Jahresarchiv 6. Mai 2014

Gesetzlicher Urlaubsanspruch nach unbezahltem Sonderurlaub

Nach § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr An­spruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Diese Vorschrift ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 BUrlG un­ab­dingbar. Die Entstehung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs erfordert nur den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses und die einmalige Erfüllung der Wartezeit. Das BUrlG bindet den Ur­laubs­anspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeits­verhältnis noch ordnet es die Kürzung des Ur­laubs­anspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeits­verhältnisses an.

Allerdings sehen spezialgesetzliche Regelungen für den Arbeit­geber die Möglichkeit der Kürzung des Urlaubs bei Elternzeit (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG) oder Wehrdienst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG) vor. Eine Kürzungsregelung beim Ruhen des Ar­beits­verhältnisses während einer Pflegezeit (§§ 3, 4 PflegeZG) findet sich dagegen nicht. Kommt es zum Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses aufgrund einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, hindert dies grundsätzlich weder das Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch ist der Arbeitgeber zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs berechtigt.

Die Klägerin war bei der beklagten Universitätsklinik seit August 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Vom 1. Januar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. Sep­tember 2011 hatte sie unbezahlten Sonderurlaub und verlangte danach erfolglos von der Beklagten die Abgeltung von 15 Ur­laubs­tagen aus dem Jahr 2011. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der von den Parteien vereinbarte Sonderurlaub stand dem Entstehen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahres 2011 nicht entgegen. Er berechtigte die Beklagte auch nicht zur Kürzung des gesetzlichen Urlaubs.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 22/14 vom 06.05.2014
Urteil vom 6. Mai 2014 – 9 AZR 678/12 –

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Steuerbare Einkünfte des Anlegers im Rahmen eines Schneeballsystems

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 33/14, Pressemitteilung vom 30.04.2014, Urteil vom 11.02.2014, Aktenzeichen VIII R 25/12

Mit Urteil vom 11. Februar 2014 VIII R 25/12 hat der VIII. Senat des Bundes­finanzhofes (BFH) seine Rechtsprechung zur Besteuerung von Einkünften aus der Beteiligung an einem sog. Schnee­ball­system bestätigt. Danach hat der Anleger nicht nur die vom Betreiber des Systems als Zinsen geleisteten Zahlungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern, vielmehr können auch Zinsgutschriften oder die Wiederanlage fälliger Zinsbeträge zu solchen Einkünften führen.

Der Streitfall betraf einen Anleger, der hochverzinsliche Kapitalanlagen bei dem Betreiber eines Schneeballsystems abgeschlossen hatte. Er erhielt daraus Gutschriften über Zinserträge, die er sich teilweise auszahlen ließ und teilweise wieder anlegte. Das Anlagekapital war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr vorhanden, sodass der Betreiber des Schneeballsystems den Kläger und die übrigen Anleger telefonisch jeweils aufforderte, den fälligen Zinsbetrag erneut anzulegen. Kamen die Anleger dieser Aufforderung nicht nach, erfüllte er die Auszahlungswünsche.

Der BFH hat entschieden, dass der Anleger steuerbare Ein­künfte aus Kapitalvermögen nicht nur erzielt, wenn Zinsen tatsächlich ausgezahlt werden, sondern bereits dann, wenn Erträge gutgeschrieben werden und sofort wieder angelegt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betreiber des Schneeballsystems leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies ist der Fall, solange er Auszahlungsverlangen des je­wei­ligen Anlegers tatsächlich erfüllt. Dann steht der Steuer­pflicht der Kapitalerträge nicht entgegen, dass der Betreiber des Schneeballsystems die Auszahlungswünsche sämtlicher An­le­ger nicht mehr befriedigen könnte, da bereits ein Verlust der Anlagesumme eingetreten ist. Der VIII. Senat hat damit sein Urteil vom 16. März 2010 VIII R 4/07 bestätigt.

