Bundesgerichtshof: Beschluss vom 25.01.2018 – III ZR 561/16
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Seiters und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Liebert und Pohl
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung – ohne Sicherheitsleistung – aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. November 2016 – 6 U 92/16 – wird abgelehnt.
Gründe
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1. Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechende Anwendung findet, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung kommt dabei nur in Betracht, wenn zusätzlich glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner zu einer Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2009 – VIII ZR 305/09, BGHZ 183, 281 Rn. 6 ff; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 719 Rn. 8; MüKoZPO/ Götz, 5. Aufl., § 719 Rn. 15). Eine Einstellung scheidet grundsätzlich aus, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher möglich und zumutbar war (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 24. November 2010 – XII ZR 31/10, NJW-RR 2011, 705 Rn. 7 und vom 24. Mai 2016 – II ZR 105/16, juris Rn. 4; jeweils mwN).
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2. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass er erst während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens den vormaligen Beklagten (Vater) beerbt habe und deshalb im Berufungsverfahren keinen Antrag nach § 712 ZPO habe stellen können, ist dies ohne Bedeutung. Denn der Beklagte ist aufgrund des Erbfalls vom 23. Februar 2017 auch in die prozessuale Stellung seines Vaters eingerückt und muss sich deshalb den Umstand, dass dieser keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, grundsätzlich entgegenhalten lassen. Etwas anderes mag gelten, wenn die Gründe für einen Antrag nach § 712 ZPO in der Person des Erblassers nicht vorlagen und erst aufgrund des Erbgangs die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO erfüllt werden. Letzteres ist hier indessen nicht der Fall.
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Der Antragsteller macht in diesem Zusammenhang geltend, dass ihm die Möglichkeit erhalten bleiben müsse, den – hiermit beantragten – Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im laufenden Verfahren geltend zu machen. Anderenfalls seien seine Rechte auf materielle Beschränkung der Haftung auf den Nachlass im Wege der Einrede nach §§ 1989, 1990 BGB im Rahmen eines gegebenenfalls einzuleitenden Nachlassinsolvenzverfahrens beeinträchtigt. Auch dieser Einwand verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg.
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Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Dieser Vorbehalt kann bei einem Erbfall während des Nichtzulassungsbeschwerde- oder Revisionsverfahrens grundsätzlich noch nachträglich in die Beschwerde- beziehungsweise Revisionsentscheidung aufgenommen werden (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. März 1955 – III ZR 115/53, BGHZ 17, 69, 72 ff; BGH, Urteile vom 9. Mai 1962 – VIII ZR 45/61, NJW 1962, 1250 f und vom 26. Juni 1970 – V ZR 156/69, BGHZ 54, 204, 205 f; anders nur, wenn in der Revisionsinstanz vom beklagten Rechtsmittelkläger lediglich die beschränkte Erbenhaftung geltend gemacht und die Revision deshalb als unzulässig ohne Vorbehalt verworfen wird; dann kann allerdings Vollstreckungsgegenklage gemäß §§ 781, 785 auch ohne Vorbehalt erhoben werden, BGH aaO S. 207).
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Die vorbehaltene Beschränkung der Haftung auf den Nachlass führt allerdings nicht dazu, dass nicht in das übrige Vermögen des Erben vollstreckt werden kann; vielmehr ist es Sache des Erben, bei einer Zwangsvollstreckung in sein übriges Vermögen den Vorbehalt selbst im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (§§ 781, 785 ZPO) und dabei die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass nachzuweisen. Letztere müssen bei Aufnahme des Vorbehalts nicht geprüft werden. Allerdings steht es dem Prozessgericht frei, die materiellen Voraussetzungen der Beschränkung mit zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteile vom 9. März 1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2378, 2379; vom 13. Juli 1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226, 1230 und vom 2. Februar 2010 – VI ZR 82/09, NJW-RR 2010, 664 Rn. 7 f) und zum Beispiel die Verurteilung auf Leistung aus dem Nachlass zu beschränken (vgl. nur BayObLGZ 1999, 323, 328 f; siehe auch Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 780 Rn. 15; MüKoZPO/Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl., § 780 Rn. 10, 13).
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Vor diesem Hintergrund scheidet die beantragte (uneingeschränkte) Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil bereits deshalb aus, weil dadurch auch eine zulässige Zwangsvollstreckung in den Nachlass betroffen wäre, die hier in Form der Sicherungsvollstreckung in das zum Nachlass gehörende Hausgrundstück in Selfkant seitens der Kläger im Raum steht (siehe dazu Schriftsatz der die Zwangsvollstreckung betreibenden zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22. Februar 2017 und Stellungnahme des Klägervertreters zum Einstellungsantrag vom 17. Januar 2018). Ob im Rahmen des Einstellungsantrags als „minus“ auch eine einstweilige Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass möglich wäre (vgl. zur Beschränkung der Einstellung der Zwangsvollstreckung auf bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen bzw. auf die Vollstreckung in bestimmte Vermögensgegenstände im Rahmen des § 719 Abs. 2 ZPO: Senat, Beschluss vom 28. September 1955 – III ZR 171/55, BGHZ 18, 219 f und BGH, Beschluss vom 10. November 1955 – V ZR 211/55, BGHZ 18, 398, 400), kann dahinstehen. Denn abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Vollstreckung in nachlassfremde Gegenstände droht, würde dies zumindest voraussetzen, dass die materiellen Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass glaubhaft gemacht sind, hier mithin die in der Antragsschrift angesprochene Nachlassinsolvenz. Zum Nachlass fehlt aber näherer Vortrag des Beklagten. Es kommt deshalb nicht einmal mehr darauf an, dass es für die begehrte Einstellung ohne Sicherheitsleistung auch an der Glaubhaftmachung der vom Beklagten – unter Hinweis darauf, dass er aus gesundheitlichen Gründen erwerbslos sei und derzeit keine Sozialleistungen erhalte – behaupteten Unfähigkeit zur Stellung einer Sicherheitsleistung fehlt.
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