Jahresarchiv 7. März 2018

Keine Restschuldbefreiung für Masseverbindlichkeiten

Quelle: Pressemitteilung vom Bundesfinanzhof vom 27. Februar 2018

Keine Restschuldbefreiung für Masseverbindlichkeiten
Urteil vom 28.11.2017 VII R 1/16

Ist Einkommensteuer im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit entstanden, aber vom Insolvenzverwalter aufgrund von Masseunzulänglichkeit nicht beglichen worden, darf das Finanzamt (FA) die Steuerschuld nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnen. Eine dem Insolvenzschuldner erteilte Restschuldbefreiung steht dem nicht entgegen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. November 2017 VII R 1/16 entschieden hat.

In dem Streitfall war über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Aufgrund der Verwertung von Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter war Einkommensteuer als sog. Masseverbindlichkeit entstanden, die von dem Insolvenzverwalter nicht beglichen wurde. Nachdem das Insolvenzverfahren wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt und dem Kläger Restschuldbefreiung gemäß § 301 der Insolvenzordnung (InsO) erteilt worden war, machte das FA die unbezahlt gebliebenen Steuerschulden geltend und verrechnete diese mit später entstandenen Erstattungsansprüchen des Klägers. Das Finanzgericht hob den Abrechnungsbescheid auf und entschied, dass der Kläger für Steuerschulden, die durch Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters entstanden seien, nicht einstehen müsse.

Dieser Rechtsauffassung ist der BFH nicht gefolgt. Masseverbindlichkeiten werden nach seinem Urteil weder von einer Restschuldbefreiung erfasst – dies hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bislang offengelassen – noch steht der Verrechnung eine sich aus dem Insolvenzverfahren ergebende Haftungsbeschränkung entgegen.

Zwar sei Ziel eines Insolvenzverfahrens, dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien. Die Restschuldbefreiung nach § 301 InsO sei aber ausdrücklich auf Insolvenzgläubiger beschränkt. Hätte der Gesetzgeber die Restschuldbefreiung auch auf Masseverbindlichkeiten erstrecken wollen, so hätte er dies entsprechend regeln müssen.

Soweit die BGH-Rechtsprechung von einer sog. Haftungsbeschränkung für Masseverbindlichkeiten ausgehe, die nach Verfahrenseröffnung durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet worden sind, lasse sich dies auf Steuerschulden nicht übertragen, so dass insoweit keine „Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners“ besteht.

Einkünfte eines national und international tätigen Fußballschiedsrichters: Gewerblichkeit und abkommensrechtliche Behandlung

Quelle: Pressemitteilung vom Bundesfinanzhof vom 27. Februar 2018

Einkünfte eines national und international tätigen Fußballschiedsrichters: Gewerblichkeit und abkommensrechtliche Behandlung
Urteil vom 20.12.2017 I R 98/15

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. Dezember 2017 I R 98/15 entschieden hat, sind Fußballschiedsrichter steuerrechtlich als Gewerbetreibende tätig, die bei internationalen Einsätzen auch nicht am jeweiligen Spielort eine Betriebsstätte begründen. Dies rechtfertigt die Festsetzung (nationaler) Gewerbesteuer auch für die im Ausland erzielten Einkünfte. Diesem nationalen Besteuerungsrecht stehen abkommensrechtliche Hürden (hier: sog. Sportlerbesteuerung im jeweiligen Tätigkeitsstaat) nicht entgegen.

Der Kläger war in den Streitjahren (2001 bis 2003) als Fußballschiedsrichter sowohl im Inland als auch im Ausland tätig. Er leitete neben Spielen der Fußball-Bundesliga u.a. Spiele im Rahmen einer von der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) veranstalteten Weltmeisterschaft sowie – jeweils von der Union of European Football Associations (UEFA) durchgeführt – der Qualifikation zu einer Europameisterschaft, der UEFA Champions-League und des UEFA Cup. Mit seiner Klage gegen die Festsetzung von Gewerbesteuer war er beim Finanzgericht erfolgreich.

Der BFH hat zum Nachteil des Klägers entschieden: Die Schiedsrichtertätigkeit begründet steuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, weil eine selbständige nachhaltige Betätigung vorliegt, die in Gewinnerzielungsabsicht und unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unternommen wird. Dabei folgt die Selbständigkeit daraus, dass ein Schiedsrichter bei der Einkünfteerzielung auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist und Unternehmerinitiative entfalten kann; ein „Anstellungsverhältnis“ liegt nicht vor, auch wenn (nach der Zusage, die Spielleitung zu übernehmen) die Tätigkeit hinsichtlich des Ortes und der Zeit im Rahmen der Ansetzung zu den einzelnen Spielen durch die Fußball-Verbände bestimmt wird. Jedenfalls besteht während des Fußballspiels (als Schwerpunkt der Tätigkeit) keine Weisungsbefugnis eines Verbands. Nicht zuletzt entspricht die Tätigkeit des Klägers ihrer Art und ihrem Umfang nach dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme; die Anzahl der Vertragspartner ist hierbei unerheblich. Deshalb kann sich aus Sicht des BFH bereits die Schiedsrichtertätigkeit für einen (einzigen) Landes- oder Nationalverband (wie etwa den Deutschen Fußball-Bund e.V.) bei der gebotenen Gesamtbetrachtung als unternehmerische Marktteilnahme darstellen.

Der BFH macht auch deutlich, dass der Kläger nur eine einzige Betriebsstätte hatte, nämlich in seiner inländischen Wohnung als Ort der „Geschäftsleitung“. An den Spielorten (in der jeweiligen Schiedsrichterkabine) unterhält er hingegen keine „feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“ und damit auch keine Betriebsstätte. Schließlich ist das innerstaatliche (nationale) Besteuerungsrecht auch nicht nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgeschlossen. Auch wenn sich der Fußballschiedsrichter (im Gegensatz zu Schiedsrichtern mancher anderer Sportarten) bei der Berufsausübung körperlich betätigt, übt er keine Tätigkeit „als Sportler“ aus; zwar wird seine Tätigkeit von den Zuschauern des Fußballspiels wahrgenommen, sie ermöglicht aber lediglich anderen Personen (den Spielern), diesen sportlichen Wettkampf zu bestreiten. Damit ist die Besteuerung abkommensrechtlich nicht dem (ausländischen) Tätigkeitsstaat vorbehalten.

Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen im Jahr 2013

Quelle: Pressemitteilung vom Bundesfinanzhof vom 27. Februar 2018

Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen im Jahr 2013
Urteil vom 9.11.2017 III R 10/16

Die Höhe der Nachforderungszinsen, die für Verzinsungszeiträume des Jahres 2013 geschuldet werden, verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen das Übermaßverbot, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 9. November 2017 III R 10/16 entschieden hat. Der BFH hält den hierfür vorgesehenen Zinssatz von 0,5 % für jeden Monat (6 % pro Jahr) auch unter Berücksichtigung der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus im Jahr 2013 für verfassungsgemäß. Die Entscheidung des BFH ist zur Verzinsung nach §§ 233a, 238 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) ergangen.

Im Streitfall gab der Kläger die Einkommensteuererklärung für 2011 im Dezember 2012 ab. Er erwartete eine Einkommensteuernachzahlung von 300.000 €, die er auf einem gesonderten Bankkonto bereithielt. Im Juli 2013 erbrachte der Kläger im Hinblick auf die drohende Nachzahlung eine freiwillige Zahlung in Höhe von 366.400 € an das Finanzamt (FA). Aus dem im September 2013 ergangen Einkommensteuerbescheid ergab sich ein Nachforderungsbetrag von ca. 390.000 €. Hierfür setzte das FA Nachzahlungszinsen von 0,5 % monatlich fest, die sich für den Zinszeitraum April 2013 bis September 2013 auf ca. 11.000 € beliefen. Dem Antrag des Klägers, die Zinsen zu erlassen, entsprach das FA nur insoweit, als es wegen der im Juli 2013 erfolgten freiwilligen Zahlung einen Erlass der Zinsen für August und September 2013 aussprach.

In seinem Urteil bejaht der BFH die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Zinsregelung, so dass die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht vorliegen.

Der BFH konnte keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) erkennen. Die Unterscheidung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern beruht auf der zulässigen typisierenden Annahme, dass die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Steuerfestsetzungen zu potentiellen Zinsvor- oder -nachteilen führen können. Auch hinsichtlich der Zinshöhe verneint der BFH einen Gleichheitsverstoß. Denn innerhalb der Gruppe der zinspflichtigen Steuerpflichtigen wird bei allen Betroffenen der gleiche Zinssatz zugrunde gelegt.

Nach dem Urteil des BFH ist die Zinshöhe auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig. Da mit den Nachzahlungszinsen potentielle Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen, hielt der BFH eine umfassende Betrachtung der Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten der Steuerpflichtigen für erforderlich. Auf der Grundlage von Daten der Deutschen Bundesbank untersuchte der BFH die Zinssätze für verschiedene kurz- und langfristige Einlagen und Kredite. Hierbei ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Bandbreite von 0,15 % bis 14,70 % bewegten. Obwohl der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit 2011 auf unter 1 % gefallen war, konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass der gesetzliche Zinssatz die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte verlassen hat.

Schließlich verneinte der BFH auch einen Anspruch auf einen Erlass der Zinsen. Es komme nicht auf die Ursachen einer späten oder verzögerten Steuerfestsetzung an.

Beachtung des Internationalen Privatrechts auch im Steuerrecht

Quelle: Pressemitteilung vom Bundesfinanzhof vom 21. Februar 2018

Beachtung des Internationalen Privatrechts auch im Steuerrecht
Urteil vom 7.12.2017 IV R 23/14

Gerichte dürfen Verträge, die ausländischem Recht unterliegen, nicht nach deutschem Recht auslegen. Sie müssen daher nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis ermitteln und haben hierfür ggf. einen Sachverständigen hinzuzuziehen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 7. Dezember 2017 IV R 23/14 entschieden hat.

Im Streitfall produzierte die Klägerin, eine deutsche Fondsgesellschaft, einen Spielfilm. Sie räumte die Rechte zur Verwertung des Films einem ausländischen Vertriebsunternehmen ein. Die Verträge waren im Wesentlichen kalifornischem Recht unterstellt.

Zwischen dem Finanzamt (FA) und dem Fonds bestand Streit darüber, ob und ggf. in welcher Höhe eine am Schluss der Vertragslaufzeit vom Vertriebsunternehmen zu leistende Zahlung in der Bilanz des Fonds bereits während der Laufzeit des Vertrags gewinnerhöhend auszuweisen war. FA und Finanzgericht (FG) hatten die Verträge nach den in Deutschland üblichen Methoden ausgelegt, während der BFH unter Beachtung der Vorgaben des Internationalen Privatrechts nun eine Auslegung nach kalifornischem Recht verlangt. Im Streitfall fehlten daher Feststellungen zu den Grundsätzen, nach denen Willenserklärungen und Verträge nach kalifornischem Recht auszulegen sind. Weiter geht es darum, ob das kalifornische Zivilrecht Begriffe wie „Fälligkeit“ und „aufschiebende“ sowie „auflösende Bedingung“ kennt und ob es diesen Begriffen die gleiche Bedeutung wie das deutsche Zivilrecht beimisst. Zu klären ist auch, wie Begriffe wie „Call Option“ und „Final Payment“ nach kalifornischem Rechtsverständnis zu beurteilen sind.

Die Ermittlung ausländischen Rechts darf wegen der erforderlichen Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht vom Revisionsgericht selbst durchgeführt werden. Zuständig ist vielmehr das FG, an das das Verfahren wegen eines sog. Rechtsanwendungsfehlers trotz Fehlens einer diesbezüglichen Rüge zurückverwiesen wurde.

Verlängerte Festsetzungsfrist auch bei Steuerhinterziehung durch Miterben

Quelle: Pressemitteilung vom Bundesfinanzhof vom 07. Februar 2018

Verlängerte Festsetzungsfrist auch bei Steuerhinterziehung durch Miterben
Urteil vom 29.8.2017 VIII R 32/15

Die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung verlängert sich bei einem Erbfall auch dann, wenn der demenzerkrankte Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 29. August 2017 VIII R 32/15 entschieden hat, wirkt die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre dabei auch zu Lasten des Miterben, der von der Steuerhinterziehung keine Kenntnis hat.

Im Streitfall war die Klägerin gemeinsam mit ihrer Schwester Erbin ihrer verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte in den Jahren 1993 bis 1999 Kapitaleinkünfte im Ausland erzielt, die sie nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben hatte. Seit 1995 war sie aufgrund einer Demenzerkrankung nicht mehr in der Lage, wirksame Einkommensteuererklärungen abzugeben. Die Steuererklärungen der Erblasserin waren unter Beteiligung der Schwester der Klägerin (Miterbin) erstellt worden. Dieser war spätestens ab Eintritt des Erbfalls bekannt, dass die Mutter (Erblasserin) ihre Kapitaleinkünfte in den Einkommensteuererklärungen zu niedrig angegeben hatte. Das Finanzamt (FA) erließ gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Erblasserin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die Steuer für die nicht erklärten Zinsen nachforderte.

Der BFH hat die Revision der Klägerin, soweit sie zulässig war, als unbegründet zurückgewiesen. Zunächst hat er klargestellt, dass die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch dessen Steuerschulden „erben“; denn gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) auch für die Steuerschulden. Auf die Kenntnis von der objektiven Steuerverkürzung des Erblassers kommt es nicht an, sondern nur auf die Höhe der entstandenen Steuerschuld. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner. Dies bedeutet, dass das FA im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens jeden Erben für die gesamte Steuerschuld des Erblassers in Anspruch nehmen kann.

War der Erblasser zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung aufgrund einer Demenzerkrankung geschäftsunfähig i.S. des § 104 Nr. 2 BGB, ist seine Steuererklärung zwar unwirksam. Dies hat auf die Höhe der gesetzlich entstandenen Steuer jedoch keine Auswirkung. Erfährt ein Erbe vor oder nach dem Erbfall, dass die Steuern des Erblassers zu niedrig festgesetzt wurden, ist er auch in diesem Fall nach § 153 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet, die (unwirksame) Einkommensteuererklärung des Erblassers zu berichtigen. Unterlässt er dies, begeht er eine Steuerhinterziehung.

Diese Steuerhinterziehung führt dazu, dass sich bei allen Miterben die Festsetzungsfrist für die verkürzte Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert. Wie der BFH hervorhebt, trifft dies auch den Miterben, der weder selbst eine Steuerhinterziehung begangen hat noch von dieser wusste.

Betreuerbestellung bei mehreren gemeinschaftlich zur Vertretung berufenen Bevollmächtigten

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 31.01.2018 – XII ZB 527/17
BGB § 1896 Abs. 2 Satz 2

Hat der Betroffene mehrere Personen in der Weise bevollmächtigt, dass sie ihn nur gemeinschaftlich vertreten können, können die Bevollmächtigten nur dann die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut wie ein Betreuer besorgen, wenn davon auszugehen ist, dass sie zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Dazu bedarf es einer Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten und damit jedenfalls eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit.