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Berichtigung zu hoch vorgenommener AfA bei Gebäuden

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 34/14, Pressemitteilung vom 30.04.2014, Urteil vom 21.11.2013, Aktenzeichen IX R 12/13

Der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 21. November 2013 IX R 12/13 darüber entschieden, auf welche Weise eine zu hohe Ab­set­zung für Abnutzung (AfA) bei Gebäuden im Privatvermögen berichtigt werden kann, wenn die entsprechenden Steuerbescheide verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden können.

Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommen­steuer­gesetzes (EStG) können bei Gebäuden im Privatvermögen unter bestimmten Voraussetzungen AfA-Beträge in festen, über die Nutzungsdauer fallenden Staffelsätzen zwischen 7 % und 1,25 % (sog. degressive AfA) abgezogen werden. Sind für ein Gebäude allerdings Sonderabschreibungen vor­genommen worden, sieht § 7a Abs. 9 EStG vor, dass sich die AfA nach Ablauf des Begünstigungszeitraums der Son­der­abschreibung nach dem Restwert und den nach § 7 Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer maß­ge­ben­den gleichbleibenden Staffelsätzen (sog. lineare AfA) bemisst.

Im Streitfall hatte der Kläger zunächst Sondergebiets­ab­schrei­bungen nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe von 50 % der von ihm für den Erwerb eines Mehrfamilienhauses geleisteten Anzahlung in Anspruch genommen und an­schlie­ßend nach Fertigstellung und Ablauf des Begünstigungs­zeit­raums das Gebäude degressiv nach festen Staffelsätzen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG abgeschrieben. Nachdem das Finanzamt (FA) festgestellt hatte, dass die degressive AfA zu Unrecht in Anspruch genommen worden war, berichtigte es in den Streitjahren 2007 bis 2009 die AfA, indem es die (typisierte) 50-jährige Gesamtnutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG um den fünf­jäh­ri­gen Begünstigungszeitraum der Sonderabschreibung ver­ringerte und den so neu ermittelten AfA-Satz von 2,22 % der Bemessungsgrundlage vom Restwert bis zur vollen Ab­set­zung in Abzug brachte.

Der BFH hat die vom FA vorgenommene Berechnung der AfA bestätigt. Er hat zunächst entschieden, dass eine degressive AfA nach Vornahme einer Sonderabschreibung ausgeschlos­sen ist. Sind für ein Gebäude in einem Veranlagungszeitraum daher Sonderabschreibungen vorgenommen worden, be­misst sich nach Ablauf des Begünstigungszeitraums die Rest­wert­abschreibung nach dem nach § 7 Abs. 4 EStG unter Be­rücksichtigung der Restnutzungsdauer maßgebenden line­aren Prozentsatz. Wurden degressive Abschreibungen zu Un­recht vorgenommen, ist die Berichtigung zu hoch vor­ge­nom­me­ner und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer AfA bei Gebäuden im Privatvermögen in der Weise vorzunehmen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Abschreibungssätze auf die bisherige Bemessungsgrundlage bis zur vollen Ab­set­zung des noch vorhandenen Restbuchwerts angewendet werden. Damit kommt es im Ergebnis zur einer Verkürzung der AfA-Dauer.

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Keine Vererbung des Schadensersatzanspruches aus Persönlichkeitsrechtsverletzung

Der BGH hat mit Urteil vom 29.04.2014, Az. VI ZR 246/12, entschieden, dass ein Anspruch des Erb­lassers auf eine Entschädigung in Geld aufgrund einer Per­sön­lich­keitsverletzung gem. § 823 BGB höchstpersönlicher Natur und daher nicht vererblich ist.

Der Anspruch geht daher nicht im Wege der Universal­sukzession des § 1922 BGB auf den Erben über.

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Möglichkeit der Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testamentes

Das OLG München hat mit Datum vom 23.04.2014, Az. 31 Wx 22/14, beschlossen, dass die Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testamentes in ein Einzeltestament möglich ist.

