VVG/Muschner, 3. Aufl. § 213 VVG Rn. 22; Eichelberg in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 213 VVG Rn. 7; Wolf in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 213 VVG Rn. 8; Voit in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 213 Rn. 30; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 5. Aufl. § 213 Rn. 13; Britz, Die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch Versicherungsunternehmen bei Dritten gemäß § 213 VVG unter Berücksichtigung des Gendiagnostikgesetzes, 2011 S. 135 f.; Reichel in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 21 Rn. 32; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. P Rn. 33; Britz, VersR 2015, 410, 412; Fricke, VersR 2009, 297, 299 f.; Höra, r+s 2008, 89, 93; Rixecker, ZfS 2007, 556; jedenfalls soweit konkreter Anfangsverdacht vorliegt: Höra in Bruck/Möller, 9. Aufl. § 213 VVG Rn. 36; Marlow/Spuhl, Das Neue VVG kompakt 4. Aufl. Rn. 1460 f.; a.A. Egger, VersR 2012, 810, 813; ders., VersR 2014, 553, 554; ders., VersR 2014, 1304, 1306; ders., VersR 2015, 1209, 1211).

55

Zwar wird in der Literatur vereinzelt gefordert, zwischen der als Versicherungsfall geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigung und dem Informationsbegehren des Versicherers müsse eine kausale Verbindung bestehen (Egger, VersR 2012, 810, 813; ders., VersR 2014, 1304, 1307; Neuhaus/Kloth, NJOZ 2009, 1370, 1375 f.). Dem kann aber schon deshalb nicht gefolgt werden, weil eine solche Einschränkung der Datenerhebung im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze findet und jedenfalls das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag im Fall einer arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss nach § 123 BGB anzufechten, eine solche Kausalität nicht voraussetzt.

56

(c) Soweit die Revision darauf verweist, der Versicherer könne dann, wenn ihm konkrete, greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung vorlägen, ohnehin von „seinem Recht Gebrauch machen und den Vertrag anfechten bzw. den Rücktritt erklären“, so dass er keiner weiteren Auskünfte mehr bedürfe, überzeu gt dies bereits deshalb nicht, weil es den Interessen beider Parteien des Versicherungsvertrages widerspräche, dem Versicherer eine fundierte Überprüfung des Sachverhalts im Wege der Datenerhebung zu verwehren und ihn auf diese Weise zu einem Rücktritt oder einer Arglistanfechtung aufgrund eines bloßen Verdachts zu drängen.

57

(d) Ein die Datenerhebung rechtfertigendes schutzwürdiges Interesse des Versicherers lässt sich auch nicht mit der Erwägung verneinen, er könne durch Gestaltung der Antragsfragen und Umorganisation seines Vertriebs bereits die vorvertragliche Beschaffung der für ihn risikorelevanten Informationen mitgestalten. Eine Pflicht des Versicherers, die Richtigkeit sämtlicher bei der Vertragsanbahnung erteilten Auskünfte des Versicherungsnehmers – so sie nicht ersichtlich unklar oder unvollständig sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 5. März 2008 – IV ZR 119/06 , VersR 2008, 668 Rn. 10 m.w.N.) – bereits vor Vertragsschluss zu überprüfen, sieht das Gesetz nicht vor.

58

(e) Der so verstandenen Mitwirkungsobliegenheit des Versicherungsnehmers aus § 31 Abs. 1 VVG steht auch nicht der allgemeine prozessuale Grundsatz entgegen, dass derjenige, der aus einer Rechtsnorm für sich günstige Rechtsfolgen herleiten möchte, deren Voraussetzungen darlegen und beweisen muss (a.A. Egger, VersR 2012, 810, 818 f.; ders., VersR 2015, 1209, 1218). Diese Regel ist hier nicht einschlägig.

59

Denn im Unterschied zum Zivilprozess wird das außergerichtliche Leistungsprüfungsverfahren des Versicherers vom Gedanken der kooperativen Regulierung des Versicherungsfalles getragen (vgl. Brömmelmeyer in Bruck/Möller, 9. Aufl. § 31 VVG Rn. 2 m.w.N.), der unter anderem in der gesetzlichen Informationsobliegenheit des Versicherungsnehmers seine Ausprägung findet und seine Grundlage darin hat, dass sich das Versicherungsverhältnis in besonderem Maß auf das wechselseitige Vertrauen beider Vertragspartner gründet (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2013 – IV ZR 110/11 , VersR 2013, 609 Rn. 26).