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 8. September 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die im Jahre 1922 geborene Betroffene erteilte Ende Oktober 2003 ihrer Tochter (Beteiligte zu 1) und ihrer Schwiegertochter (Beteiligte zu 2) eine notarielle General- und Altersvorsorgevollmacht. Diese kann nach § 1 des Vollmachtstextes nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Die Generalvollmacht berechtigt die beiden Bevollmächtigten, umfassend im vermögensrechtlichen Bereich für die Betroffene tätig zu werden. Die Altersvorsorgevollmacht ermächtigt sie zu Entscheidungen unter anderem in den Bereichen der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitssorge.

2

Mitte September 2016 hat sich die Tochter der Betroffenen an das Amtsgericht gewandt und beantragt, als Betreuerin für die nach ihren Angaben seit Anfang 2015 an Demenz erkrankte Betroffene bestellt zu werden, und im weiteren Fortgang des Verfahrens auch die Bestellung eines externen Betreuers oder Kontrollbetreuers angeregt. Ihre Schwägerin, in deren Nähe die Betroffene lebt, treffe Entscheidungen zu Fragen von Gesundheit und Finanzen der Betroffenen stets allein und bereichere sich auf Kosten der Betroffenen.

3

Nach mehrfachen schriftlichen Stellungnahmen der beiden Bevollmächtigten hat das Amtsgericht durch den Rechtspfleger mit Beschluss vom 22. Juni 2017 entschieden, dass für die Betroffene kein Betreuer bestellt wird. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist ohne Erfolg geblieben.

4

Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt sie weiterhin das Ziel, dass für die Betroffene eine Betreuung oder Kontrollbetreuung errichtet wird.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

6

1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Rechtspfleger sei zur Entscheidung über die Anregung der Beteiligten zu 1 zuständig gewesen. Der angefochtene Beschluss sei dahin auszulegen, dass kein Kontrollbetreuer bestellt worden sei. Die Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung lägen auch nicht vor. Der Gesundheitszustand der Betroffenen, die in einem Heim untergebracht sei und dort die erforderliche Pflege und Versorgung erhalte, erfordere die Einrichtung einer Kontrollbetreuung nicht. Soweit die Tochter der Betroffenen geltend mache, Auskünfte nur teilweise oder gar nicht zu bekommen, könne sie sich auf ihre Vollmacht berufen. Das sei nicht Aufgabe eines Kontrollbetreuers. Soweit sie geäußert habe, die Beteiligte zu 2 nehme Zugriff auf das Vermögen der Betroffenen, handele es sich um einen bloßen Verdacht, der einer tatsächlichen Grundlage entbehre. Für die von der Beteiligten zu 2 bis einschließlich Dezember 2014 angeblich abgebuchten und verbrauchten 145.000 € sei nicht ersichtlich, dass Verfügungen ohne Wissen und Wollen der zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkrankten Betroffenen erfolgt seien. Auch für die Befürchtung, die Tochter der Beteiligten zu 2 könne unter Missbrauch der ihr von der Betroffenen erteilten Kontovollmachten Gelder für sich verbrauchen, gebe es keine Anhaltspunkte. Als Mitbevollmächtigte könne die Beteiligte zu 1 zudem ihre Schwägerin und deren Tochter auf Vermögensverfügungen zu Lasten der Betroffenen selbst kontrollieren und Auskunftsansprüche gegen ihre Schwägerin geltend machen. Für die gemeinschaftlich geregelte Vertretung der Betroffenen wäre zwar eine gut funktionierende und auf Vertrauen basierende Abstimmung wünschenswert und hilfreich. Ein Defizit in dem Vertrauensverhältnis führe aber nicht dazu, dass ein Kontrollbetreuer zur Wahrung der Rechte der Betroffenen zu bestellen sei.

7

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

8

a) Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Amtsgericht allein über die Einrichtung einer Kontrollbetreuung entschieden hat. Es hat dies offensichtlich zum einen daraus, dass der vorliegend tätige Rechtspfleger gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 RPflG nur insoweit zuständig ist, und zum anderen im Wege der Auslegung daraus geschlossen, dass der Beschwerde laut Nichtabhilfebeschluss des Rechtspflegers mit der Maßgabe abgeholfen wurde, es werde kein Kontrollbetreuer bestellt.

9

Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Zwar ist richtig, dass § 15 RPflG die dem Betreuungsgericht übertragenen Angelegenheiten dem Richter vorbehält und hiervon in Absatz 1 Satz 2 lediglich die Verrichtungen ausnimmt, die eine Betreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB – mithin eine sogenannte Kontrollbetreuung – betreffen. Gleichwohl hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts in Überschreitung seiner Kompetenz über die Frage einer Betreuung insgesamt entschieden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Tenor des Beschlusses vom 22. Juni 2017, sondern es folgt auch aus den Beschlussgründen. Danach hat „das Gericht (…) geprüft, ob für die Betroffene ein Betreuer bestellt werden muss.“ Im Anschluss wird zuerst ausgeführt, dass und warum die Betroffene ausreichend durch die Bevollmächtigten vertreten werde und es einer umfänglichen Betreuung nicht bedürfe. In einem zweiten Begründungsschritt wird dann dargelegt, dass auch die Einsetzung eines Kontrollbetreuers nicht in Betracht komme. Der sich nur mit der Kontrollbetreuung befassende Nichtabhilfebeschluss konnte der Ausgangsentscheidung insoweit keinen anderen Gehalt verleihen.

10

Unabhängig davon, dass in einem Betreuungsverfahren wie dem vorliegenden mit der (Voll-)Betreuung als Gegenstand die Frage der Kontrollbetreuung nicht gesondert durch den Rechtspfleger verbeschieden werden kann, ist hier mithin nicht lediglich die Ablehnung der Kontrollbetreuung Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden. Vielmehr ist dem Landgericht die umfassende Prüfung angefallen, ob für die Betroffene eine Betreuung zu errichten ist.

11

b) Dies lässt sich, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht verneinen.

12

Allerdings darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit dies erforderlich ist ( § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB ). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können ( § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Februar 2016 – XII ZB 498/15 -FamRZ 2016, 704Rn. 12 mwN). Hat der Betroffene jedoch mehrere Personen in der Weise bevollmächtigt, dass sie ihn nur gemeinschaftlich vertreten können, können die Bevollmächtigten nur dann die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut wie ein Betreuer besorgen, wenn davon auszugehen ist, dass sie zu einer gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind. Dazu bedarf es aber – wie das Landgericht im Ansatz richtig erkannt hat – einer Zusammenarbeit und Abstimmung der Bevollmächtigten und damit jedenfalls eines Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit. Anderenfalls ist das für eine wirksame gemeinschaftliche Vertretung notwendige Einvernehmen zwischen den Bevollmächtigten nicht herstellbar.

13

So aber liegt es nach den bislang getroffenen Feststellungen hier. Die von der Betroffenen im Jahre 2003 erteilte Vollmacht berechtigt die Bevollmächtigten allein zur gemeinschaftlichen Vertretung. Eine solche ist bislang jedoch nicht erfolgt, sondern die Schwiegertochter der Betroffenen ist offensichtlich im Wesentlichen allein als Vertreterin tätig geworden, ohne dass ein Einvernehmen mit der Tochter der Betroffenen hergestellt wurde. Zudem stellt sich das Verhältnis zwischen den beiden Bevollmächtigten als in einer Weise belastet dar, die ein einvernehmliches Handeln zum Wohl der Betroffenen als nur schwer umsetzbar erscheinen lässt. Bei dieser Sachlage hätte es gemäß § 26 FamFG jedenfalls weitergehender Ermittlungen bedurft, um die Erforderlichkeit einer Betreuung unter Verweis auf die den beiden Beteiligten erteilte Vollmacht zu verneinen.

14

3. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen.

15

Dieses wird neben der Ermittlung, ob die beiden Bevollmächtigten zu der ihnen durch die Vollmacht allein gestatteten gemeinschaftlichen Vertretung in der Lage sind, auch zu prüfen haben, ob weitere von der Betroffenen erteilte Einzelvollmachten bestehen, die zumindest für Teilbereiche wie etwa bestimmte Bankgeschäfte einen Betreuungsbedarf entfallen lassen können.

16

Unabhängig davon wird das Landgericht Feststellungen dazu zu treffen haben, ob bei der Betroffenen die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen. Sofern dies der Fall ist und sich gerade für den Bereich der Vermögenssorge ergibt, dass der Betreuungsbedarf durch eine vorhandene Vollmacht abgedeckt wird, wird sich das Landgericht zudem nochmals mit der Frage befassen müssen, ob es einer Betreuung zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber der bevollmächtigten Person nach § 1896 Abs. 3 BGB (Kontrollbetreuung) bedarf. Dabei wird es in den Blick zu nehmen haben, ab welchem Zeitpunkt die Betroffene nach medizinischen Erkenntnissen nicht mehr selbst zur Kontrolle der bevollmächtigten Person in der Lage war, und zu erwägen haben, inwieweit die aktenkundigen finanziellen Verfügungen den Verdacht begründen, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2017 – XII ZB 143/17 -FamRZ 2017, 1714Rn. 12 f. mwN).

17

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen ( § 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorschriften
§ 15 Abs. 1 Satz 2 RPflG, § 15 RPflG, § 1896 Abs. 3 BGB, § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, § 26 FamFG, § 74 Abs. 5 FamFG, § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG, § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 74 Abs. 7 FamFG

 

Quelle: IWW

Bei Tod des Schuldners muss die Haftungsbeschränkung der Rechtsmittelinstanz vorbehalten bleiben

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 25.01.2018 – III ZR 561/16
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Pohl
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung – ohne Sicherheitsleistung – aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. November 2016 – 6 U 92/16 – wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechende Anwendung findet, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung kommt dabei nur in Betracht, wenn zusätzlich glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – VIII ZR 305/09, BGHZ 183, 281 Rn. 6 ff; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 719 Rn. 8; MüKoZPO/ Götz, 5. Aufl., § 719 Rn. 15). Eine Einstellung scheidet grundsätzlich aus, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher möglich und zumutbar war (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. November 2010 – XII ZR 31/10, NJW-RR 2011, 705 Rn. 7 und vom 24. Mai 2016 – II ZR 105/16, juris Rn. 4; jeweils mwN).

2

2. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass er erst während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens den vormaligen Beklagten (Vater) beerbt habe und deshalb im Berufungsverfahren keinen Antrag nach § 712 ZPO habe stellen können, ist dies ohne Bedeutung. Denn der Beklagte ist aufgrund des Erbfalls vom 23. Februar 2017 auch in die prozessuale Stellung seines Vaters eingerückt und muss sich deshalb den Umstand, dass dieser keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, grundsätzlich entgegenhalten lassen. Etwas anderes mag gelten, wenn die Gründe für einen Antrag nach § 712 ZPO in der Person des Erblassers nicht vorlagen und erst aufgrund des Erbgangs die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO erfüllt werden. Letzteres ist hier indessen nicht der Fall.

3

Der Antragsteller macht in diesem Zusammenhang geltend, dass ihm die Möglichkeit erhalten bleiben müsse, den – hiermit beantragten – Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im laufenden Verfahren geltend zu machen. Anderenfalls seien seine Rechte auf materielle Beschränkung der Haftung auf den Nachlass im Wege der Einrede nach §§ 1989, 1990 BGB im Rahmen eines gegebenenfalls einzuleitenden Nachlassinsolvenzverfahrens beeinträchtigt. Auch dieser Einwand verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg.

4

Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Dieser Vorbehalt kann bei einem Erbfall während des Nichtzulassungsbeschwerde- oder Revisionsverfahrens grundsätzlich noch nachträglich in die Beschwerde- beziehungsweise Revisionsentscheidung aufgenommen werden (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. März 1955 – III ZR 115/53, BGHZ 17, 69, 72 ff; BGH, Urteile vom 9. Mai 1962 – VIII ZR 45/61, NJW 1962, 1250 f und vom 26. Juni 1970 – V ZR 156/69, BGHZ 54, 204, 205 f; anders nur, wenn in der Revisionsinstanz vom beklagten Rechtsmittelkläger lediglich die beschränkte Erbenhaftung geltend gemacht und die Revision deshalb als unzulässig ohne Vorbehalt verworfen wird; dann kann allerdings Vollstreckungsgegenklage gemäß §§ 781, 785 auch ohne Vorbehalt erhoben werden, BGH aaO S. 207).

5

Die vorbehaltene Beschränkung der Haftung auf den Nachlass führt allerdings nicht dazu, dass nicht in das übrige Vermögen des Erben vollstreckt werden kann; vielmehr ist es Sache des Erben, bei einer Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen den Vorbehalt selbst im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (§§ 781, 785 ZPO) und dabei die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass nachzuweisen. Letztere müssen bei Aufnahme des Vorbehalts nicht geprüft werden. Allerdings steht es dem Prozessgericht frei, die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung mit zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. März 1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378, 2379; vom 13. Juli 1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226, 1230 und vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 7 f) und zum Beispiel die Verurteilung auf Leistung aus dem Nachlass zu beschränken (vgl. nur BayObLGZ 1999, 323, 328 f; siehe auch Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 780 Rn. 15; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl., § 780 Rn. 10, 13).

6

Vor diesem Hintergrund scheidet die beantragte (uneingeschränkte) Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil bereits deshalb aus, weil dadurch auch eine zulässige Zwangsvollstreckung in den Nachlass betroffen wäre, die hier in Form der Sicherungsvollstreckung in das zum Nachlass gehörende Hausgrundstück in Selfkant seitens der Kläger im Raum steht (siehe dazu Schriftsatz der die Zwangsvollstreckung betreibenden zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22. Februar 2017 und Stellungnahme des Klägervertreters zum Einstellungsantrag vom 17. Januar 2018). Ob im Rahmen des Einstellungsantrags als „minus“ auch eine einstweilige Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass möglich wäre (vgl. zur Beschränkung der Einstellung der Zwangsvollstreckung auf bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen bzw. auf die Vollstreckung in bestimmte Vermögensgegenstände im Rahmen des § 719 Abs. 2 ZPO: Senat, Beschluss vom 28. September 1955 – III ZR 171/55, BGHZ 18, 219 f und BGH, Beschluss vom 10. November 1955 – V ZR 211/55, BGHZ 18, 398, 400), kann dahinstehen. Denn abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Vollstreckung in nachlassfremde Gegenstände droht, würde dies zumindest voraussetzen, dass die materiellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass glaubhaft gemacht sind, hier mithin die in der Antragsschrift angesprochene Nachlassinsolvenz. Zum Nachlass fehlt aber näherer Vortrag des Beklagten. Es kommt deshalb nicht einmal mehr darauf an, dass es für die begehrte Einstellung ohne Sicherheitsleistung auch an der Glaubhaftmachung der vom Beklagten – unter Hinweis darauf, dass er aus gesundheitlichen Gründen erwerbslos sei und derzeit keine Sozialleistungen erhalte – behaupteten Unfähigkeit zur Stellung einer Sicherheitsleistung fehlt.

