Schlagwort-Archiv Dr. Reinhard Popp

Der Dienstwagen im Unterhaltsrecht

Zu den unterhaltsrechtlich relevanten Ein­kom­men zählen auch Sachbezüge die ein Arbeit­nehmer von seinem Arbeitgeber erhält, soweit diese entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. Hier kommt insbesondere auch die unentgeltliche Überlassung eines Dienst­wagens in Betracht.

Soweit der Arbeitnehmer das Fahrzeug auch privat nutzen kann, erspart sich der Arbeitnehmer die Kosten für ein eigenes Fahr­zeug, so dass für die unterhaltsrechtliche Einkommens­be­stim­mung der wirtschaftliche Wert für diese Nutzung ermittelt werden muss.

Für eine korrekte Unterhaltsberechnung reicht es somit nicht aus, lediglich die ausbezahlten Nettobeträge zu ermitteln. Die Berechnung des wirtschaftlichen Wertes ist kompliziert, da sich dieser sich aus dem Sachbezug abzüglich der Einkommens­diffe­renz zwischen dem tatsächlichen Einkommen mit Sachbezug und einem fiktiven Einkommen ohne Sachbezug ermittelt.

Ferner ist bei der Unterhaltsberechnung zu beachten, dass neben der Zurverfügungstellung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber die Pauschale von 5% für berufsbedingte Auf­wen­dun­gen grundsätzlich nicht mehr in Abzug gebracht werden kann, da durch die Nutzung des Firmenfahrzeuges auch die Fahrten zum Arbeitsplatz abgedeckt werden. Aufwendungen wären sodann konkret darzulegen.

Fazit: Steht einem Unterhaltsschuldner ein Dienstwagen auch für Privatfahrten zur Verfügung, ist der genaue wirtschaftliche Wert hierfür zu ermitteln. Der Unterhaltsanspruch erhöht sich dann dementsprechend. Es kann sich also lohnen, genau zu rechnen.

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Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung?

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union ua. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

Der Kläger hat 2001 die Ausbildung zum Volljuristen ab­ge­schlos­sen und ist seither überwiegend als selbständiger Rechts­anwalt tätig. Die Beklagte, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört, schrieb ein „Trainee-Programm 2009“ aus. Dabei stellte sie als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurück­lie­gen­den oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Aus­bil­dung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fach­rich­tung Jura wurden zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht. Der Kläger bewarb sich hierfür. Er betonte im Bewerbungsschreiben, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Füh­rungs­erfahrung verfüge. Derzeit besuche er einen Fach­anwalts­kurs für Arbeitsrecht. Weiter führte er aus, wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat zu betreuen und daher im Medizinrecht über einen erweiterten Er­fahrungshorizont zu verfügen. Als ehemaliger leitender An­ge­stell­ter und Rechtsanwalt sei er es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten. Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung iHv. 14.000,00 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab und schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen.

Aufgrund der Bewerbungsformulierung und des weiteren Ver­hal­tens geht der Senat davon aus, dass sich der Kläger nicht mit dem Ziel einer Einstellung beworben hat. Das Bewerbungs­schrei­ben steht einer Einstellung als „Trainee“ entgegen. Die Einla­dung zu einem Personalgespräch hat er ausgeschlagen. Damit ist der Kläger nach nationalem Recht nicht „Bewerber“ und „Be­schäf­tig­ter“ iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG. Das Unionsrecht nennt jedoch in den einschlägigen Richtlinien nicht den „Bewerber“, sondern schützt den „Zugang zur Beschäftigung oder zu ab­hän­gi­ger und selbständiger Erwerbstätigkeit“. Nicht geklärt ist, ob das Unionsrecht ebenfalls voraussetzt, dass wirklich der Zugang zur Beschäftigung gesucht und eine Einstellung bei dem Ar­beit­geber tatsächlich gewollt ist. Ob für das Eingreifen des unions­recht­lichen Schutzes das Vorliegen einer formalen Bewerbung genügt, ist eine allein dem Gerichtshof überantwortete Aus­le­gungs­frage.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 34/15 vom 18.06.2015
Beschluss vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A) –

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Ehescheidungskosten sind nach wie vor steuerlich absetzbar

Hinweis: Dieser Artikel aus dem Bereich Steuerrecht / Steuerstrafrecht, Familienrecht ist nicht mehr aktuell!