60

(f) Schließlich greifen auch die in Teilen der Literatur erhobenen Bedenken nicht durch, wonach es dem Versicherungsnehmer nicht zuzumuten sei, am Entzug seiner Ansprüche und Rechtsposition mitzuwirken (so: Egger, VersR 2015, 1209, 1217). Der im Strafprozessrecht bedeutsame Grundsatz, dass niemand sich selbst bezichtigen muss, kann grundsätzlich nicht auf das Versicherungsvertragsrecht übertragen werden (vgl. Looschelders in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 31 Rn. 15). Der Versicherungsnehmer hat auf entsprechendes Verlangen des Versicherers ihm bekannte Tatsachen selbst dann wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, wenn das seinen eigenen Interessen widerstreitet, weil diese Tatsachen es dem Versicherer erst ermöglichen, seine Leistungspflicht sachgerecht zu prüfen und sich gegebenenfalls auf Leistungsfreiheit zu berufen ( Senatsurteile vom 13. Dezember 2006 – IV ZR 252/05 , VersR 2007, 389 Rn. 14; vom 16. November 2005 – IV ZR 307/04 , VersR 2006, 258 Rn. 13 m.w.N.).

61

b) Seiner nach all dem bestehenden Mitwirkungsobliegenheit hat der Kläger nicht genügt, weil er sich weigerte, der Beklagten die Beschaffung der zur Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen erforderlichen Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Dies war nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte mehr verlangt hätte, als dem Kläger nach Maßgabe von § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 der AVB i.V.m. § 31 Abs. 1 VVG tatsächlich oblag.

62

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist es im Streitfall ausnahmsweise ohne Belang, dass die Einholung aller bei den Krankenkassen des Klägers gespeicherten Behandlungsdaten, die bis in den Juni 2002 zurückreichen, erheblichen Bedenken begegnet. Nachdem sich der Kläger ernsthaft und endgültig geweigert hatte, bei jedweder Erhebung von Gesundheitsdaten mitzuwirken, die nicht der Klärung des Versicherungsfalles, sondern der Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen dient, erschien ein gesondertes, enger gefasstes Mitwirkungsverlangen der Beklagten, die in der vorgerichtlichen Korrespondenz mit dem Kläger die Bereitschaft gezeigt hatte, über den Umfang der erforderlichen Schweigepflichtentbindung eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen, letztlich aussichtslos. Insofern kommt es hier ausnahmsweise auch nicht darauf an, dass die Beklagte den Kläger nicht auf die Möglichkeit der schrittweisen Schweigepflichtentbindung hinwies (vgl. oben II 2 a bb (4) (c)), weil der Kläger durch sein Verhalten unzweifelhaft zum Ausdruck brachte, dass er eine Datenerhebung zur Aufklärung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen grundsätzlich zurückweise.

63

bb) Gleiches gilt in Bezug auf die Frage, ob die geforderte Mitwirkungshandlung dem Kläger im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht zumutbar war, weil die Beklagte ihm kein Verfahren ermöglicht hat, in dessen Rahmen er die begehrten Informationen selbst hätte beschaffen und an die Beklagte weiterleiten können (vgl. hierzu: BVerfG VersR 2006, 1669 Rn. 60 [BVerfG 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02] ). Auch insoweit war eine Aufforderung zur wahlweisen Mitwirkung des Klägers entbehrlich, weil er jegliche Datenerhebung zum Zwecke der Prüfung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheitsverletzungen ernsthaft und endgültig abgelehnt hatte.

64

c) Anderes ergibt sich schließlich weder aus den „Verhaltensregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten durch die deutsche Versicherungswirtschaft“, die vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) aufgestellt wurden, noch infolge einer von der Beklagten während des Rechtsstreits in erster Instanz versandten „Kundeninformation zur Erhebung und Verwendung von Gesundheitsdaten sowie zur Schweigepflichtentbindung“.