Dies erfordert jedoch die Feststellung, dass nach dem Willen des Testierenden seine Verfügung auch unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten sollte.

Sieht das unvollständige gemeinschaftliche Testament eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung und eine Schluss­erben­einsetzung von Verwandten beider Ehegatten zu gleichen Teilen vor, kann gegen einen solchen Willen sprechen, dass der Testierende selbst ohne den Beitritt des anderen Ehe­gatten nicht dessen Alleinerbe wäre und die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens bei Umdeutung in Vor- und Nacherbfolge nicht erreicht werden würde.

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Sozialhilferegress gegen den Erben durch die Sozialbehörde

Das Sozialgericht Aachen hat mit Urteil vom 20.04.2013, Az.: S 20 SO 159/12, ent­schie­den, dass der Erbe einer leistungs­be­rech­tigten Person gem. § 102 Abs. 1 SGB XII zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet ist.

Die Ersatzpflicht besteht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen. Nach § 102 Abs. 2 SGB XII gehört die Ersatzpflicht des Erben zu den Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe haftet mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses.

§ 102 Abs. 3 SGB XII listet drei Ausschlusstatbestände auf, die den Anspruch auf Kostenersatz entfallen lassen:

  • Der Wert des Nachlasses liegt unter dem dreifachen des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII
  • Die Erben haben mit dem Sozialhilfeempfänger bis zu dessen Tod in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt
  • Die Inanspruchnahme der Kläger als Erben des Hilfe­empfängers würde nach Grund und Höhe unter Berück­sich­ti­gung der Besonderheiten des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten

Eine solche Härte ist bei einer auffallenden Atypik des zu beurteilenden Sachverhaltes anzunehmen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als unbillig erscheinen lässt, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Eine besondere Härte lässt sich nicht bereits darauf stützen, dass das ererbte Vermögen dem Schonvermögen des Erblassers zuzurechnen war. Auch § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII bergründet kein „post­mortales Schonvermögen“ zu Gunsten des Erben.

Eine besondere Härte kann auch nicht darin gesehen wer­den, dass der Erbe das ererbte Haus, das auch vor dem Tod des Hilfeempfängers schon in seinem hälftigen Mit­eigen­tum stand, weiter bewohnt. Dies gilt zumindest dann, wenn dieser besonderen wirtschaftlichen Situation dadurch aus­reichend Rechnung getragen wurde, dass dem Erben die Möglichkeit eingeräumt wurde, den Kostenersatzanspruch durch Eintragung einer entsprechenden Sicherungshypothek zu Gunsten des Sozialhilfeträgers anzuerkennen. Dadurch bleibt seine wirtschaftliche Existenz zu seinen Lebzeiten unangetastet; er braucht die Immobilie weder zu verkaufen noch zu beleihen, also auch nicht die von ihm befürchteten unzumutbaren Mietaufwendungen zu erbringen.

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Nachweis der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für einen Treppenlift

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 27/14, Pressemitteilung vom 09.04.2014, Urteil vom 06.02.2014, Aktenzeichen VI R 61/12

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 6. Februar 2014 VI R 61/12 ent­schieden, dass die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für einen Treppenlift nicht durch ein amts­ärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzu­weisen ist.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuer­pflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu zählen nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch Krankheitskosten. Allerdings hat der Steuer­pflichtige die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f der Ein­kom­mensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medi­zi­ni­schen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medi­zi­ni­schen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Betroffen hiervon sind beispielsweise Bade- und Heilkuren oder psychotherapeutische Behandlungen.

Im Streitfall ließen die verheirateten Kläger wegen der Geh­behinderung des Klägers einen Treppenlift in ihr selbst ge­nutz­tes Einfamilienhaus einbauen. Die hierfür entstandenen Aufwendungen von ca. 18.000 € machten sie vergeblich in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2005) als außergewöhnliche Belastung geltend. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Denn die Kläger hätten zuvor ein amts­ärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ein­holen müssen.