Schenkungsteuer: Zuwendungsverhältnis bei Zahlung eines überhöhten Entgelts durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person

Quelle: Pressemitteilung vom Bundesfinanzhof vom 24. Januar 2018

Schenkungsteuer: Zuwendungsverhältnis bei Zahlung eines überhöhten Entgelts durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person
Urteil vom 13.9.2017 II R 54/15
Urteil vom 13.9.2017 II R 32/16
Urteil vom 13.9.2017 II R 42/16

Zahlt eine GmbH unter Mitwirkung des Gesellschafters einen überhöhten Mietzins oder Kaufpreis an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, liegt hierin keine Schenkung der GmbH an die nahestehende Person. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit drei Urteilen vom 13. September 2017 II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 unter Änderung der rechtlichen Beurteilung entschieden hat, kann vielmehr eine Schenkung des Gesellschafters an die ihm z.B. als Ehegatte nahestehende Person gegeben sein.

In den Streitfällen II R 54/15 und II R 32/16 hatten die Kläger Grundstücke an eine GmbH vermietet. Sie waren jeweils die Ehegatten der Gesellschafter der GmbH. Die Gesellschafter hatten die Verträge mit unterschrieben oder als Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen. Im Streitfall II R 42/16 veräußerte der Kläger Aktien an eine GmbH. Er war der Bruder des Gesellschafters, der den Kaufpreis bestimmt hatte. Die bei den GmbHs durchgeführten Außenprüfungen ergaben, dass Mietzins und Kaufpreis überhöht waren und insoweit ertragsteuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbHs an ihre Gesellschafter vorlagen. Die Finanzämter sahen die überhöhten Zahlungen zudem schenkungsteuerrechtlich als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbHs an die nahestehenden Personen an und besteuerten diese nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).

Der BFH ist dem aufgrund einer geänderten Beurteilung nicht gefolgt (vgl. zur bisherigen Rechtsprechung BFH-Urteil vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist danach keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Die Mitwirkung des Gesellschafters kann darin bestehen, dass er den Vertrag zwischen GmbH und nahestehender Person als Gesellschafter-Geschäftsführer abschließt, als Gesellschafter mit unterzeichnet, dem Geschäftsführer eine Anweisung zum Vertragsabschluss erteilt, in sonstiger Weise auf den Vertragsabschluss hinwirkt oder diesem zustimmt.

Grund für die Zahlung des überhöhten Mietzinses oder Kaufpreises durch die GmbH an den Ehegatten oder Bruder ist in einem solchen Fall das bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter. Dies gilt auch, wenn mehrere Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind und zumindest einer bei der Vereinbarung zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat. Ist ein Gesellschafter über eine Muttergesellschaft an der GmbH beteiligt, gelten die Rechtsgrundsätze entsprechend, wenn er an dem Vertragsabschluss zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

In diesen Fällen kann jedoch der Gesellschafter selbst Schenker i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein. Ob tatsächlich eine Schenkung zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegt, hängt von der Ausgestaltung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung ab. Hier sind verschiedene Gestaltungen denkbar (z.B. Schenkungsabrede, Darlehen, Kaufvertrag). Hierüber hatte der BFH in den Streitfällen nicht abschließend zu entscheiden.

Bei einem Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren muss die Vorgeschichte aller äußeren Umstände in das Gutachten bezüglich einer Testierunfähigkeit einbezogen werden

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 23.01.2018 – 20 W 4/16
Zu den Anforderungen an ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren zur Frage der Testierfähigkeit bei möglicher vaskulär bedingter Demenz und gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passagaren Zusatzsymptomen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschl. v. 23.01.2018

Az.: 20 W 4/16

Tenor:

Die Sache wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Wiesbaden – Nachlassgericht – zurückverwiesen.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, wer die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu tragen hat.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) wendet sich mit der am 28.10.2015 bei dem Nachlassgericht eingegangenen Beschwerdeschrift ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag gegen den diesen am 29.09.2015 zugestellten Beschluss des Nachlassgerichts vom 31.08.2015.

Mit diesem Beschluss, auf den wegen seiner Begründung Bezug genommen wird (Bl. 429 ff der Nachlassakte), hat das Nachlassgericht zum einen den am 24.05.2013 zu Protokoll des Nachlassgerichts erklärten Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) (Bl. 122 f der Nachlassakte) zurückgewiesen, mit dem diese unter Bezugnahme auf das am 22.11.2012 eröffnete notarielle Testament der Erblasserin vom 18.10.2012 (Urkunde des Notars A Nr. …, Bl. 89 ff der Nachlassakte) die Erteilung eines Erbscheins begehrt, der sie als alleinige Erbin der Erblasserin ausweist. Zum anderen hat das Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) unter dem 05.06.2013 (Bl. 149 ff der Nachlassakte) in der Fassung vom 20.08.2015 (Bl. 424 ff der Nachlassakte) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Danach soll die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden sein durch den Beteiligten zu 2) zu 2/3, die Beteiligte zu 3) zu 1/6 sowie die Beteiligten zu 4) und 5) zu jeweils 1/12.

Wegen der familiären Verhältnisse der kinderlos verstorbenen Erblasserin und deren Lebenssituation in den letzten Jahren vor ihrem Tod im Einzelnen wird auf die umfassende Darstellung in dem angefochtenen Beschluss des Nachlassgerichts verwiesen (dort S. 2).

Die zweimal verheiratet gewesene Erblasserin hat nach Heirat mit ihrem zweiten Ehemann am 12.05.1972 ein auf den 01.08.1972 datiertes gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu alleinigen Erben ihres Vermögens eingesetzt haben und weiterhin verfügt haben: „Nach dem Tode des Längstlebenden soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten“ (Bl. 13 der Nachlassakte).

Dieses Testament ist ebenfalls am 22.11.2012 nach dem Tod der Erblasserin nochmals eröffnet worden.

Der am XX.06.1984 vorverstorbene zweite Ehemann der Erblasserin hatte zuvor mit seiner ersten Ehefrau am 03.11.1966 ein nach dessen Tod nochmals eröffnetes, auf den 03.11.1966 datiertes handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 4 der Nachlassakte), das denselben Wortlaut hat, wie das zuvor genannte gemeinschaftliche, auf den 01.08.1972 datierte handschriftliche Testament.

Das Nachlassgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Erblasserin bei der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 zwar in ihrer Testierfreiheit nicht durch das mit ihrem vorverstorbenen Ehemann am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament in ihrer Testierfreiheit beschränkt gewesen sei, da die in dessen inhaltsgleichem gemeinschaftlichen Testament mit seiner vorverstorbenen ersten Ehefrau vom 03.11.1966 angeordnete gesetzliche Schlusserbfolge zu Gunsten deren gemeinsamen Abkömmlings wechselbezüglich zu der jeweiligen Alleinerbeneinsetzung der damaligen Eheleute gewesen sei, so dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin diese Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod seiner ersten Ehefrau nicht mehr habe widerrufen können. Somit sei die wechselseitige Erbeinsetzung der Erblasserin und ihres vorverstorbenen zweiten Ehemanns in dem gemeinschaftlichen Testament vom 01.08.1972 unwirksam. Die Erblasserin sei daher nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes an die in deren gemeinschaftlichem Testament vom 01.08.1972 nach dem Längstlebenden angeordnete gesetzliche Erbfolge nicht gebunden gewesen und habe anderweitig letztwillig verfügen dürfen. Allerdings sei die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 18.10.2012 nicht mehr testierfähig gewesen. Wegen der Begründung der vom Nachlassgericht angenommenen Testierunfähigkeit im Einzelnen, wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Weiterhin wird verwiesen auf den Inhalt des Protokolls der Anhörung und Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 25.07.2014 über die Vernehmung der Zeugen B, Rechtsanwalt und Notar A, C und D sowie der Anhörung der Beteiligten zu 1) (Bl. 250 ff der Nachlassakte), den Inhalt des Protokolls der Beweisaufnahme des Nachlassgerichts vom 17.10.2014 über die Vernehmung des ehemaligen Hausarztes der Erblasserin, des Zeugen E (Bl. 315 ff der Nachlassakte), das Gutachten des vom Nachlassgericht zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 bestellten Sachverständigen F vom 01.03.2015 (Bl. 338 ff der Nachlassakte), sowie auf den „Sonderband“ des Nachlassgerichts zur Nachlassakte (nachfolgend nur: Sonderband), in dem sich u.a. auszugsweise Kopien aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts Wiesbaden im Hinblick auf ein vorläufiges Betreuungsverfahren für die Erblasserin (Az.: …) befinden, so insbesondere 3 fachärztliche Gutachten des hiesigen Zeugen B vom 16.01.2012 (Bl. 3 ff des Sonderbandes), vom 12.06.2012 (Bl. 40 ff des Sonderbandes) und vom 18.06.2012 (Bl. 62 ff des Sonderbandes), sowie Kopien weiterer Arztberichte (Bl. 84 bis 123 des Sonderbandes).

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) haben vor dem Nachlassgericht in ihrem Schriftsatz vom 06.05.2013 (Bl. 124 ff der Nachlassakte) die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei nicht gehindert gewesen, eine erneute Verfügung von Todes wegen zu treffen. Das gemeinschaftliche Testament vom 01.08.1972 beinhalte jedenfalls hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung keine wechselbezügliche Verfügung.

Einziges Motiv sei gewesen, sich gegenseitig als Erben einzusetzen. Weiterhin haben sie bereits vor der angefochtenen Entscheidung des Nachlassgerichts die Auffassung vertreten, eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 18.10.2012 sei nicht nachgewiesen; es bestünden keine Zweifel daran, dass die Erblasserin testierfähig gewesen sei und eine freie und unbeeinflusste Entscheidung getroffen habe (auf deren diesbezügliche Schriftsätze vom 19.02.2014, Bl. 188 der Nachlassakte, vom 19.05.2014, Bl. 209 ff der Nachlassakte, und vom 08.04.2015, Bl. 391 ff der Nachlassakte wird Bezug genommen). In der Beschwerdebegründung vom 09.12.2015, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 486 ff der Nachlassakte), gehen die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) ausschließlich auf die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin ein und begründen, wieso das Nachlassgericht nach deren Ansicht zu Unrecht von einer Testierunfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 ausgegangen sei. In ihrem Schriftsatz an den Senat vom 29.01.2016 (Bl. 506 f der Nachlassakte) habe sie drei weitere Zeugen benannt für Umstände, die nach ihrer Auffassung die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin dokumentieren würden, da sie aufzeigen könnten, dass die Erblasserin ihre Angelegenheiten bis zu ihrem Tod selbst gehörig erledigt habe. Für den Fall, dass das Nachlassgericht den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt habe, haben sie weiterhin einen Zurückverweisungsantrag an das Nachlassgericht gestellt.

Der Beteiligte zu 2) verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts, diese sei eindeutig, nachvollziehbar und vor allem fachlich fundiert.

Erstinstanzlich hatte er vor Kenntnisnahme von dem Ehegattentestament des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin vom 03.11.1966 zunächst die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei bereits durch das Ehegattentestament vom 01.08.1972 gebunden gewesen, so dass sie an der Errichtung des Testaments vom 18.10.2012 gehindert gewesen sei. Nachfolgend hat er aber auch die Testierfähigkeit der Erblasserin zum 18.10.2012 in Frage gestellt und hilfsweise die Einholung eines „fachärztlichen Aktengutachtens“ beantragt (Schreiben vom 13.08.2013, Bl. 163 der Nachlassakte) sowie dem eingeholten Sachverständigengutachten, mit Ausnahme zweier textlicher Korrekturen, inhaltlich zugestimmt (Schreiben vom 14.03.2015, Bl. 385 der Nachlassakte). Weiterhin wird Bezug genommen auf die Schreiben des Beteiligten zu 2) an das Nachlassgericht vom 25.04.2015 (Bl. 396 f der Nachlassakte) und vom 01.11.2015 (Bl. 461 f der Nachlassakte), sowie dessen Schreiben an den Senat vom 21.01.2016 (Bl. 503 der Nachlassakte) und vom 06.02.2016 (Bl. 508 der Nachlassakte).

Die Beteiligten zu 3) bis 5) haben im Verfahren der Beschwerde keine Stellungnahmen abgegeben.

Letztlich wird Bezug genommen auf sämtliche zur Nachlassakte gereichten Stellungnahmen und Urkunden.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Die Beteiligte zu 1) ist als mögliche testamentarische Erbin der Erblasserin durch die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrags und die Feststellung der zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins möglicherweise in ihrem eigenen Erbrecht beeinträchtigt (§ 59 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 63, 64 FamFG).

Die Beschwerde hat auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang in der Sache vorerst Erfolg.

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Nachlassgerichts und des Verfahrens ist dieses zur weiteren Sachbehandlung und neuerlichen Entscheidung an das Nachlassgericht zurückzuverweisen, da das Verfahren des Nachlassgerichts an einem wesentlichen Mangel leidet, zur Entscheidung eine umfangreiche weitere Beweiserhebung notwendig ist und die Beteiligte zu 1) die Zurückverweisung an das Nachlassgericht beantragt hat (§ 69 Absatz 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 FamFG).

Allerdings geht das Nachlassgericht zunächst im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Erblasserin nicht durch das am 01.08.1972 errichtete gemeinschaftliche Testament mit ihrem vorverstorbenen Ehemann an der Errichtung ihres notariellen Testaments vom 18.10.2012 gehindert war, was im Verfahren der Beschwerde auch von dem Beteiligten zu 2) nicht mehr gegenteilig vertreten worden ist. Mangels jeglicher Anhaltpunkte für eine anderweitige Testamentsauslegung muss davon ausgegangen, dass der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin an das von diesem mit seiner ersten Ehefrau errichtete Ehegattentestament vom 03.11.1966 gebunden war, mit der Folge der Nichtigkeit der im Ehegattentestament vom 01.08.1972 erfolgten und im Wechselbezug mit der nichtigen Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann stehenden Erbeinsetzung dessen gesetzlicher Erben durch die Erblasserin (§§ 2270, Abs. 1 und 2 BGB). Ob dann allerdings – wie das Nachlassgericht offensichtlich meint – auch die von der Erblasserin in dem Ehegattentestament weiterhin getroffene Anordnung der gesetzlichen Erbfolge ihrer von diesem Wechselbezug nicht betroffenen eigenen gesetzlichen Erben ebenfalls unwirksam geworden ist, mit der Konsequenz der gesetzlichen Erbfolge nach der Erblasserin, oder ob das Nachlassgericht hier nicht vielmehr gehalten gewesen wäre, zu prüfen, ob die Erblasserin diese Erbeinsetzung als Einzeltestament hätte aufrecht erhalten wollen, muss der Senat vorliegend nicht entscheiden. Auch dann würde sich im Ergebnis materiell die gesetzliche Erbfolge nach der Erblasserin – allerdings aufgrund testamentarischer Anordnung – ergeben, was aber für den Inhalt des zu erlassenden Erbscheins ohne Belang ist, da der Berufungsgrund jedenfalls dann, wenn ein einzelner Erbe nicht zu unterschiedlichen Quoten aus verschiedenen Gründen berufen ist, im Erbschein nicht anzugeben ist (vgl. Zimmermann, Erbschein, Erbscheinsverfahren, Europäisches Nachlasszeugnis, 3. Aufl. 2016, Rn. 329 m.w.N.)