65

Die Datenschutzregeln des GDV sind für den Streitfall bereits deshalb ohne Belang, weil sie erst im Revisionsverfahren vorgelegt worden sind und es daher an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts zu ihrem Inhalt fehlt ( § 559 ZPO ). Bei der von der Beklagten versandten Kundeninformation handelt es sich nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts um eine allgemein gehaltene Information ohne Bezug zur konkreten Leistungsprüfung. Ein Verzicht der Beklagten auf die hier beabsichtigte Datenerhebung ergibt sich daraus nicht.

Vorschriften
§ 213 VVG, § 14 Abs. 1 VVG, § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG, § 19 Abs. 2 VVG, § 22 VVG, § 123 BGB, § 307 BGB, § 31 Abs. 1 Satz 2 VVG, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG, § 31 Abs. 1 VVG, § 34 VVG, § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG, § 31 VVG, Art. 12 GG, § 213 Abs. 1 VVG, § 559 ZPO

Quelle: IWW

Der Versicherer einer Berufsunfähigkeitsversicherung muss deutlich auf die Rechtsfolgen einer Falschangabe hinweisen

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 06.12.2017 – IV ZR 16/17
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann und die Richterin Dr. Bußmann
am 6. Dezember 2017
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 15. Dezember 2016 gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats
Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch und begehrt die Feststellung, dass d er zwischen den Parteien bestehende Versicherungsvertrag nicht durch ein Vertragsanpassungsverlangen der Beklagten nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG geändert worden ist.

2

Im Jahr 2009 schloss der Kläger bei der Beklagten eine Risikoversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Sein Antrag wurde von einem Versicherungsvertreter der Beklagten aufgenommen, der das auf seinem Laptop gespeicherte, fünfseitige Antragsformular ausfüllte. Anschließend wurde das Formular ausgedruckt und vom Kläger unterschrieben.

3

Auf Seite 2 des Antragsformulars befindet sich vor den Gesundheitsfragen ein Abschnitt mit der Überschrift „Hinweis auf die Rechtsfolgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht“. Die drucktechnische Gestaltung dieser Überschrift unterscheidet sich nicht von derjenigen der übrigen Abschnittsüberschriften. Der Hinweistext selbst ist drucktechnisch so gestaltet wie der Text der weiteren Abschnitte des Formulars; seine beiden letzten Zeilen („Bevor Sie unterschreiben, kontrollieren Sie bitte nochmals, ob alle Fragen vollständig und korrekt beantwortet sind, insbesondere wenn Ihnen eine andere Person beim Ausfüllen des Antrags geholfen hat.“) sind – ebenso wie einzelne Zeilen der übrigen Abschnitte des Antragsformulars – in Fettdruck verfasst. Die einzelnen Abschnitte sind optisch jeweils durch horizontale Linien voneinander getrennt.

4

Der fünftletzte Abschnitt vor der Unterschriftenleiste auf Seite 4 des Formulars ist mit „Erklärung“ überschrieben und besteht aus folgendem, durchgehend fettgedrucktem Text:

„Ich bestätige, dass ich den Hinweis auf die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gelesen und verstanden habe. Alles vollständig – es folgen keine weiteren Risikoangaben.“
5

Bis auf eine Ausnahme, die das Rauchen betrifft, sind die Gesundheitsfragen im Antragsformular verneint, darunter die Frage, ob der Kläger in den letzten fünf Jahren aus gesundheitlichen Gründen durch Ärzte beraten oder untersucht worden sei. Tatsächlich hatte er im Jahr 2005 einen Radiologen aufgesucht, nachdem er sieben Jahre zuvor eine Lungenembolie erlitten hatte.

6

Der Kläger, ein Berufskraftfahrer, erlitt im Jahr 2013 erneut eine Lungenembolie und beantragte deswegen Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 7. August 2013 unter Hinweis auf unrichtig beantwortete Gesundheitsfragen ab. Sie erklärte, sie hätte dem Kläger bei Kenntnis von dessen gesundheitlichen Beeinträchtigungen keinen Versicherungsschutz in der gegebenen Form angeboten. Daher mache sie von ihrem Recht, den Vertrag rückwirkend anzupassen, mittels einer Ausschlussklausel Gebrauch, die unter anderem die vom Kläger zur Begründung seiner Berufsunfähigkeit angeführte Erkrankung erfasse.

7

Der Kläger hat behauptet, den Versicherungsvertreter der Beklagten bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen über die im Jahr 1998 erlittene Lungenembolie informiert zu haben. An die radiologische Untersuchung im Jahr 2005 habe er bei der Antragsaufnahme nicht gedacht.