Der BFH sieht dies anders. Angesichts des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV sei die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Ein­bau eines solchen Hilfsmittels nicht formalisiert nach­zu­wei­sen. Im zweiten Rechtsgang hat das Finanzgericht nun die erforderlichen Feststellungen zur medizinischen Not­wen­dig­keit für die Maßnahme nach dem Grundsatz der freien Be­weis­würdigung zu treffen, beispielsweise durch die Ein­ho­lung eines Sachverständigengutachtens.

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Anspruch einer Krankenschwester, nicht für Nachtschichten eingeteilt zu werden

Kann eine Krankenschwester aus gesund­heitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus der sog. Vollversorgung mit etwa 2.000 Mitarbeitern. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Arbeits­vertraglich ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Not­wen­dig­keiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechsel­schicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebs­vereinbarung ist eine gleichmäßige Planung ua. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal bei der Beklagten arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Die Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.

Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflege­direktor die Klägerin am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung – mit Aus­nahme von Nachtdiensten – ausdrücklich an. Bis zur Ent­schei­dung des Arbeitsgerichts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld.

Die auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung gerichtete Klage war beim Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ebenso wie in den Vorinstanzen, erfolgreich. Die Klägerin ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Die Beklagte muss bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen. Die Vergütung steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und die Beklagte erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 16/14 vom 09.04.2014
Urteil vom 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 –

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Deutsches Familiengericht scheidet eine im Iran geschlossene Ehe iranischer Staatsangehöriger nach iranischem Recht

Die im Iran geschlossene Ehe iranischer Eheleute kann in Deutschland nach iranischem Recht geschieden werden. Das hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 17.01.2013 ent­schie­den und damit die bereits vom Amts­gericht – Familiengericht – Siegen ausgesprochene Scheidung bestätigt.

Die iranischen Eheleute schiitischen Glaubens hatten im De­zem­ber 1991 in Teheran die Ehe geschlossen und dabei nota­riell Bedingungen für eine Scheidung vereinbart. Nach diesen sollte die heute 46 Jahre alte Ehefrau zum Scheidungs­antrag be­rech­tigt sein, wenn der heute 45 Jahre alte Ehemann sich für 6 Monate weigere, die Unterhaltskosten seiner Frau zu bezahlen oder ihre sonstigen Rechte nicht achte, sowie auch dann, wenn das Benehmen und Verhalten des Ehemanns so unerträglich werde, dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden könne. In den Jahren 1993 und 1998 kamen zwei Söhne zur Welt. Die Familie lebte seit dem Jahr 2001 in Deutschland. Im Oktober 2009 trennten sich die Eheleute, als die Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung in Siegen auszog. Unterhaltszahlungen ihres Mannes erhielt sie in der Folgezeit nicht. Die Ehefrau hat im Jahre 2011 die Scheidung beantragt. Dieser hat der Ehe­mann widersprochen. Er könne nicht zustimmen, solange sich die Ehefrau ihm gegenüber für den erhobenen Vorwurf gewalttätigen Verhaltens nicht entschuldigt habe und nicht bereit sei, auf die bislang noch nicht gezahlte Morgengabe zu verzichten.

Der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die Scheidung der Ehe nach iranischem Scheidungsrecht ausgesprochen.

Nach den einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung und der EG VO Nr. 2201/2003 seien die deutschen Gerichte zuständig, weil beide Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten. In der Sache sei materielles iranisches Scheidungsrecht anzuwenden. Das ergebe sich aus einem fortgeltenden Staatsvertrag aus dem Jahre 1929. Nach dem iranischen Scheidungsrecht lägen sowohl gesetzliche als auch vertragliche Gründe für eine Scheidung vor.

Die Ehefrau befinde sich in einer schweren Notlage. Das sei ein gesetzlicher Scheidungsgrund nach iranischem Recht, bei dem eine Ehe auch ohne Zustimmung des Ehemanns geschieden werden könne. Die Notlage bestehe, weil die Ehefrau die von ihrem Ehemann jetzt ebenfalls abgelehnte Ehe nicht fortsetzen könne und sie dieser dadurch unter Druck zu setzten versuche, dass er seine Zustimmung zur Scheidung von seinen Be­din­gungen abhängig mache.