Der wesentliche Mangel liegt hier aber in der Verletzung der in § 26 FamFG normierten gerichtlichen Aufklärungspflicht durch das Nachlassgericht, soweit dieses auf Basis der bislang angestellten Ermittlungen bereits zu dem Ergebnis gekommen ist, die Erblasserin sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 18.10.2012 testierunfähig gewesen. Die Entscheidung des Nachlassgerichts beruht auch auf diesem Verfahrensmangel, da sich die Möglichkeit einer im Ergebnis anderen Entscheidung nach durchgeführter weiterer Aufklärung durch Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens und gegebenenfalls dabei erforderlicher weiterer Sachverhaltsaufklärung nicht ausschließen lässt. Da eine Durchführung der zur Beurteilung der Testierfähigkeit noch erforderlichen weiteren Aufklärung durch den Senat als Beschwerdegericht faktisch dem Verlust einer Instanz für die Beteiligten gleichkommen würde (vgl. Sternal in Keidel, 19. Aufl., 2017, § 69 Rn. 15b, m.w.N. zur Rspr.), hält der Senat eine Zurückverweisung der Verfahrens für erforderlich.

Im Erbscheinsverfahren hat das Nachlassgericht Zweifel, die auf konkreten Umständen und dargelegten Auffälligkeiten beruhen, ohne Bindung an den Vortrag der Beteiligten von Amts wegen zu prüfen (§ 26 FamFG, § 2358 BGB a.F.). Für die Durchführung von Ermittlungen durch das Gericht, insbesondere durch eine Beweisaufnahme, ist dabei nicht zu verlangen, dass die Beteiligten entsprechend der für den Zivilprozess geltenden Grundsätze Beweis antreten müssen; vielmehr genügt es, dass der Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel durch die Beteiligten dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtungen es seine Ermittlungen durchführen kann. Die richterliche Aufklärungspflicht ist dabei dann verletzt, wenn Ermittlungen und Aufklärungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind. Dabei sind die Ermittlungen und Aufklärungen erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Außerdem sind bei der Ermittlung der Testierfähigkeit im Hinblick auf deren Tragweite besonders sorgfältige Untersuchungen geboten, die unter anderem eine Einbeziehung der Vorgeschichte und aller äußeren Umstände voraussetzt (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 22.12.1997, Az. 20 W 264/95, zitiert nach Beck-online, m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.04.2015, Az. 11 Wx 82/14, zitiert nach juris).

Diesen Anforderungen wird das vorliegende Verfahren des Nachlassgerichts nicht gerecht. Das Nachlassgericht durfte seine Entscheidung nämlich nicht – wie es dies getan hat – auf das Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen F vom 01.03.2015 stützen.

Für die Feststellung einer Testierunfähigkeit ist zunächst von der folgenden Rechtslage auszugehen, die das Nachlassgericht auch erkannt hat:

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dabei gilt als testierunfähig derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, also von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht nur darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments oder von dessen Inhalt oder Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln (vgl. u.a. bereits BGH, Urteil vom 29.01.1958, Az. IV ZR 251/57; BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, Az. 1Z BR 53/04; OLG München, Beschluss vom 14.08.2007, Az. 31 Wx 16/07, jeweils zitiert nach juris). Dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte (BayObLG, a.a.O. und OLG München, jeweils a.a.O., m.w.N.). Es gibt auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (vgl. u.a. Weidlich in Palandt, a.a.O., § 2229 Rn. 1 m.w.N.).

Das vom Nachlassgericht eingeholte Sachverständigengutachten des F (nachfolgend nur: der Sachverständige) reicht jedoch nicht aus, um bereits die Testierunfähigkeit der Erblasserin feststellen zu können.

Wie oben bereits dargelegt, ist im Rahmen der Ermittlung der Testierfähigkeit im Hinblick auf deren Tragweite eine besonders sorgfältige Untersuchung geboten. Diesen Anforderungen muss auch und gerade das zu dieser Frage eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten genügen.

Dies ist vorliegend leider nicht der Fall.

Das erstellte Gutachten des Sachverständigen erweist sich vielmehr als derart unsorgfältig und lückenhaft, dass es das Nachlassgericht nicht zur maßgeblichen Grundlage seiner Feststellung der Testierunfähigkeit der Erblasserin machen durfte. Dieses Gutachten folgt damit in seiner Qualität leider anderen Begutachtungen dieses Sachverständigen, wie sie dem Senat in jüngerer Vergangenheit auch in anderen Beschwerdeverfahren vorgelegen haben.

So fällt bereits auf, dass der Sachverständige auf Seite 60 seines Gutachtens darlegt: „Das von Herrn G angeführte Medikament hat den Wirkstoff Alprazolam“. Eine derartige Person ist dem Senat im vorliegenden Verfahren schon nicht bekannt. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Zeuge E mitgeteilt hat, bei dem von der Erblasserin eingenommenen Benzodiazepin habe es sich um Lexotanil gehandelt, dessen Wirkstoff ausweislich allgemein einsehbarer Nachschlagwerke nicht Alprazolam sondern Bromazepam ist. Zum anderen ergibt sich auch aus dem im Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht Wiesbaden (Az. …) für die Erblasserin eingeholten Gutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 (dort S. 8, Bl. 47 des Sonderbandes), dass die Erblasserin das Benzodiazepin Oxazepam eingenommen habe, dessen Wirkstoff ausweislich allgemein einsehbarer Nachschlagwerke ebenfalls nicht Alprazolam sondern Oxazepam ist. Somit befassen sich die weiteren Ausführungen des Sachverständigen auf Bl. 60, 61 seines Gutachtens offensichtlich schon nicht mit dem vorliegenden Sachverhalt.

Selbst wenn es sich wohl nur um eine Verwechslung im Namen handelt, erwähnt der Sachverständige dann an anderer Stelle seines Gutachtens eine „Frau H“ hinsichtlich der zu diskutieren sei, ob ihre Testierfähigkeit aufgehoben sei (S. 74 des Gutachtens).

Schon diese beiden Umstände belegen eine oberflächliche Handhabung der vorliegenden Begutachtung, die dem Gebot einer besonders sorgfältigen Untersuchung nicht gerecht werden.

Auch in der von dem Sachverständigen seiner Diagnose eines „schweren kognitiven Verfalls“ der Erblasserin (Seite 69 des Gutachtens) zu Grunde gelegten Sachverhaltsdarstellung ab Seite 65 des Gutachtens ergeben sich weitere Ungenauigkeiten und Auslassungen, die den Anforderungen an eine besonders sorgfältige Untersuchung nicht gerecht werden. Beispielsweise stellt der Sachverständige dort dar, seitens des Hausarztes und Zeugen E sei beschrieben worden, dass die Erblasserin bereits im Jahre 2010 „deutliche“ Defizite in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit aufgezeigt habe und für ihn als langjährig betreuender Hausarzt eine „deutliche“ dementielle Entwicklung bemerkbar gewesen sei. In der protokollierten Aussage des Zeugen heißt es jedoch: „Im Jahr 2010 habe ich bei Frau I bereits gewisse Defizite im Hinblick auf eine dementielle Entwicklung bemerkt“. Ebenso verhält es sich mit der Darstellung des Sachverständigen, der Zeuge E habe dargestellt, dass dann auch die immer sehr gute Fassade im Jahr 2011 „deutlich“ gebröckelt wäre, während der Zeuge ausweislich des Protokolls ausgesagt hat, „bröckelte ihre Fassade zunehmend“ bzw. „in den Zeitpunkten, in denen sie sich im Delir befand – sei es aufgrund von Entzugserscheinungen oder unzureichender Flüssigkeitszufuhr – war sie nicht mehr in der Lage, die ansonsten noch recht gute Fassade zu halten“. Auch die Feststellung des Sachverständigen, wonach der Zeuge E erklärt habe, in diesen Situationen sei die Erblasserin dann vollständig desorientiert zur Tageszeit gewesen und nur teilweise orientiert zur Person, ist gegenüber der Protokollierung der Aussage dahingehend ungenau, dass der Zeuge die Personendesorientierung lediglich auf seine eigene Person bezogen hat und nicht auf die Person der Erblasserin selbst; dies hat der Zeuge E dann später noch einmal deutlicher dahingehend erklärt, dass die Erblasserin zur Person und zum Ort, an dem sie sich aufhielt, in diesen Situationen allerdings meistens orientiert gewesen sei. Auch die Feststellungen des Sachverständigen, der Zeuge E habe die Erblasserin als „ehemals“ elegante und auf ihr Äußeres bedachte Dame beschrieben, findet sich so in dem Wortlaut des Sitzungsprotokolls nicht. Nur in dem vorausgegangenen ärztlichen Attest des E vom 15.04.2014 (Bl. 197 f der Nachlassakte) heißt es: „Daher ist mir ein rascher und tiefgreifender Verfall einer sehr eleganten, auf ihr Äusseres bedachten und aus meiner Sicht gebildeten, eloquenten und eleganten Dame in Erinnerung“ (Sitzungsprotokoll dann: „In all diesen Jahren habe ich sie als ausgesprochen eloquente und gepflegte Person erlebt. Umso erschütternder war ihr Abbau in den letzten beiden Jahren vor ihrem Tod“). Der Sachverständige zitiert in diesem Zusammenhang aber nicht, dass der Zeuge E auch ausgesagt hat, dass die Erblasserin trotz ihrer Defizite bis zum Schluss eine „eitle Frau“ geblieben sei, die sich immer noch habe schminken lassen, und bewertet folglich auch nicht, was dieser Umstand für seine Begutachtung möglicherweise bedeuten könnte. Weiterhin findet sich in dem Gutachten beispielsweise auch keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von dem Zeugen E geschilderten Situationen, in denen die Erblasserin ihm unbekleidet die Tür geöffnet hat – sich nach der entsprechenden eigenen Wertung des Sachverständigen also „schamlos“ gezeigt hat – nicht lediglich auf die Situationen beschränkt war, in denen der Zeuge E dann auch eine entsprechende Desorientierung zur Tageszeit und teilweise zu seiner Person im Zusammenhang damit festgestellt hat, dass die Erblasserin zu wenig getrunken und gegessen hatte, bzw. ihr Lexotanil nicht eingenommen hatte. Für letzteren Zusammenhang sprechen jedenfalls die protokollierten Darlegungen des Zeugen. Insofern erschließt es sich dem auch Senat nicht, inwieweit dieses von dem Zeugen geschilderte Verhalten dann noch als Grundlage der weiteren gutachterlichen Ausführungen zur Diagnose eines schweren kognitiven Verfalls bei vaskulärer Demenz und – dort unausgesprochen – für die von dem Sachverständigen bejahte pathologische Persönlichkeitsveränderung bzw. als maßgebliche überdauernde Verhaltensauffälligkeit hätte herangezogen werden können. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit dieser Aussage des Zeugen findet sich in dem Gutachten jedenfalls nicht. Ein weiteres Beispiel der unsorgfältigen Begutachtung durch den Sachverständigen ergibt sich aus dessen Hinweis, der Zeuge C habe im Rahmen der Aufenthalte im Juni 2012 dokumentiert, dass sich der Zustand der Erblasserin „dramatisch“ verschlechtert habe. Auch diese Art der Bezugnahme durch den Sachverständigen wird der protokollierten Aussage des Zeugen nicht gerecht und legt nahe, dass der Zeuge insoweit auf eine generelle „dramatische“ Verschlechterung hingewiesen habe. Ausweislich des Protokolls ergibt sich demgegenüber jedoch, dass die Aussage des Zeugen C zur „dramatischen“ Verschlechterung ihres Gesamtzustandes auf den Tag der Klinikeinweisung im Juni 2012 bezogen war.

Nachfolgend hat er dann dargelegt, insgesamt wolle er aber zu dem körperlichen und geistigen Zustand der Erblasserin in diesen 6 Monaten ausführen, dass sich „ihr körperlicher Zustand und insbesondere ihre Beweglichkeit zunehmend erheblich verschlechtert“ hätten, ihr „Geisteszustand“ „schwankend“ gewesen sei.

Unsachgemäß ist es weiterhin – wie auch bereits in anderen, dem Senat bekannt gewordenen Gutachten des Sachverständigen – zur Begründung auf wissenschaftliche Quellen hinzuweisen, ohne diese im Einzelnen zu spezifizieren. So weist der Sachverständige vorliegend beispielsweise auf „Habermeier, Saß und Cording“ hin (Seite 72 des Gutachtens), oder legt dar: „Entsprechend wird man Konstellationen wie Gedächtnis, Orientierung, Urteilsvermögen und Problemlösen, gesellschaftliche Aktivitäten und Körperpflege in Anlehnung an die Clinical Dementia Rating Scale nach Berg zu diskutieren haben, wie natürlich auch das kognitiven Verfallsstadium nach Reisberg und Mitarbeitern hier eine entsprechende Wertigkeit und Wichtigkeit erhält“ (Seite 64 des Gutachtens), bzw.: „Fasst man dies nun in die Qualifikationsmerkmale der Stadien des kognitiven Verfalls nach Reisberg und Mitarbeiter und ihren klinischen Entsprechungen, so wird man hier von einem schweren kognitiven Verfall auszugehen haben“ (Seite 69 des Gutachtens). Diese Vorgehensweise verhindert es, die sachverständige Beurteilung nachvollziehen zu können, was Voraussetzung für die gerichtliche Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens ist. So führte diese Unklarheit hier beispielsweise dazu, dass der Senat im Rahmen einer Internetrecherche feststellen musste, dass jedenfalls die „Reisbergskala“, die der Sachverständige hier möglicherweise in Bezug nehmen wollte, wohl Schweregrade bei einer vorliegend von dem Sachverständigen gerade verneinten Alzheimer-Krankheit beschreibt.

Weiterhin hat der Sachverständige zwar auf Seite 64 seines Gutachtens erklärt, dass es sich bei einer Demenz vom Alzheimertyp um eine solche mit chronisch-progredienter Verlaufsform handele. Zum Verlauf der von ihm im vorliegenden Fall diagnostizierten vaskulären Demenz hat der Sachverständige jedoch keinerlei Ausführungen zu deren Verlaufsform gemacht, was nach Ansicht des Senats bei dieser Diagnose zwingend erforderlich gewesen wäre. So hat beispielsweise das OLG München in seinem Urteil vom 17.07.2013 (Az. 3 U 4789/09, zitiert nach juris) auf eine dortige Sachverständigenäußerung abgestellt, wonach der dortige Sachverständige sich auch im Hinblick auf die Problematik der Beweisbarkeit einer Testierunfähigkeit mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob bei der dortigen Erblasserin eine vaskuläre Demenz möglich bzw. wahrscheinlich sei bzw. eine Mischform (zwischen vaskulärer und rein metabolisch bedingter Alzheimer-Demenz) vorliege, weil bei derartigen Konstellationen dann auch Fluktuationen möglich gewesen wären, die bedeuten würden, dass auch in einer besonders neurologisch guten Verfasstheit ein Testament hätte errichtet worden sein können. Auch der Zeuge B – immerhin auch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie – hat in seinem Betreuungsgutachten vom 16.01.2012, festgestellt, dass bei einer vaskulären Demenz die kognitiven Defizite häufig flukturieren (S. 26 des dortigen Gutachtens, Bl. 28 der Sonderbandes).