Jedenfalls nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland Pfalz –

Das Finanzgericht Rheinland Pfalz hat mit Urteil vom 16.10.2014 (Az: 4 K 1976/14) das Vorliegen der Ab­set­zungs­voraussetzungen bei den Prozesskosten für die Ehescheidung als außergewöhnliche Belas­tungen bejaht.

Für einen Steuerpflichtigen sei es existentiell, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können. Die Kosten der Ehescheidung, die nur durch einen zivilrechtlichen Prozess herbeigeführt wer­den können, seien daher für den Betroffenen aus tat­säch­li­chen Gründen zwangsläufig und damit absetzbar.

Anders urteilte das Gericht hinsichtlich der Geltendmachung der Prozesskosten für so genannte Scheidungsfolgesachen. Bei Scheidungsfolgesachen handelt es sich um Streitigkeiten, welche im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren, zum nach­ehe­lichen Unterhalt, zu Ehewohnung und Haushalt, zu Zu­ge­winn­aus­gleichs­ansprüchen sowie zum Sorge- und Umgangsrecht geführt werden. Nach der Neuregelung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG (Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz) sind Kosten, welche lediglich im Zusammenhang mit der Scheidung anfallen, nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Da diese Folgesachen nicht zwingend sind, sondern nur auf Antrag eines Ehegatten mit dem Scheidungsverfahren verhandelt und ent­schieden werden und daher auch in einer außergerichtlichen Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt werden können, sind die hierfür anfallende Kosten nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG.

Festzuhalten bleibt somit, dass Prozesskosten, welche allein die Ehescheidung betreffen, jedenfalls nach der Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland Pfalz, steuerlich absetzbar sind. Gegen diese Entscheidung ist ein Revisionsverfahren vor dem Bundes­finanzhof (AZ: VI R 66/14) anhängig. Ob dieser die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland Pfalz bestätig, bleibt abzuwarten. Vorsorglich sollte gegen einen Steuerbescheid, welcher diese Kosten nicht berücksichtigt, Einspruch eingelegt werden.

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Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub wegen Elternzeit nicht mehr kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht.

Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhte auf der vom Senat vollständig aufgegebenen Surrogatstheorie. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Dieser verdankt seine Ent­stehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist der Ab­gel­tungs­anspruch entstanden, bildet er jedoch einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in recht­licher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Die Klägerin war ab April 2007 gegen eine monatliche Brutto­vergütung von zuletzt 2.000,00 Euro im Seniorenheim der Beklagten als Ergotherapeutin beschäftigt. Bei einer Fünf­tage­woche standen ihr im Kalenderjahr 36 Urlaubstage zu. Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Sohnes im Dezember 2010 ab Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung des Arbeits­verhältnisses mit Ablauf des 15. Mai 2012 in Elternzeit. Mit An­walts­schreiben vom 24. Mai 2012 verlangte sie von der Be­klag­ten ohne Erfolg die Abrechnung und Abgeltung ihrer Ur­laubs­ansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Im September 2012 erklärte die Beklagte die Kürzung des Erholungsurlaubs der Klägerin wegen der Elternzeit.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Lande­sarbeits­gericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeits­gerichts abgeändert, die nachträgliche Kürzung des Erholungs­urlaubs der Klägerin für unwirksam erachtet und dieser deshalb Urlaubsabgeltung iHv. 3.822,00 Euro brutto zugesprochen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte konnte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. Mai 2012 mit ihrer Kürzungserklärung im September 2012 den Anspruch der Klägerin auf Erholungsurlaub wegen der Elternzeit nicht mehr verringern. Auf die Beantwortung der vom Landesarbeitsgericht bejahten Frage, ob die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG geregelte Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers mit dem Unionsrecht ver­einbar ist, kam es nicht an.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 31/15 vom 19.05.2015
Beschluss vom 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13 (A) –

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Eltern­unter­halt bei Unter­bring­ung im Pflege­heim – Wie teuer darf das Heim sein?