Abgesehen von dem gesetzlichen Scheidungsgrund könne sich die Ehefrau auch auf die beiden vertraglich vereinbarten Schei­dungsgründe berufen. Der Ehemann verweigere der Ehefrau über 6 Monate Unterhaltszahlungen, wobei es nach der ver­traglichen Vereinbarung auf die Gründe für die Weigerung nicht ankomme. Im Übrigen sei das Benehmen des Ehemanns unerträglich, so dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden könne. Der Mann selbst wolle das eheliche Zusammenleben nicht mehr aufrechterhalten und versuche, die Frau zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen.

rechtskräftiger Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.01.2013 (4 UF 172/12)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 09.04.2013

 

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Dienstwagen zur privaten Nutzung erhöht unterhaltspflichtiges Einkommen

Wird einem unterhaltspflichtigen Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zu Verfügung gestellt, erhöht sich sein unter­haltspflichtiges Einkommen in dem Umfang, in dem er eigene Auf­wen­dungen für die Unterhaltung eines Pkw erspart. Das hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm am 10.12.2013 entschieden und insoweit die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Gladbeck bestätigt.

Die Beteiligten, getrennt lebende Eheleute aus Marl, streiten über Trennungsunterhalt. Dem unterhaltspflichtigen Ehemann steht ein von seinem Arbeitgeber finanziertes Firmenfahrzeug (Skoda Octavia) auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Dieses setzt der Ehemann unter anderem bei Besuchen der gemeinsamen, bei der Ehefrau lebenden Tochter ein. Das Fahrzeug wird mit einem Betrag von 236 Euro brutto auf den monatlichen Gehaltsabrechnungen des Ehemanns ein­kom­mens­erhöhend aufgeführt und sodann als Nettobetrag von dem Gesamtbruttoeinkommen abgezogen.

Der Ehemann hat gemeint, dass ein Pkw-Vorteil in Höhe von 236 Euro bei der Berechnung des ihm monatlich zur Verfügung ste­henden, der Unterhaltsberechnung zugrunde zu legenden Ein­kom­mens nicht zu berücksichtigen sei. Dieser sei kein an­zu­rech­nender Privatvorteil, weil er den Pkw privat nur für die Besuche seiner Tochter einsetze und private Fahrten im Übrigen mit seinem Motorrad erledige.

Der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat es abgelehnt, den Nettobetrag als einkommensmindernden Abzug anzuerkennen. Der Ehemann habe insoweit einen mo­nat­lichen Nutzungsvorteil, der beim unterhaltspflichtigen Einkom­men zu berücksichtigen sei. Dieses erhöhe sich um den Betrag ersparter eigener Aufwendungen für die Unterhaltung eines Pkw, wenn einem Arbeitnehmer ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt werde. Hiervon sei im vor­lie­genden Fall mangels beachtlichen gegenteiligen Vortrags aus­zugehen. Der Ehemann nutze den Pkw privat für das Abholen und Zurückbringen der gemeinsamen Tochter, so dass neben der beruflichen Nutzung eine anteilige Privat­nutzung vorliege. Ihr Vorteil könne mit dem in der Gehaltsabrechnung angegebenen Betrag bewertet werden. Einen geringeren Umfang der Privat­nutzung im Verhältnis zur gesamten Nutzung habe der Ehe­mann nicht dargelegt. Auf eine fehlende Ersparnis eigener Aufwen­dun­gen unter dem Gesichtspunkt, dass er sich den Dienstwagen privat nicht angeschaffte hätte, könne sich der Ehemann nicht berufen, nachdem er selbst vorgetragen habe, dass er einen Pkw für die Umgangskontakte mit seiner Tochter nutze.

Rechtskräftiger Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 10.12.2013 (2 UF 216/12)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 03.04.2014

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