Der vorliegende Fall bedarf auch deswegen einer besonders sorgfältigen Begutachtung, weil die möglicherweise aufgrund der vom dem Sachverständigen bejahten vaskulären Demenz der Erblasserin entstandenen Dauerveränderungen von den gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passageren Zusatzsymptomen (Delire, Exsikkosen, Entzugserscheinungen aufgrund Nichteinnahme des Benzodiazepins) abzugrenzen sind bzw. im Hinblick darauf, welche Symptome der Erblasserin alleine Ausdruck einer festzustellenden Dauerveränderung waren oder aber ausschließlich oder teilweise der passageren Zusatzsymptome und welche Wechselwirkungen dabei möglich waren. Gerade, da hier nach der Sachlage wohl nicht von einer sicheren dauerhaften Einnahme des Benzodiazepins und einer dauerhaften Versorgung mit ausreichend Flüssigkeit ausgegangen werden kann, bedurfte es einer wesentlich eingehenderen entsprechenden Begutachtung. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit verschiedene, der Abhängigkeits- bzw. Minderversorgungsproblematik geschuldete auffällige Verhaltensweisen der Erblasserin als solche Symptome einer überdauernden Demenz (fehl-) interpretiert worden sein könnten, und ob Letztere deswegen möglicherweise – auch von den Zeugen – als stärker wahrgenommen worden sein könnte, als sie tatsächlich bei einer ordnungsgemäßen Einnahme des Benzodiazepins und bei ordnungsgemäßer Zufuhr von Flüssigkeit gewesen ist. Diese Möglichkeit musste gerade im Hinblick auf die Ergebnisse der verschiedenen Mini-Mental-State Tests (nachfolgend: MMST) diskutiert werden, die im ersten Halbjahr 2012 bei der Erblasserin erhoben worden sind, und im Gutachten schon daher einer eingehenden Einordnung bedurft hätten (vgl. noch nachfolgend in diesem Beschluss). Dies gilt unabhängig davon, dass – worauf auch der Sachverständige hingewiesen hat – allerdings wohl tatsächlich keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Testaments am 18.10.2012 unter den von dem Gutachter allgemein dargestellten schweren Absatzphänomenen gelitten haben dürfte, da diese dann ohne weiteres dem beurkundenden Notar, dem Zeugen Klein, hätten auffallen müssen.

Es reicht also nicht aus, wenn der Sachverständige, ohne auf die zuvor dargelegten Besonderheiten einzugehen, in diesem Zusammenhang auf Seite 70 seines Gutachtens erklärt, dass neben der Demenz natürlich im Rahmen der persönlichen Mangelversorgung es immer wieder zu akuten gesundheitlichen Verschlechterungen gekommen sei durch mangelhafte Flüssigkeitszufuhr und dann daraus resultierenden akuten Verwirrtheitszuständen und deliranten Symptomen, in Verbindung dann auch mit der Benzodiazepin Entzugssymptomatik. Genauso wenig reicht seine Feststellung aus, diese Auffälligkeiten hätten „natürlich vom dementiellen Syndrom abgegrenzt werden“ müssen, weshalb „die unterschiedlichen Betrachtungsebene jeweils hier diskutiert worden“ seien. Die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen beziehen sich jeweils gesondert auf die einzelnen „Betrachtungsebenen“, ohne mögliche Überschneidungen und deren Auswirkungen auf das Gutachtenergebnis zu problematisieren. Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich einer Abgrenzung zu einer Altersdepression, die wiederum in ihren Auswirkungen möglicherweise Einfluss auf die bei der Erblasserin wahrgenommenen Verhaltensänderungen haben konnte, was jedoch ohne gründliche sachverständige Begutachtung durch ein Gericht nicht beurteilt werden kann. Jedenfalls der Zeuge E hat in seiner Vernehmung angegeben: „Im Nachhinein würde ich auch sagen, dass sie (die Erblasserin) an einer Depression gelitten hat. Sie hat ihren Lebensmut immer wieder mal verloren.“. Auch in seinem schriftlichen Attest vom 15.04.2014 (Bl. 195 d.A.) hatte dieser Zeuge dargelegt: „Ihren Lebensmut hatte aus meiner Sicht Frau I bereits zwei Jahre zuvor verloren und schon damals hat die Patientin immer wieder notwendige ärztliche Untersuchungen verweigert und auf den Wunsch nach einem eher palliativ orientierten medizinischen Konzept hingewiesen“. Der Sachverständige setzt sich jedoch auch hier nicht damit auseinander, inwieweit von den Zeugen geschilderte Umstände und Verhaltensweisen der Erblasserin, die dann im Gutachten wiederum zur Begründung der mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit angenommenen Testierunfähigkeit der Erblasserin herangezogen worden sind, auch durch die möglicherweis vorliegende Altersdepression bestimmt gewesen sein können und dann als Ausdruck einer fortschreitenden demenziellen Entwicklung (fehl-) interpretiert worden sein können.

Wie oben bereits dargelegt, wäre es im vorliegenden Fall auch erforderlich gewesen, die Ergebnisse der verschiedenen MMST, die im ersten Halbjahr 2012 von der Erblasserin erhoben worden sind, eingehender zu berücksichtigen und einzuordnen.

So ergibt sich ein Wert von 21 Punkten des MMST im Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 16.01.2012 aufgrund einer Untersuchung am 11.01.2012 (S. 16 dieses Gutachtens, Bl. 18 des Sonderbandes; dort im Ergebnis als mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom bewertet, in der Aussage des Zeugen B in der Vernehmung vor dem Nachlassgericht dann jedoch als „leichtes jedoch eher mittelschweres hirnorganisches Psychosyndrom“ bewertet).

Weiterhin ergibt sich aus dem Bericht des Zentrums für Internistische und Geriatrische Medizin (Mobile Rehabilitation der Erblasserin vom 31.01. bis 15.03.2012) vom 15.03.2012 an den Hausarzt der Erblasserin, den Zeugen E, das Ergebnis eines weiteren MMST bei dortiger Aufnahme von 26 Punkten (Bl. 99, 100 des Sonderbandes). Dabei fällt auf, dass der Sachverständige nicht einmal im Rahmen seiner Aktenzusammenfassung dieses Testergebnis erwähnt hat, was ebenfalls für eine unsorgfältige Untersuchung spricht.

Aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 aufgrund einer Untersuchung am 04.06.2012 ergibt sich dann ein Wert von 27 Punkten (S. 9, 10 dieses Gutachtens, Bl. 48, 49 des Sonderbandes; in der Aussage des Zeugen B vor dem Nachlassgericht dann: „…weshalb ich von meiner Diagnose her ein nunmehr nur noch leichtes hirnorganisches Psychosyndrom auf der Grundlage einer vermutlich vaskulären Ursache annahm“; bei der dortigen Untersuchung sprach im Übrigen auch der Uhrentest nach Shulmann für das Vorliegen eines leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndroms).

Aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 18.06.2012 aufgrund einer Untersuchung am 14.06.2012 ergibt sich dann ein Wert von 21 Punkten (S. 12 dieses Gutachtens, Bl. 73 des Sonderbandes, dort bezeichnet als leichtes bis mittelgradiges hirnorganisches Psychosyndrom).

Letztlich ergibt sich aus dem Arztbrief der Klinik2 vom 21.06.2012 unter Bezugnahme auf eine Erhebung vom 20.06.2012 ein entsprechender Wert von 24 Punkten (Bl. 84 ff des Sonderbandes).

Unter Berücksichtigung allgemein zugänglicher Quellen, die der Senat hier mangels entsprechender Angaben des Sachverständigen in seinem Gutachten zu Rate ziehen musste, ist jedenfalls davon auszugehen, dass erst bei Punktwerten im MMST von unter 18 ein Anhalt für das Vorliegen einer mittelschweren Demenz geben ist, und erst bei Punktwerten von 26 oder darunter für das Vorliegen einer leichten Demenz.

Auch wenn – was der Senat wiederum mangels jeglicher entsprechender Auseinandersetzung im vorliegenden Gutachten aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 16.01.2012 (a.a.O.) entnommen hat – ein MMST bei vaskulären Demenzen möglicherweise nicht so gut zur Einschätzung der Demenz geeignet sein könnte, wie bei einer Demenz vom Alzheimer Typ, bewegen sich diese Werte, die auch von dem Zeugen B letztlich trotz auch von ihm schon vermuteter Diagnose einer vaskulären Demenz erhoben worden sind, sämtlich im Bereich einer lediglich leichten Demenz; selbst die zeitnah zu den aufgrund eskalierter Ereignisse erfolgten Krankenhausaufnahmen im Dezember 2011 und Juni 2012 erhobenen Werte liegen noch bei 21 Punkten.

Gerade auch der Umstand, dass sich die Testergebnisse zwischenzeitlich immer wieder auf einen Stand von 24, 26 und 27 Punkten verbessert haben, hätte einer besonderen Erläuterung durch den Sachverständigen im Hinblick auf die von ihm bejahte dementielle Entwicklung mit einem „schwerem kognitiven Verfall“ bedurft (vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2013, Az. 10 W 114/12, zitiert nach juris, Rn. 30, wo der dortige Sachverständige erklärt hat, es sei auffällig, dass die dortige Erblasserin ihr Testergebnis im Vergleich zum Jahr 2007 sogar verbessert habe, was mit einem normalen Demenzverlauf nicht zu erklären sei).

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung bei Vorliegen einer mittelgradigen vaskulären Demenz mit erheblicher Störung des Kurzzeitgedächtnisses und des Zusammenhang orientierten Denkens eine Testierunfähigkeit bejaht worden ist (BayObLG, Beschluss vom 30.06.2005, Az.: 1Z BR 100/04, zitiert nach juris; entsprechend zur mittelgradigen Demenz vom Alzheimertypus mit Phasen der Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit: OLG München, Urteil vom 17.07.2013, Az.: 3 U 4789/09, zitiert nach juris). Das OLG Düsseldorf weist in ständiger Rechtsprechung allerdings darauf hin, dass alleine vom Vorliegen einer Demenzerkrankung auch mittleren Grades nicht ohne weiteres auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden könne (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.11.2010, Az. I-3 Wx 40/10, m.w.N., und Beschluss vom 04.04.2014, Az.: I-3 Wx 115/13, jeweils zitiert nach juris). Entsprechend weist Weidlich in Palandt, 76. Aufl., 2017, § 2229, Rn. 9, darauf hin, es sei nur eine grobe Faustregel, dass eine mittelschwere Demenz eine durchgehende Testierunfähigkeit bedinge und verweist insoweit auf Cording, ZEV 2010, 115, ff, 116, der weiterhin darlegt, es sei ein Missverständnis, dass nur ab einer mindestens mittelschweren Demenz Testierunfähigkeit angenommen werden könne, dann aber stets, und der weiterhin darauf hinweist, dass es letztlich immer auf die individuelle Psychopathologie ankomme, also auf die zweite Beurteilungsebene. Demgegenüber weisen Wetterling u.a. (ZEV 1995, 46 ff, 47, 48) darauf hin, dass eine Testierunfähigkeit bei einer mittelschweren Demenz als gegeben anzunehmen sei, da bei diesem Grad des Gedächtnisverlustes bzw. von Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten davon auszugehen sei, dass der Betroffene nicht mehr uneingeschränkt in der Lage sei, einen Willen zu bilden, aufgrund der intellektuellen Beeinträchtigungen nur noch eingeschränkt in der Lage sei, die Tragweite der letztwilligen Verfügung zu erfassen und deren Auswirkungen auf die Betroffenen zu berücksichtigen, auf fremde Hilfe angewiesen und mit seinem Urteil nicht mehr frei von Einflüssen Dritter sei, wobei daneben bei der Beurteilung auch Persönlichkeitsveränderungen und die Einschränkung lebenspraktischer Fähigkeiten zu berücksichtigen seien. Auch Venzlaff/Förster (Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., Seite 517) gehen davon aus, dass dann, wenn ein leichtes demenzielles Syndrom vorliege, die Voraussetzungen für die Annahme von Testierunfähigkeit nicht gegeben seien, es sei denn, es lägen zusätzliche psychopathologische Auffälligkeiten vor, etwa im affektiven Bereich oder es bestehe eine Wahnsymptomatik, während bei einem mittelschweren wie bei einem schweren dementiellen Syndrom von einer Testierunfähigkeit auszugehen sei. Das OLG Bamberg (Beschluss vom 22.05.2015, Az. 4 W 16/14, zitiert nach juris) kam zu dem Ergebnis, dass bei einer vaskulären Demenz in einer mittelgradigen bis schweren Ausprägung eine freie Willensbildung nicht mehr möglich gewesen sei und nimmt dabei auch Bezug auf das dort eingeholte Sachverständigengutachten, wonach bei einem leichten Ausprägungsgrad der Demenz aus forensisch-psychiatrischer Sicht in der Regel von Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit ausgegangen werden könne, bei einer mittelschweren Ausprägung der dementiellen Erkrankung sich jedoch Überlegungen in Richtung einer Testierunfähigkeit ergäben, wobei es auf das Ausmaß der kognitiven Einschränkungen ankomme, die eine eigenständige Lebensführung ohne Hilfe nicht mehr gestatten würden und die vielfach mit Desorientierung einhergingen.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass der Schweregrad einer Demenz nur eine Faustregel für das Vorliegen von Testierunfähigkeit bilden könnte und vorliegend eine vaskuläre Demenz diagnostiziert worden ist, hält es der Senat, schon aus dem oben dargelegten Grund für erforderlich, dass sich der Sachverständige eingehender mit dem Schweregrad der von ihm angenommenen vaskulären Demenz auseinandergesetzt hätte, gerade im Hinblick auf die durchgehende Vielzahl der entsprechenden Befunderhebungen durch MMST.

Dies gilt auch deswegen, weil der Sachverständige im Rahmen seiner Begutachtung zur „zweiten Beurteilungsebene“, also der Auswirkungen der von ihm festgestellten Störungen auf die Freiheit der Willensbestimmung der Erblasserin, gerade auch auf die Schwere der von ihm bejahten Ausprägungen des Krankheitsbildes der Erblasserin abgestellt hat.

Die gilt beispielsweise im Rahmen der auf der derzeitigen Gutachtengrundlage für den Senat nicht nachvollziehbaren, vom Sachverständigen bejahten „erheblichen Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen“ der Erblasserin (S. 78 bis 80 des Gutachtens). Dort hat der Sachverständige selbst ausdrücklich gerade darauf hingewiesen, dass bei Vorliegen eines „lediglich leichten dementiellen Syndroms“ sicherlich noch von einer Erhaltung und Urteilsfähigkeit des Betroffenen ausgegangen werden könne, die einer Testierunfähigkeit entgegenstehe (S. 78 des Gutachtens).

Eine Einordnung der sämtlich im Bereich einer lediglich leichten Demenz bzw. an der Grenze zu einer leichten Demenz liegenden MMST Ergebnisse erfolgt jedoch nicht.

In diesem Zusammenhang weist der Sachverständige dann weiterhin darauf hin, dass sich entsprechend der Aussage des Zeugen E „Veränderungen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit und damit auch Störungen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Gedächtnisses bereits im Jahr 2010 hätten darstellen lassen“ und weiterhin, dass spätestens im Dezember 2011 mit der stationären Einweisung in die Klinik1 dann mit der „Diagnosestellung einer Demenz“ eindeutig auch Aufmerksamkeits- und insbesondere auch Gedächtnisstörungen dokumentiert worden seien.