Soweit Kinder für ihre in einem Pflegeheim untergebrachten Eltern Unterhalt bezahlen müssen, stellt sich häufig die Frage, ob das Pflegeheim nicht zu teuer ist. Mithin, ob eine Unterbringung in einem günstigeren Heim möglich und zumutbar ist.

Zu beachten ist zunächst, dass ein Unterhaltsberechtigter keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung seines Lebensstandards hat.

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Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit – Verschulden bei langjähriger Alkoholabhängigkeit

Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG*, wenn ein Arbeit­nehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur dann verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der alkohol­abhängige Herr L., der Mitglied der klagenden Krankenkasse ist, war seit dem Jahr 2007 bis zum 30. Dezember 2011 Arbeit­nehmer der beklagten Arbeitgeberin. Herr L. wurde am 23. Novem­ber 2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert und war in der Folge für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen. Die Klägerin leistete an Herrn L. für die Zeit vom 29. November bis zum 30. Dezember 2011 Krankengeld iHv. 1.303,36 Euro. Die Klägerin macht in dieser Höhe Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht (§ 115 SGB X) gegenüber der Beklagen geltend. Sie meint, ein Entgelt­fort­zah­lungs­anspruch gegen die Beklagte habe bestanden, da es an einem Verschulden des Herrn L. für seinen Alkoholkonsum am 23. November 2011 fehle. Die Beklagte ist der Ansicht, ein Ver­schulden sei bei einem Rückfall nach mehrfachem sta­tio­nä­rem Entzug und diesbezüglich erfolgter Aufklärung zu bejahen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage statt­ge­ge­ben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Bei einer Al­ko­hol­ab­hän­gig­keit handelt es sich um eine Krankheit. Wird ein Arbeit­neh­mer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Er­kennt­nisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Ent­gelt­fort­zah­lungs­rechts ausgegangen werden. Die Entstehung der Al­ko­hol­sucht ist vielmehr multikausal, wobei sich die un­ter­schied­li­chen Ursachen wechselseitig bedingen. Dies gilt im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 % je nach Studie und Art der Behandlung kann nach einer durchgeführten Rehabili­ta­tions­maß­nahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber kann deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten. Das Arbeitsgericht hat dann ein medizinisches Sach­ver­stän­di­gen­gut­achten zu der Frage einzuholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft iSd. § 3 Abs. 1 EFZG herbeigeführt hat. Lässt sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, geht dies zulasten des Arbeitgebers. Das im kon­kre­ten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Ver­schulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden „Suchtdruck“ ausgeschlossen.

*§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG lautet: Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 14/15 vom 18.03.2015
Urteil vom 18. März 2015 – 10 AZR 99/14 –

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Wirksamkeit einer Klageverzichtsklausel in einem Aufhebungsvertrag

Ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag unterliegt als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Wird ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Ar­beit­geber angedrohten außer­ordent­lichen Kündigung geschlossen wird, benachteiligt dieser Ver­zicht den Arbeitnehmer un­an­ge­mes­sen iSv. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Er­wä­gung ziehen durfte.

Der Kläger war seit 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Am 28. Dezember 2012 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28. Dezember 2012 endete. Zuvor hatte die Beklagte dem Kläger mit einer außerordentlichen Kün­di­gung und Strafanzeige gedroht, weil er aus ihrem Lager­bestand zwei Fertigsuppen ohne Bezahlung entnommen und verzehrt habe. Der Vertrag enthielt ua. einen Widerrufs- und Klageverzicht. Der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findende Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2008 beinhaltet in § 11 Abs. 10 bei Auf­he­bungs­ver­trä­gen ein Widerrufsrecht innerhalb von drei Werktagen, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann. Noch am 28. De­zem­ber 2012 focht der Kläger den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und begehrt im vorliegenden Rechts­streit die Feststellung, dass das Ar­beits­verhältnis fort­besteht. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung sei angesichts des langjährigen, unbelasteten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht vertretbar gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landes­ar­beits­gericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Sechste Senat des Bundes­arbeitsgerichts das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurück­verwiesen. Auf die Wirksamkeit des Verzichts auf die tariflich eröffnete Widerrufsmöglichkeit kam es nicht an, weil der Kläger entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts innerhalb der Widerrufsfrist keinen Widerruf iSv. § 11 Abs. 10 MTV erklärt hat. Jedoch nimmt der im Aufhebungsvertrag vorgesehene Klage­verzicht dem Kläger im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Das ist mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung mit der außer­ordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war. Im Ergebnis teilt damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags. Das Landesarbeitsgericht muss noch auf­klären, ob eine widerrechtliche Drohung vorlag.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 11/15 vom 18.06.2015
Beschluss vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14 –