8

Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

9

II. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Versicherungsvertrag sei nicht aufgrund der Erklärung der Beklagten im Schreiben vom 7. August 2013 rückwirkend gemäß § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG geändert worden.

10

Dabei könne die vom Landgericht bejahte Frage, ob die drucktechnische Gestaltung des im Antragsformular enthaltenen Hinweises auf die Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit unzureichend sei, offen bleiben. Die Beklagte habe jedenfalls nicht vorgetragen bzw. bewiesen, dass dieser Hinweis dem Kläger in einer Weise zur Kenntnis gebracht worden sei, die den gesetzlichen Anforderungen genüge. § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG verlange eine gesonderte Mitteilung in Textform; es müsse gewährleistet sein, dass es einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer möglich sei, den Inhalt des Hinweises zu verstehen. Eine Vorlage des Antragsformulars lediglich zur Unterschrift genüge insofern nicht. Es sei dem Kläger auch nicht verwehrt, sich auf die Nichterfüllung der Hinweispflicht zu berufen. Die Beklagte habe nicht den Nachweis geführt, dass der Kläger bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen arglistig getäuscht habe.

11

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg ( § 552a Satz 1 ZPO ).

12

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob für die Einhaltung der Textform und der Kenntnisnahme des Hinweises nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nicht nur die Vorlage des Antragsformulars zur Unterschrift, sondern auch zur Durchsicht zu verlangen sei, höchstrichterlich noch nicht geklärt sei. Auf diese Frage kommt es im Streitfall indes nicht an; ein Revisionszulassungsgrund ist nicht gegeben (vgl. zum Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2013 – VIII ZR 178/12 , […] Rn. 2 ff.; vom 7. Januar 2003 – X ZR 82/02 , BGHZ 153, 254 unter II 1 b [[…] Rn. 5]). Unabhängig davon, ob dem Kläger das Antragsformular nur zur Unterschrift oder auch zur Durchsicht vorgelegt worden ist, ist dieser von der Beklagten nicht, wie es § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG verlangt, durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeige obliegenheitsverletzung hingewiesen worden.

13

Wie der Senat bereits entschieden hat, sind die Anforderungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG in Fällen, in denen der Versicherer den Versicherungsnehmer – wie hier – nicht in einer von sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde auf die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung hingewiesen hat, nur gewahrt, wenn die Belehrung drucktechnisch so gestaltet ist, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann ( Senatsurteil vom 27. April 2016 – IV ZR 372/15 , BGHZ 210, 113 Rn. 13; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Januar 2013 – IV ZR 197/11 , BGHZ 196, 67 Rn. 24 m.w.N.). Dem genügt die im Antragsformular der Beklagten enthaltene Belehrung nicht.

14

Sie unterscheidet sich – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – drucktechnisch in keiner Weise von den übrigen Abschnitten des Formulars. Das trifft trotz der von der Revision angeführten Gestaltungsmerkmale zu. Dass die Abschnittsüberschrift in einer größeren Schrift als der Belehrungstext sowie in Fettdruck gehalten und der Abschnitt oberhalb der Überschrift und unterhalb des Belehrungstextes jeweils durch eine horizontale Linie eingerahmt ist, hebt den Belehrungstext nicht hinreichend hervor, weil auch die übrigen Abschnitte des Antragsformulars diese Merkmale aufweisen. Entgegen der Auffassung der Revision genügt das Formular auch nicht wegen des mit „Erklärung“ überschriebenen Abschnitts auf Seite 4 den Anforderungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG . Denn dieser Abschnitt enthält weder eine gesonderte Belehrung über die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung noch einen konkreten Verweis auf die zwei Seiten vorher abgedruckte Belehrung.

15

2. Aus den vorstehenden Erwägungen hat das Rechtsmittel in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Soweit sich das Berufungsgericht nach der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt hat, dass der Kläger die Gesundheitsfragen arglistig falsch beantwortet hat (vgl. hierzu Senatsurteil vom 12. März 2014 – IV ZR 306/13 , BGHZ 200, 286 Rn. 9 ff. ), wird dies von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

Hinweis:Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorschriften
§ 552a Satz 1 ZPO, § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG, § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO

Quelle: IWW

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