Weiterhin weist er dann auf eine deutliche Verbesserung ihres Zustandes hin, wobei er wohl auf die Ausführungen des Zeugen B in dessen Vernehmung und auch in dessen Betreuungsgutachten vom 12.06.2012 abstellt, ohne dies an dieser Stelle deutlich zu machen. Worauf sich dann allerdings die unmittelbar nachfolgende Feststellung des Sachverständigen: „…was aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass nach wie vor eine ausgeprägte demenzielle Symptomatik ihren Fortbestand hatte“ stützt, bleibt völlig im Unklaren und wird nicht erläutert. Dies gilt auch für seine weitere Feststellung, es dürfe „…somit mit Fug und Recht aus psychiatrischer Sicht bezweifelt werden, dass Frau I tatsächlich den Inhalt des von ihr unterschriebenen Testaments tatsächlich verstanden und nachvollzogen hat. Dies setzt eine kognitive Leistungsfähigkeit voraus, die in Sichtung und Wertung der zur Verfügung gestellten Daten im Rahmen der gefundenen Beeinträchtigungen und Defiziten so nicht hatte gehalten werden können“. Gerade im Hinblick auf den von dem Sachverständigen behaupteten Fortbestand einer „ausgeprägten demenziellen Symptomatik“ findet sich auch hier keinerlei Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der oben genannten MMST.

Auch soweit der Sachverständige von einer krankheitsbedingten schweren Persönlichkeitsstörung der Erblasserin ausgeht, sind die diesbezüglichen Ausführungen im Gutachten (S. 81, 82 des Gutachtens) unzureichend. Diese Ausführungen belegen nicht, dass bei der Erblasserin gerade als Ausdruck und in Folge der von dem Sachverständigen diagnostizierten vaskulären Demenz eine solche schwere Persönlichkeitsstörung bestand. Auch hier zeigt sich die schon oben aufgezeigte Problematik der fehlenden Abschichtung der von dem Sachverständigen diagnostizierten verschiedenen Krankheitsbilder und deren möglicher Symptome. So wird beispielsweise nicht deutlich, ob die von den Zeugen wahrgenommenen Aggressionen der Erblasserin ihre Ursache in einem demenziellen Prozess oder auch/nur in der offensichtlich immer wieder vorkommenden Nichteinnahme des Benzodiazepins oder der immer wieder einmal eingetretenen Zustände aufgrund Mangelversorgung (Exsikkosen) haben konnten. Gerade, wenn man berücksichtigt, dass selbst nach den Darlegungen des Sachverständigen schwere Absatzsymptome von Benzodiazepinen mit Verwirrtheit und psychotischen Entgleisungen einhergehen, also vielleicht auch Enthemmungen oder Euphorisierungen nach sich ziehen konnten, kann der Senat ohne entsprechende gründliche gutachterliche Feststellungen nicht ausschließen, dass auch darin die Ursache für die von Gutachter und Amtsgericht als feststehend angenommene schwere ausgeprägte Persönlichkeitsveränderung der Erblasserin liegen könnte. Jedenfalls erschließt sich das Vorliegen einer auf einer vaskulären Demenz der Erblasserin beruhenden überdauernde Persönlichkeitsänderung der Erblasserin in Abgrenzung zu lediglich jeweils vorübergehenden Verhaltensepisoden nicht.

Hierbei ist es auch nicht ausreichend, wenn der Sachverständige ohne weitere Darlegungen im Einzelnen lapidar erklärt, es seien Beschuldigungen und Vorwürfe getätigt worden, die den biografisch gewachsenen Fundus der Erblasserin ad absurdum führten und ein sinnhaftes und konstruktives Auseinandersetzen mit ihrer Person und konstruktive Reproduktion biografisch gewachsener Überzeugungen und persönlicher Wertvorstellungen eben nicht mehr möglich gewesen seien. Zwar hat der Zeuge E zunächst mitgeteilt, dass die Erblasserin bereits im Jahr 2011 auch ihm gegenüber zunehmend aggressiv geworden sei und selbst ihm gegenüber vermutet habe, dass er ihr gegenüber negativ gesinnt sei, sie gegebenenfalls sogar einsperren wollte und dieses Misstrauen anderen Menschen gegenüber immer mehr zugenommen habe. Weiterhin hat der Zeuge E auch mitgeteilt, die Erblasserin habe sich im …heim nicht wohl gefühlt und den Pflegekräften misstraut, die ihrerseits erklärt hätten, es sei mit der Erblasserin sehr schwierig gewesen. Er hat aber weiterhin auch mitgeteilt, die Erblasserin sei sehr schwer führbar gewesen und ihr größter Wunsch sei es gewesen, wieder zurück nach Hause zu kommen. Sie habe invasive ärztliche Maßnahmen abgelehnt und habe gerne in ihrer kurz zuvor noch gekauften eigenen Wohnung irgendwann einmal sterben wollen. Der Senat kann im Hinblick auf die nicht ausreichend differenzierten und tiefgehenden Ausführungen des Sachverständigen nicht ausschließen, dass die geschilderten Verhaltensweisen der Erblasserin und das geschilderten Misstrauen zum einen darauf beruhten, dass sie sich nach dem besonderen und wohl auf unzureichender Flüssigkeitszufuhr und daraus resultierender Exsikkose beruhenden massiven Ereignis im Dezember 2011 in einer für sie ganz neuen Lage befand (Anordnung einer gesetzlichen Betreuung, Pflegeheimaufenthalt). Dies hatte sie – möglicherweise auch auf Basis einer jedenfalls beginnenden dementiellen Entwicklung – zu verarbeiten, und es ist nicht auszuschließen, dass sie dies durch ein Verhalten kompensiert hat, das die bisher mit ihr vertrauten Personen in dieser Form vielleicht noch nicht erlebt hatten, da die Erblasserin sich ja auch noch nicht in ein einer derartigen Ausnahmesituation befunden hatte. Der Senat kann auf vorliegender Gutachtengrundlage auch nicht ausschließen, dass sich auch die von dem Zeugen E für den Zeitraum des Aufenthaltes der Erblasserin im …heim geschilderten abfälligen Bemerkungen über ihre Verwandtschaft und auch in Bezug auf seinen eigenen Vater sowie das von ihm dort als ausgesprochen aggressiv empfundene untypische Verhalten der Erblasserin eben auf Grundlage dieser außergewöhnlichen Situation ergeben haben, oder aber beispielsweise wiederum (auch) als Folge, der auch vom dem Sachverständigen gestellten Zusatzdiagnosen. Auf Basis des vorliegenden Gutachtens ist aber auch nicht feststellbar, inwieweit sich eine möglicherweise schon vor dem außergewöhnlichen Ereignis im Dezember 2011 steigernde Aggression der Erblasserin bzw. steigendes Misstrauen anderen Menschen gegenüber nicht – zumindest auch – jeweils als Folge der nicht regelmäßigen Einnahme ihres Benzodiazepins, gegebenenfalls in Verbindung mit unzureichender Flüssigkeitszufuhr und Nahrungsaufnahme dargestellt hat. So hat jedenfalls der Zeuge E erklärt, er habe, wenn die Erblasserin ihr Schlafmittel dann in seiner Gegenwart eingenommen habe und zusätzlich auch etwas getrunken hatte, bzw. er ihr auch zu Hause intravenös Flüssigkeit zugeführt hatte, regelmäßig zuschauen können, wie sich ihr jeweiliger Zustand wieder verbessert habe. Weiterhin hat er erklärt, die Erblasserin sei in diesen Situationen auffällig unruhig und auch verwirrt gewesen, wobei sich nicht ganz trennen lasse, ob eine Exsikkose zusätzlich noch mit hineingespielt habe und ihre Sprache sei dann verwaschen und ihr Verhalten aggressiv gewesen.

Weiterhin ist im Hinblick auf die von dem Sachverständigen angeführten „Beschuldigungen und Vorwürfe“ der Erblasserin gegenüber ihr vertrauten Personen, die möglicherweise auch als Symptom eines sich steigernden Misstrauens angesehen werden könnten, jedenfalls der gegenüber dem Zeugen C erhobene Vorwurf der Erblasserin „irgendwelche Wertgegenstände aus ihrer Wohnung entwendet zu haben“, zu relativieren. Dieser Zeuge hatte diesen Vorwurf zunächst aus seiner Sicht als völlig absurd bezeichnet, die Erblasserin habe sich aber nicht davon abbringen lassen. Nachfolgend hat dieser Zeuge jedoch eingeräumt, dass er aus der Wohnung der Erblasserin, ohne diese vorab zu fragen, tatsächlich ein Domino-Spiel und eine Glasvase mitgenommen hat, die seine Schwiegermutter für seine beiden Söhne vorgesehen gehabt habe.

Er habe diese Gegenstände mitgenommen, um sie seinen Söhnen zu geben. Als dies von der Erblasserin bemerkt worden sei, sei es zum Streit zwischen ihm und der Erblasserin gekommen, und er habe ihr diese Gegenstände deshalb wieder zurückgegeben. Aus seiner Sicht sei ihr nicht vermittelbar gewesen, warum er diese Gegenstände mitgenommen habe. Mit diesem Umstand setzt sich der Sachverständige schon nicht konkret auseinander. Jedenfalls kann aus diesem Geschehen nicht auf eine unberechtigte Beschuldigung oder einen unberechtigten Vorwurf der Erblasserin geschlossen werden, der darauf schließen lässt, dass der Erblasserin eine Auseinandersetzung mit gewachsenen Überzeugungen und persönlichen Wertvorstellungen nicht mehr möglich gewesen ist. Auffällig ist dann zwar der weitere konkrete, diesbezügliche und von dem Zeugen E geschilderte Vorfall mit dem ihm von der Erblasserin zur Geburt seines Sohnes geschenkten Teddybär, den die Erblasserin kurz danach gegenüber der Mutter des Zeugen zurückgefordert haben soll, mit der Behauptung, der Zeuge habe bei seinem Besuch einen Teddybär mitgenommen, in dem sie ihren gesamten Schmuck versteckt gehabt habe. Allerdings ist insoweit auch zu berücksichtigen, dass es durchaus möglich ist, dass die Erblasserin ihren Schmuck tatsächlich nicht finden konnte, von dem der Beteiligte zu 2) gegenüber dem Nachlassgericht erklärt hat, dieser sei möglicherweise in einem Sitzkissen versteckt gewesen. Es kann daher ohne eine gründliche sachverständige Bewertung nicht ausgeschlossen werden, dass die Erblasserin dann in einer Aufregung – möglicherweise eben auf Grundlage einer beginnenden oder nur leicht ausgeprägten Demenz – einen entsprechenden Vorwurf aufgrund einer Verwechslung erhoben hat. Ohne eine gründliche sachverständige Bewertung kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass auch dieser Vorwurf beispielsweise im Zusammenhang mit einer psychischen Entgleisung im Rahmen der bekannten Entzugsproblematik stand. Jedenfalls reicht die bisherige Sachlage insgesamt nicht aus, um sicher feststellen zu können, dass die auch vom Nachlassgericht auf Gutachtengrundlage angenommenen „Schuldzuweisungen und Feindseligkeiten Dritten gegenüber“ in einem Umfang vorgelegen haben, der auch dauerhaft und nicht nur sporadisch den „biographisch gewachsenen Fundus“ der Erblasserin „ad ab absurdum“ geführt hat.

Im Übrigen dürfte in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen sein, dass der Zeuge C die Erblasserin schon von Beginn an als sehr auf sich selbst bezogen erlebt haben will. Sie habe mit der Familie eigentlich nicht viel im Sinn gehabt und eigentlich nur ein gutes Verhältnis zu ihrer Schwester, seiner Ehefrau gehabt. Die Erblasserin sei daher von seiner Betreuerbestellung nicht wirklich begeistert gewesen. Trotzdem hat die Erblasserin den Zeugen C dann aber nach dessen Aussage von Anfang 2012 bis Mitte 2012 etwa drei oder viermal bei ihr im Wohnzimmer auf einer Luftmatratze für einige Tage übernachten lassen. Weiterhin hat sie sich gegenüber dem Zeugen B bei ihrer Untersuchung am 04.06.2012 in ihrer Wohnung ausdrücklich mit einer weiteren Betreuung durch den Zeugen C einverstanden erklärt, genauso wie auch bei der Anhörung durch den Betreuungsrichter J am 20.06.2012 (Anhörungsprotokoll, Bl.59 des Sonderbandes). Auch diese Umstände hätten vom dem Sachverständigen an dieser Stelle eingeordnet werden müssen, da sie doch möglicherweise dafür sprechen könnten, dass die Erblasserin sehr wohl noch Zugang zu ihrem „biographisch gewachsenen Fundus“ hatte. Jedenfalls ist es denkbar, dass sie dem Ereignis der von dem Zeugen C geschilderten Wegnahme von Gegenständen im Ergebnis keine entscheidende Bedeutung mehr beigemessen hat.

Schon aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass auch die von dem Sachverständigen für die Erblasserin bejahten „durchgängigen“ „wahnhaften Realitätsverkennungen, Sinnestäuschungen“ (S. 83 des Gutachtens) ebenfalls einer wesentlich eingehenderen Begutachtung als erfolgt bedurft hätten.

Weiterhin ist im Zusammenhang mit der von dem Sachverständigen und dem Amtsgericht angenommenen schweren Persönlichkeitsveränderung der Erblasserin auch nicht zu erkennen, dass beispielsweise persönliche Wertvorstellungen der Erblasserin im Hinblick auf ihre Urteilsfähigkeit als Basis eines kritischen Abwägenkönnens des Für und Wider dauerhaft pathologisch eingeschränkt waren (S. 84, 85 des Gutachtens).