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Das Sparbuch der Kinder ist tabu – Schadensersatzpflicht der Eltern wegen Abhebungen vom Sparbuch des Kindes

Ein nicht seltener Fall: Die Eltern haben für ihre Kinder ein Sparbuch angelegt, damit auf dieses Einzahlungen zum Beispiel durch deren Groß­eltern vorgenommen werden können. Insbesondere bei finanziellen Engpässen stellt sich für die Eltern mitunter die Frage, ob sie vom Sparguthaben der Kinder Abhebungen tätigen können, um beispielsweise Möbel für das Kinderzimmer zu kaufen oder die Urlaubsreise der Familie zu finanzieren.

Das Oberlandesgericht Bremen hat mit Beschluss vom 03.12.2014 (Az. 4 UF 112/14) entschieden, dass die den Eltern zustehende Vermögenssorge eine sogenannte fremdnützige Verwaltung ist und diese nicht berechtigt, das auf dem Sparbuch der Kinder angelegte Geld für den Eltern obliegende Aufgaben zu verwenden.

Die elterliche Sorge umfasst zwar nach § 1626 Abs. 1 BGB unter anderem die Vermögenssorge. Diese beinhaltet nach § 1642 BGB aber nicht nur die Pflicht der Eltern, das ihrer Verwaltung unterliegende Geld der Kinder wirtschaftlich anzulegen, sondern diese verbietet es zugleich, das Geld der Kinder für persönliche Zwecke zu gebrauchen und sei es auch nur für die gemeinsame Urlaubsreise. Heben die Eltern somit Geld vom Sparbuch der Kin­der ab, steht diesen gegen die Eltern ein Schadens­ersatz­an­spruch zu, welchen die Kinder, vertreten durch einen Er­gän­zungs­pfleger, geltend machen können. Abgehobene Gelder sind danach von den Eltern wieder zurückzuzahlen.

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Zwanzigjährige in der Berufsvorbereitung – keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern

Rechtskräftiger Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 03.12.2014 (2 WF 144/14)
Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 24.02.2015

Kindesunterhalt: Der Besuch einer primär der Verbesserung der allgemeinen Fähigkeiten dienenden berufsvorbereitenden Bildungs­maß­nahme durch ein volljähriges Kind begründet keine gesteigerte Erwerbspflicht der Eltern. Das hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm am 03.12.2014 beschlossen und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Dorsten bestätigt.