Insoweit ist insbesondere nicht zu erkennen, auf welche Tatsachen sich die Bemerkung des Sachverständigen gründet: „Hinweisend auf eine solche Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit ist auch eine mangelnde Einsicht an Krankheit“. Dass eine mangelnde Krankheitseinsicht generell einen Hinweis auf einen – möglicherweise krankheitsbedingten – Verlust der Urteilsfähigkeit eines Erblassers darstellen kann, liegt sicherlich nahe. Dass und wieso jedoch gerade die Erblasserin eine solche mangelnde Krankheitseinsicht hatte, begründet der Sachverständige nicht. Hier ist darauf hinzuweisen, dass sich schon aus dem Betreuungsgutachten des Zeugen B vom 12.06.2012 (a.a.O.) ausdrücklich ergibt, dass der Erblasserin selbst bewusst sei, dass sie vor allem hinsichtlich der finanziellen Angelegenheiten sowie der Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten einer betreuenden Unterstützung bedürfe, und sie selbst ausdrücklich erklärt habe, weiterhin Hilfen in diesem Bereich zu brauchen. Insofern erschließen sich auch die Ausführungen des Sachverständigen, wonach sich bei der Erblasserin eine „massive Deffizienz“ in der „realistischen Bewertung ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation“ ergeben habe nicht, jedenfalls aber nicht in Bezug auf eine entsprechende Dauerveränderung. Selbst bei der nachfolgenden Begutachtung der Erblasserin am 14.06.2016 im Betreuungsverfahren durch den Zeugen B, nach deren geschlossener Unterbringung in den Kliniken2 in Stadt1, hat sie ausweislich dessen Gutachtens vom 18.06.2012 (a.a.O.) diesem gegenüber erklärt, sie glaube, wenn sie zu wenig trinke, sei sie im Kopf nicht mehr ganz klar. Weiterhin hat sie dort erklärt, dass ihr Betreuer, der Zeuge C, wolle, dass sie in eine Heimeinrichtung, das …stift in Stadt1 einziehe, da er glaube, dass sie es alleine zu Hause nicht mehr schaffe, und sie glaube mittlerweile selbst, dass er möglicherweise Recht habe. Ihr Hausarzt würde dieses Heim ebenfalls betreuen, was ihr Recht wäre und sie sehe auch ein, dass sie wegen ihrer körperlichen Gebrechen Hilfe brauche. Weiterhin hat sie eingeräumt, dass ihr Schwager, also der Zeuge C, ihr gesagt habe, dass sie nach diesem geschlagen habe, sie sich daran jedoch nicht mehr erinnern könne. Am liebsten würde sie eigentlich hier in der Klinik bleiben, es sei ihr jedoch auch bewusst, dass dies nicht gehe. Auch gegenüber dem Betreuungsrichter hat die Erblasserin ausweislich dessen Vermerks vom 27.06.2012 (Bl. 59 des Sonderbandes) am 20.06.2012 erklärt, sie würde ja lieber wieder in ihrer eigenen Wohnung leben, könne aber einsehen, dass dies im Moment jedenfalls nicht das Richtige für sie sei, und dass sie es grundsätzlich für richtig und sinnvoll halte, weiterhin einen gesetzlichen Betreuer im Umfange des bisherigen Aufgabenkreises zu haben. Sie könne selbst nicht ausschließen, dass es bei ihr wieder zu Phasen komme, in denen es ihr schlechter gehe. Dann solle ein gesetzlicher Betreuer in der Lage sein, schnell und zuverlässig zu handeln. Auch die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Organisation ambulanter Hilfen sollten bestehen bleiben, da es ihr mittelfristiges Ziel sei, doch wieder eine eigene Wohnung inne zu haben. Sie habe im Ergebnis nichts dagegen, wenn ihr Schwager, der bisherige vorläufige Betreuer (also der Zeuge C) dauerhaft ihr gesetzlicher Betreuer werde. Sie bevorzuge allerdings dessen Sohn, ihren Neffen (also den Beteiligten zu 2), welcher diesbezüglich vom Gericht zunächst einmal befragt werden solle. Auch die Zeugin D berichtete, die Erblasserin habe ihr gegenüber in einem Telefonat erklärt, dass sie zwischenzeitlich sehr misstrauisch gegenüber anderen Personen geworden sei, und dabei konkret auf die Haushälterin L aber auch den Betreuer Herrn K hingewiesen habe (zunächst eingesetzter vorläufiger gesetzlicher Betreuer). Auch diese Umstände sind von dem Sachverständigen im Hinblick auf eine noch mögliche Selbstreflektion der Erblasserin sämtlich nicht bewertet worden.

Schon diese aktenkundigen Feststellungen, mit denen jedenfalls innerhalb des vorgelegten Sachverständigengutachtens eine wertende Auseinandersetzung nicht stattgefunden hat, begründen durchgreifende Zweifel an der vom Sachverständigen diagnostizierten „massiven Defizienz … in der realistischen Bewertung ihrer aktuellen gesundheitlichen Situation“ .

Aus welchen sonstigen Tatsachen sich die von dem Sachverständigen für die Erblasserin im Übrigen bejahte mangelnde Urteilsfähigkeit ergeben könnte, zeigt der Sachverständige nicht auf. Der Sachverständige hat ergänzend lediglich pauschal behauptet, die von der Erblasserin an den Tag gelegten Verhaltensauffälligkeiten, mündend in der Unterschriftsleistung unter dem Testament am 18.10.2012, zeigten, dass hier ihre persönliche Kritik- und Urteilsfähigkeit derart massiv ausgeprägt sei, dass man hier von einem Fehlen einer realen Urteilsfähigkeit habe ausgehen können. Der Umstand der Unterschriftsleistung selbst kann entgegen der Ansicht des Sachverständigen aber sicherlich nicht als derartige Verhaltensauffälligkeit bezeichnet werden, da das fragliche Testament keinen derart abstrusen Inhalt hat, für den man einen solchen Schluss möglicherweise hätten ziehen können.

Weitere entsprechende Verhaltensauffälligkeiten, die den für die von dem Sachverständigen zur Bejahung der von ihm angenommenen „massiven“ Beeinträchtigung der Urteilsunfähigkeit angeführten erheblichen Verlust an Kritik- und Introspektionsfähigkeit der Erblasserin belegen könnten, hat der Sachverständige nicht angegeben.

Auch die Ausführungen des Sachverständigen zu der von ihm für die Erblasserin bejahten pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit, auf die sich das Nachlassgericht ebenfalls stützt, sind unzureichend (S. 80, 81 des Gutachtens). Allerdings wird man davon auszugehen haben, dass testierunfähig auch derjenige ist, der krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln, wobei es einer Abgrenzung zu normal psychologisch wirksamen Einflüssen Dritter bedarf, wie sie üblicherweise in die eigenständige Urteilsbildung eingehen.

Dabei soll entscheidend sein, ob die Freiheit des Willensentschlusses gewahrt bleibt und ob Fremdeinflüsse das Gewicht einer pathologischen Determinanten erhalten, der gegenüber eine kritische Distanz, Abwägung und eigenständige Gegenvorstellung nicht mehr möglich ist, bzw. nicht mehr handelnd verwirklicht werden kann. Dies soll bei ausgeprägten Demenzen meist nicht mehr der Fall sein (vgl. insgesamt Cording, ZEV 2010, 115 ff, 119). Dabei weist Cording (a.a.O.) darauf hin, dass eine derartige abnorme Fremdbeeinflussbarkeit sich wesentlich über eine erhöhte emotionale Ansprechbarkeit bei reduziertem kognitiven Kontrollvermögen vermittele, wobei typisch eine disproportional überschießende Dankbarkeit für relativ kleine Gefälligkeiten sei, oder eine Vertrauensseligkeit und die Tendenz, rasch pseudofamiliäre Beziehungskonstellationen herzustellen, und die konventionelle soziale Distanz z.B. gegenüber Pflegepersonen oder Fremden nicht mehr so einhalten zu können, wie dies der prämorbiden Persönlichkeit entsprochen habe. Bei der Beurteilung einer pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit gehe es danach im Übrigen nicht um die Frage, ob tatsächlich irgendein Dritter bewusst versucht habe, den Testator zu beeinflussen, sondern um die Fähigkeit des Testators, etwaigen Beeinflussungen durch kritisches Infragestellen, innere Distanznahme und vernünftiges Abwägen zu begegnen und gleichwohl eine eigenständige, freie Entscheidung treffen zu können.

Gemessen an diesen Voraussetzungen lassen die Ausführungen des Sachverständigen hier nicht erkennen, welche Tatsachen der von ihm angenommenen pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit der Erblasserin zugrunde liegen. Soweit der Sachverständige insoweit auf ein von der Erblasserin „an den Tag“ gelegtes „pathologisches Misstrauen“ abstellt, „in dessen Folge ganz offensichtlich eine kritische Realitätsprüfung nicht mehr möglich war, festhaltend an ihren Denk- und Wahrnehmungsvorstellungen“, ist schon vom Ansatz her nicht ersichtlich, inwieweit ein derartiges Misstrauen überhaupt für das Vorliegen einer derartigen pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit und nicht gerade gegen eine solche spricht. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der Akteninhalt auch dafür spricht, dass es gerade die Erblasserin war, die letztlich die Entscheidungen darüber getroffen hat, wo sie leben wollte und dies auch entsprechend durchgesetzt hat (teilweise vielleicht auch mit Unterstützung durch den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1]; aus dem Attest des E vom 15.04.2014, Bl. 197 der Nachlassakte, ergibt sich in diesem Zusammenhang: „Soweit mir heute in Erinnerung ist, hat Frau I laut ihrer eigenen damaligen Aussage mit Hilfe mir namentlich und persönlich nicht bekannter dritter Personen einen Anwalt zur Anfechtung der aus meiner Sicht damals angebrachten gesetzlichen Betreuung eingeschaltet“). Für eine nach wie vor verbliebene Durchsetzungskraft der Erblasserin spricht unter anderem der Inhalt des Schreibens des Zeugen C an das Betreuungsgericht vom 03.04.2012, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 37 des Sonderbandes). Aus diesem ergibt sich, dass es die Erblasserin war, die ihre Rückkehr aus dem Pflegheim in ihre Wohnung gewollt und dann auch erreicht hat. Auch die Aussage des Zeugen C, wonach sein Sohn (der Beteiligte zu 2) sich für die Erblasserin um eine mögliche Seniorenresidenz in Berlin gekümmert habe, worüber diese zunächst sehr begeistert gewesen sei, sie aber dann, nachdem sie festgestellt habe, wie viele ihrer Kleidungsstücke sie nur habe mitnehmen können, plötzlich ablehnend reagiert habe, könnte für eine erhaltene Selbstbestimmtheit der Erblasserin sprechen.

Wie gesagt, legt der Sachverständige auch nicht offen, welche Tatsachen für ihn zur Bejahung des angeblich „pathologischen Misstrauens“ der Erblasserin maßgeblich waren. Es fehlt auch an jeglicher Auseinandersetzung mit den oben bereits vom Senat angeführten besonderen diesbezüglichen Umständen des vorliegenden Falles.

Auch soweit der Zeuge B bereits in seinem Betreuungsgutachten vom 16.01.2012 (a.a.O.) auf eine erhöhte Suggestibilität der Erblasserin hingewiesen hat und dabei über die Äußerung der Erblasserin bezüglich ihrer „Zugehfrauen“ berichtet hat, und dass die Erblasserin erklärt habe, nicht zu wissen, was sie machen solle, und befürchte, dass sie übervorteilt werden könne und deshalb auch ratlos sei, ergibt sich für den Senat ebenfalls nicht zwingend, dass bei der Erblasserin eine pathologische Fremdbeeinflussbarkeit vorgelegen hat, schon gar nicht, eine solche dauerhafte Art.

Letztlich fehlt auch im Zusammenhang mit der von dem Sachverständigen bejahten pathologischen Fremdbeeinflussbarkeit eine eingehende Auseinandersetzung mit der Frage des Grades der von ihm bejahten vaskulären Demenz der Erblasserin; wie gesagt, soll jedenfalls bei ausgeprägten Demenzen eine derartige Fremdbeeinflussbarkeit meist vorliegen können.

Ohne, dass es für die vorliegende Entscheidung noch darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass es für die von dem Nachlassgericht auf Gutachtengrundlage angenommene Fremdbeeinflussbarkeit – wie oben bereits dargelegt – letztlich nicht entscheidend darauf ankommt, ob auch tatsächlich Anhaltpunkte für eine derartige aktive Beeinflussung der Erblasserin zur Erstellung des konkreten Testaments vorliegen. Somit kommt es auch nicht darauf an, ob das Nachlassgericht derartige Anhaltpunkte für eine solche Beeinflussung der Erblasserin durch die Beteiligten zu 1) zu Recht bejaht hat. Im Übrigen ist der in diesem Zusammenhang vom Nachlassgericht gezogene Schluss, die Erblasserin habe die zur Testamentserrichtung am 18.10.2012 erforderlichen Gespräche und die Gespräche zur Vorsorge- und Patientenverfügung aufgrund ihrer eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit nicht alleine führen können, wo es ihr doch schon in den Jahren davor schwer gefallen sei, mit „Papierkram zurechtzukommen“, im Hinblick auf eine fehlende ausreichende entsprechende gutachterliche Feststellung nicht haltbar.

Das Nachlassgericht hätte seine abschließende Entscheidung also noch nicht treffen dürfen, da zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht einmal das konkrete Krankheitsbild mit seinen Auswirkungen auf die Freiheit der Willensbildung der Erblasserin in ausreichender Form vollständig ermittelt worden war. Das von dem Nachlassgericht zur Begründung herangezogene Sachverständigengutachten stellt hierfür – aus den dargelegten Gründen – keine ausreichende Grundlage dar.

Die entsprechenden Ermittlungen wird das Nachlassgericht nunmehr nachzuholen haben.

Dabei liegt es im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen des Senats nahe, für das weitere Verfahren einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (vgl. § 30 FamFG Abs. 1 FamFG, § 412 Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf die vorliegend besonders anspruchsvolle Aufgabe ist es zu empfehlen, bei der Auswahl des Sachverständigen darauf zu achten, dass es sich um einen Facharzt für Psychiatrie mit dem Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ der Ärztekammern handelt und/oder mit dem Zertifikat „Forensische Psychiatrie“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Weiterhin sollte er sich mit dem Spezialgebiet der Begutachtung der Geschäfts- und Testierfähigkeit bereits in besonderer Weise auseinandergesetzt haben (vgl. Cording, „Beweismittel zur Klärung der Testier(un)fähigkeit“, ZEV 2010, 23 ff, 9,10).

Das Nachlassgericht wird auch zu prüfen haben, ob es zur vollständigen Ermittlung des Krankheitsbildes und dessen Auswirkungen auf die freie Willensbildung der Erblasserin noch weitere Zeugen vernimmt, so insbesondere die bislang von ihm nicht ermittelten Mitarbeiter des nach Aktenlage wohl bei der Erblasserin neben der Beteiligten zu 1) tätigen Pflegedienstes, möglicherweise aber auch die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) in seinem Schriftsatz vom 29.01.2016 benannten weiteren Zeugen.

Allerdings bietet sich insoweit für das Nachlassgericht an, bereits vor der Vernehmung von weiteren Zeugen – die dann, wie auch bisher bereits in Anwesenheit des Sachverständigen stattfinden sollte, um weitere Nachfragen des Sachverständigen zu ermöglichen, durch die eine bessere Aufklärung der für ihn zur Gutachtenerstellung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen erfolgen kann – dem Sachverständigen die Akten zunächst zu einer ersten Durchsicht zu überlassen. Der Sachverständige kann sich dann nämlich noch dazu äußern, ob und warum jedenfalls aus seiner medizinischen Sicht für die Erstellung seines Gutachtens die Ermittlung weiterer Anknüpfungstatsachen durch die Vernehmung von weiteren Zeugen oder aber auch eine erneute Vernehmung von bereits vernommenen Zeugen erforderlich ist.

Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedarf es angesichts des Erfolgs der Beschwerde nicht, § 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG.