Die 20jährige Antragstellerin aus Dorsten ist die Tochter der Antragsgegnerin. Sie lebt bei ihrem Vater, der selbst erwerbs­unfähig ist und Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II bezieht. Die Antragsgegnerin ist geringfügig beschäftigt und erhält ergänzend Leistungen nach dem SGB II. Die Antrag­stel­le­rin hat die Hauptschule ohne Abschluss beendet. Sie möchte eine Berufsschule besuchen, dort den Hauptschulabschluss und darauf aufbauend den Realschulabschluss erreichen, um Altenpflegerin zu werden. Derzeit absolviert sie eine berufsvorbereitende Bil­dungsmaßnahme der Stadt, um ihre Lese-, Rechtschreib- und Lernkompetenzen zu verbessern. Sie erhält eine monatliche Ausbildungsbeihilfe von ca. 250 Euro. Von der Antragsgegnerin begehrt sie monatlichen Volljährigenunterhalt in Höhe von ca. 300 Euro und meint, ihre Mutter treffe eine gesteigerte Er­werbs­pflicht, weil sie, die Antragstellerin, sich noch in der allgemeinen Schulbildung befinde. Mit dieser Begründung hat sie Ver­fah­rens­kos­ten­hilfe für eine Unterhaltsklage gegen die Antragsgegnerin begehrt.
Der Antrag der Zwanzigjährigen ist erfolglos geblieben. Nach der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift des § 1603 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, so der 2. Senat für Familien­sachen, sei die Antragstellerin bis zur Vollendung des 21. Lebens­jahres nur dann privilegiert und einem minderjährigen unverheirateten Kind gleichzustellen, wenn sie im Haushalt eines Elternteils lebe und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinde. Letzteres sei nicht der Fall. Die Tochter absolviere eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, mit der sie gerade nicht primär auf den nachträglichen Erwerb des Hauptschul­abschlusses oder eines gleichwertigen Schulabschlusses vorbereitet werden solle. Die Maßnahme diene vorrangig der beruflichen Integration und solle es der Antragstellerin ermöglichen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen für die Aufnahme einer beruflichen Ausbildung zu überprüfen, zu bewerten und zu erweitern und eine Berufswahlentscheidung zu treffen. Es gehe mithin um eine allgemeine Verbesserung vorhandener Fähigkeiten der Antragstellerin und nicht primär darum, dass sie die Schulzeit mit einem qualifizierten Abschluss beende. Im Übrigen enthalte die Maßnahme auch einen Berufsschulteil, der nicht mehr zur allgemeinen Ausbildung zähle, weil berufsbezogene Ausbildungsinhalte vermittelt würden.
Aufgrund ihrer Einkommenssituation sei die Antragsgegnerin gegenüber der somit nicht privilegierten, volljährigen Antrag­stellerin wegen des dann geltenden höheren Selbstbehalts nicht leistungsfähig und schulde keinen Unterhalt.

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Veröffentlichung von Videoaufnahmen eines Arbeitnehmers – Einwilligungserfordernis

Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse von Arbeit­nehmern nur mit ihrer Einwilligung veröffentlicht werden. Diese muss schriftlich erfolgen. Eine ohne Einschränkung erteilte Einwilligung des Arbeitnehmers erlischt nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Sie kann aber widerrufen werden, wenn dafür ein plausibler Grund angegeben wird.

Der Kläger war im Sommer 2007 in die Dienste der Beklagten getreten, die ein Unternehmen für Klima- und Kältetechnik mit etwa 30 Arbeitnehmern betreibt. Im Herbst 2008 erklärte der Kläger schriftlich seine Einwilligung, dass die Beklagte von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen macht und diese für ihre Öffentlichkeitsarbeit verwendet und ausstrahlt. Danach ließ die Beklagte einen Werbefilm herstellen, in dem zweimal die Person des Klägers erkennbar abgebildet wird. Das Video konnte von der Internet-Homepage der Beklagten aus angesteuert und ein­ge­se­hen werden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete im September 2011. Im November 2011 erklärte der Kläger den Widerruf seiner „möglicherweise“ erteilten Einwilligung und forderte die Beklagte auf, das Video binnen 10 Tagen aus dem Netz zu nehmen. Dem folgte die Beklagte – unter Vorbehalt – Ende Januar 2012. Der Kläger verlangt die Unterlassung wei­te­rer Veröffentlichung und Schmerzensgeld.

Die Klage war vor dem Arbeitsgericht teilweise, vor dem Landes­arbeitsgericht zur Gänze erfolglos geblieben. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat keinen Erfolg. Unterstellt, die Abbildungen vom Kläger in dem Video bedurften seiner Ein­willigung nach § 22 KUG, so hatte die Beklagte diese erhalten. Auch das Erfordernis einer schriftlichen Ein­willigung, das sich aus dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbst­be­stim­mung ergibt, war im Falle des Klägers erfüllt. Seine ohne Ein­schränkungen gegebene schriftliche Zustimmung erlosch nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Ein späterer Widerruf war grundsätzlich möglich, jedoch hat der Kläger für diese gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben. Er kann daher eine weitere Veröffentlichung nicht untersagen lassen und würde durch diese in seinem Persönlichkeitsrecht nicht verletzt werden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 8/15 vom 19.02.2015
Urteil vom 10. Februar 2015 – 8 AZR 1011/13 –

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