Das Nachlassgericht wird auch darüber zu befinden haben, ob eine Erstattung der zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten stattfinden soll und wer diese gegebenenfalls zu tragen haben wird (vgl. Zimmermann in Keidel, a.a.O., § 84, Rn. 9; Sternal, a. a. O. § 69, Rn. 16, 39a). Es wird auch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der in dem aufgehobenen Verfahren angefallenen Auslagen zu befinden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 61 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GNotKG (vgl. Senat, Beschluss vom 03.03.2015, Az. 20 W 380/13, zitiert nach juris), wonach für das Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts im Verfahren über die Erbscheinserteilung der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls unter Abzug nur der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten (§ 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG) maßgeblich ist. Mangels konkreter weiterer Angaben der Beteiligten geht der Senat von einem Nachlasswert entsprechend der Angabe der Beteiligten zu 2) in seinem Erbscheinsantrag vom 05.06.2013 in Höhe von 30.000,00 € aus.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 FamFG. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, weil das Gesetz eine solche für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vorsieht.
Rechtsgebiete
FamFG, BGB
Vorschriften
BGB § 2229 Abs. 4; FamFG § 26; FamFG § 69 Abs. 1 S. 3; FamFG § 69 Abs. 2

Berechtigtes Interesse an Einsichtnahme in das Grundbuch

Quelle: gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-000180
OLG München, Beschluss v. 11.01.2018 – 34 Wx 408/17

Normenketten:
GBO § 12, § 12c Abs. 4 S. 2, § 71 Abs. 1, § 73
BGB § 1943, § 1944, § 2229
RPflG § 3 Nr. 1 lit. h, § 11 Abs. 1
FamFG § 10 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Ist beim Gericht aus Entscheidungen des Betreuungs- und Nachlassgerichts aktenkundig, dass Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, kann das Grundbuchamt zur Darlegung des Grundbucheinsichtsrechts die Vorlage eines Erbscheins verlangen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Benötigt ein möglicher Erbe Einsicht in das Grundbuch, um die Frage der Ausschlagung der Erbschaft zu klären, ist neben der Vorlage der öffentlichen Verfügung samt Eröffnungsniederschrift die Darlegung erforderlich, wann die Ausschlagungsfrist zu laufen begonnen hat, sowie dass die Erbschaft noch nicht angenommen ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betreuungsanordnung, berechtigtes Interesse, Grundbucheinsicht, Testierfähigkeit, Ausschlagung der Erbschaft
Vorinstanz:
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 02.11.2017 – KF-11206-46
Fundstellen:
ErbR 2018, 237
BeckRS 2018, 00180
ZEV 2018, 209
LSK 2018, 00180
RNotZ 2018, 322
NJW-RR 2018, 335

Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren – Grundbuchamt – vom 2. November 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Als Eigentümer von Grundbesitz ist im Grundbuch der am 31.10.2014 verstorbene A.M. eingetragen.
2
Am 22.9.2017 beantragte der Beteiligte durch Anwaltsschreiben beim Grundbuchamt die Übersendung von unbeglaubigten Grundbuchauszügen über sämtliche bis zum Ableben des A.M. auf diesen eingetragene Grundstücke und Grundstücksrechte einschließlich solcher, die in den letzten zehn Jahren vor seinem Ableben auf ihn eingetragen waren. Er begründet dies damit, dass er aufgrund notariellen Testaments vom 25.6.2010 Miterbe sei. Dieses und das Eröffnungsprotokoll vom 9.12.2014 legte er in Kopie mit vor.
3
Gegen die Mitteilung der Urkundsbeamtin vom 22.9.2017, dass ein berechtigtes Interesse nach § 12 GBO nicht nachgewiesen sei und daher der Grundbuchauszug nicht erteilt werde, legte der Beteiligte am 26.9.2017 Erinnerung ein.
4
Daraufhin hat das Grundbuchamt aus den Betreuungsakten hinsichtlich des A.M. die am 21.7.2009 ergangene einstweilige Anordnung einer vorläufigen Betreuung sowie den Beschluss vom 18.1.2010 über die endgültige Betreuungsanordnung erholt, sowie aus den Nachlassakten einen Beschluss vom 22.9.2017, wonach die Erteilung eines Erbscheins für die gesetzlichen Erben des A.M. angekündigt wird. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft zurückgestellt. Nach der Begründung ist das Nachlassgericht aufgrund des gerichtlich erholten Sachverständigengutachtens auf der Basis von Stellungnahmen der mit der Behandlung befassten Ärzte und weiterer Personen davon überzeugt, dass A.M. zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig war.
5
Mit Beschluss vom 2.11.2017 hat das Grundbuchamt die Erteilung der Grundbuchauszüge unter Verweis auf den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.9.2017 abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit der Beschwerde vom 10.11.2017. Gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.9.2017 habe der Beteiligte Beschwerde eingelegt, weshalb er nicht rechtskräftig sei. Es gelte daher weiter die Vermutung der Testierfähigkeit nach § 2229 BGB. Im Übrigen müsse ein letztwillig Bedachter in die Lage versetzt werden, sich einen genaueren Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses zu verschaffen.
6
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
7
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
8
1. Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO) und auch formgemäß nach § 73 GBO mit § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG eingelegt.
9
Wenngleich die Zurückweisung des Antrags allein die Beschwerdeberechtigung nicht begründet, eine formelle Beschwer also nicht ausreicht (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 59 m. w. N.), so genügt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach vorherrschender Ansicht jedoch, dass der Adressat der Entscheidung geltend machen kann, durch diese in seiner Rechtsstellung unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt zu sein, sofern die angefochtene Entscheidung in der behaupteten Weise unrichtig wäre und er deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hat (BGHZ 80, 126/127; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 62 m. w. N.).
10
Durch die Behauptung, die Unterlagen als durch notarielles Testament bedachter Miterbe zu dem Zweck zu benötigen, sich einen genaueren Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses zu verschaffen, erscheint eine Beschwer zumindest möglich.
11
2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, da das Grundbuchamt zu Recht die Grundbucheinsicht verweigert hat.
12
a) Gemäß § 12 Abs. 1 GBO ist jedem die Einsicht in das Grundbuch und die in diesem in Bezug genommenen Urkunden sowie in die noch nicht erledigten Eintragungsanträge zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Gemäß § 12 Abs. 2 GBO besteht in diesem Umfang auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften. Diese Rechte umfassen unter den gleichen Voraussetzungen auch Teile der Grundakten (vgl. Demharter § 12 Rn. 2). Der Umfang der Einsichtnahme richtet sich danach, wie weit das berechtigte Interesse reicht und dargelegt wurde, weshalb die Einsichtnahme auf einzelne Bestandteile des Grundbuchs, einzelne Abteilungen oder Aktenstücke beschränkt werden kann (Hügel/Wilsch GBO 3. Aufl. § 12 Rn. 10).
13
Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i. S. v. § 12 Abs. 1 GBO ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispielsweise) bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Oldenburg RPfleger 2014, 131; BayObLG Rpfleger 1999, 216, 217; Demharter § 12 Rn. 7 ff.; Schreiner RPfleger 1980, 51). § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers. Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (BayObLG Rpfleger 1999, 216 f.; KG NJW 2002, 223 ff; KG NJW-RR 2004, 1316 ff.). Dies ist im Fall erbrechtlicher Ansprüche nicht grundsätzlich der Fall, sondern im Einzelfall zu prüfen (Maaß in Bauer/von Oefele § 12 Rn. 38).
14
Die Darlegung dieses Interesses erfordert einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus ein überzeugender Anhalt der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird; denn es hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme das schutzwürdige Interesse des Eingetragenen oder seiner Rechtsnachfolger verletzt werden könnte, und darf Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse gewähren (KG NJW-RR 2004, 1316, 1317; BayObLG Rpfleger 1999, 216/217; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7). Im Einzelfall kann Glaubhaftmachung oder Nachweis des Interesses verlangt werden (Demharter § 12 Rn. 13; Böhringer DNotZ 2014, 16/18). So wird etwa für das Einsichtsbegehren eines Pflichtteilsberechtigten nicht der bloße Vortrag eines Verwandtschaftsverhältnisses genügen; auch wenn in diesem Fall kein Erbschein gefordert werden kann, sind allerdings zumindest Geburts- oder Heiratsurkunden vorzulegen (OLG Frankfurt Rpfleger 2011, 430; Grziwotz MDR 2013, 433, 435).
15
b) Einem testamentarischen (Mit-)Erben kann ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht schon vor einer Grundbuchberichtigung zustehen, etwa zur Vorbereitung einer Erbauseinandersetzung nach § 2042 BGB oder zur Klärung von Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff BGB.
16
Dies setzt allerdings zur Darlegung der Erbenstellung regelmäßig die Vorlage einer Ausfertigung des Erbscheines voraus (Hügel/Wilsch § 12 Rn. 58). Allerdings kann zur Beweiserleichterung im Falle einer Erbeinsetzung in einer öffentlichen Urkunde auf § 35 GBO zurückgegriffen werden, so dass deren Vorlage zusammen mit der Eröffnungsniederschrift genügt, wenn nicht Zweifel an der Erbfolge bestehen. Solche können sich trotz der Vermutung der Testierfähigkeit in § 2229 BGB auch schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Nachlassgerichts ergeben (Senat vom 7.3.2016, 34 Wx 32/16 = FamRZ 2016, 1405). Entsprechend der Rechtsprechung zu § 35 GBO kann daher das Grundbuchamt, wenn berechtigte tatsächliche Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers und damit an der Wirksamkeit der Verfügung bestehen, in der der Beteiligte als (Mit-)Erbe eingesetzt wurde, auch für die Frage der Grundbucheinsicht zur Darlegung der Erbenstellung einen Erbschein verlangen. Zwar bildet die generelle – abstrakte – Gefahr, dass letztwillige Verfügungen wegen Testierunfähigkeit (vgl. § 2229 Abs. 4 BGB) nichtig sein können, keinen ausreichenden Grund, einen Erbschein zu verlangen (vgl. Senat vom 31.10.2014, 34 Wx 293/14 = FamRZ 2015, 698; Meikel/Krause GBO 11. Aufl. § 35 Rn. 133). So reichen bloße Behauptungen, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, nicht aus (Meikel/Krause § 35 Rn. 135; Hügel/Wilsch § 35 Rn. 124). Auch eine Betreuung als solche berührt die Testierfähigkeit nicht; denn auch für den Betreuten besteht die Vermutung der Testierfähigkeit (BayObLG NJW-RR 2005, 1025; OLG München – 31. Zivilsenat – NJW-RR 2008, 164). Es bedarf “wirklicher“ (OLG Hamm OLGZ 1969, 301), d. h. begründeter bzw. konkreter Zweifel (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 788), etwa gestützt auf fachärztliche Gutachten oder Entscheidungen (Hügel/Wilsch § 35 Rn. 124), die das Verlangen, einen Erbschein vorzulegen, rechtfertigen können. Dies gilt nur dann nicht, wenn nicht zu erwarten ist, dass das Nachlassgericht durch weitere Beweiserhebungen zu einer zweifelsfreien Überzeugung der Testierunfähigkeit kommen kann (Demharter § 35 Rn. 39).
17
Die vom Grundbuchamt zulässigerweise beigezogenen, aktenkundigen (vgl. Demharter § 29 Rn. 61) Entscheidungen des Betreuungs- und Nachlassgerichts begründen jedenfalls Zweifel an der Testierfähigkeit, selbst wenn die Entscheidung des Nachlassgerichts noch nicht rechtskräftig ist. Die Entscheidungen beziehen sich nämlich auf schon erholte, fachärztliche Gutachten und kommen jeweils zum Ergebnis, dass der Erblasser bei Testamentserrichtung suggestibel und in seiner Urteils- und Kritikfähigkeit so weit gemindert gewesen ist, dass er nicht mehr in der Lage war, sich einen freien Willen über seine Geschäfte zu bilden. Da das Nachlassgericht zur Klärung der Frage der Testierfähigkeit ärztliche Befunde erhoben und Gutachten erholt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Frage der Testierfähigkeit nicht geklärt werden könnte.
18
c) Auch unmittelbar nach dem Erbfall kann allerdings einem möglichen Erben ein Einsichtsrecht ins Grundbuch mit Blick auf den Nachlasswert zustehen, wenn er der Einsichtnahme bedarf, um die Frage der Ausschlagung der Erbschaft zu klären. In diesem Fall besteht in der Regel die Möglichkeit der Vorlage eines Erbscheins noch nicht. Es kann daher genügen, wenn der Beteiligte neben seiner Erbeinsetzung – etwa durch das notarielle Testament und die Eröffnungsniederschrift – zudem darstellt, dass er die Erbschaft noch ausschlagen kann. Dazu müsste er allerdings vorbringen, wann die Ausschlagungsfrist (§ 1944 BGB) zu laufen begonnen hat, sowie dass er die Erbschaft noch nicht – und sei es konkludent durch schlüssiges Verhalten oder Beantragung eines Erbscheins – angenommen hat (§ 1943 BGB).
19
Zwar verweist der Beteiligte in seiner Beschwerde darauf, sich einen genaueren Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses verschaffen zu wollen. Mangels konkreteren Vortrags ist schon fraglich, ob damit zum Ausdruck gebracht werden soll, er benötige die Informationen für die Überlegung zu einer Ausschlagung. Im Übrigen sprechen jedoch auch die von ihm geltend gemachte Anfechtung der Entscheidung des Nachlassgerichts und sein umfassender Antrag auf Grundbucheinsicht, die auch zwischenzeitlich veräußerte Rechte des Erblassers an Grundstücken umfassen soll, dafür, dass er Erbe sein und die Erbschaft behalten will (vgl. Palandt/Weidlich BGB 77. Aufl. § 1943 Rn. 2), so dass eine Ausschlagung schon nicht mehr möglich sein dürfte. Auch der Verweis auf den benötigten Überblick über Umfang und Werthaltigkeit des Nachlasses ist daher nicht geeignet, ein Einsichtsinteresse darzulegen.
III.
20
1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da der Beteiligte die gerichtlichen Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens schon kraft Gesetzes zu tragen hat, § 22 Abs. 1 GNotKG.
21
2. Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt der Senat auch im Hinblick darauf, dass sich das Auskunftsbegehren auf sämtliche bis zum Ableben des Erblassers auf diesen eingetragene Grundstücke und Grundstücksrechte einschließlich solcher, die in den letzten zehn Jahren vor seinem Ableben auf ihn eingetragen waren, bezog, nach dem Regelwert (§ 79 Abs. 1 Satz 1 i. V. m.§ 36 Abs. 1 und 3 GNotKG).
22
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

„ Übergabe an die Geschäftsstelle Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle am .

Leitsatz:
GBO § 12
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1. Ein testamentarischer (Mit-)Erbe, der schon vor einer Grundbuchberichtigung ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht geltend macht, kann zur Darlegung seiner Erbenstellung im Falle einer Erbeinsetzung in einer öffentlichen Urkunde diese zusammen mit der Eröffnungsniederschrift vorlegen. Ist beim Gericht allerdings aus Entscheidungen des Betreuungs- und Nachlassgerichts aktenkundig, dass Zweifel an der Testierfähigkeit bestehen, kann das Grundbuchamt zur Darlegung des Einsichtsrechts die Vorlage eines Erbscheins verlangen.
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2. Benötigt ein möglicher Erbe Einsicht ins Grundbuch, um die Frage der Ausschlagung der Erbschaft zu klären, ist neben der Vorlage der öffentlichen Verfügung samt Eröffnungsniederschrift die Darlegung erforderlich, wann die Ausschlagungsfrist zu laufen begonnen hat, sowie dass die Erbschaft noch nicht angenommen ist.

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