Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Erblasser verstarb im Jahre 2012. Er setzte seine Ehefrau als testamentarische Alleinerbin ein. Der Sohn B hatte 1994 das Hausgrundstück der Eltern erhalten. Dieses hatte drei Stockwerke, die Eltern behielten sich ein Wohnungsrecht in den Räumlichkeiten im Erdgeschoss vor. Die unentgeltliche Nutzung des Gartens, der Nebenräume sowie aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens mit Wasser, Wärme, Energie und Entsorgung sowie die Mitnutzung der Garage waren vereinbart. Darüber hinaus nutzten sie im Obergeschoss zwei Zimmer und zusammen mit dem Sohn das Bad. Geschlossene Wohnungen gab es nicht. Es wurde vereinbart, dass der Sohn weder ohne Zustimmung seiner Eltern das Grundstück veräußern noch Um- und Ausbaumaßnahmen vornehmen dürfe. Der Sohn war berechtigt, Grundpfandrechte bis zu einer bestimmten Höhe im Rang vor dem Wohnungsrecht zu bewilligen. Der weitere Sohn machte erfolglos seinen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch aus dem halben Wert des Hausgrundstückes geltend.
Der BGH hält an der sogenannten Genussverzichtsrechtsprechung ausdrücklich fest. Nach § 2325 Abs. 1 BGB besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung macht. Diesbezüglich findet gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Abschmelzung statt. Eine Schenkung 10 Jahre vor dem Erbfall führt nicht zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB. Der Fristlauf beginnt erst dann, wenn der Erblasser seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt. Ebenfalls muss er darauf verzichten, den verschenkten Gegenstand im Wesentlichen weiterhin zu nutzen, sei es entweder aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder aber durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche. Aufgrund dessen gilt gemäß der Rechtsprechung des BGH eine Schenkung als nicht geleistet, wenn der Erblasser auf den Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht auch tatsächlich verzichten muss.
Wird der Nießbrauch bei einer Schenkung uneingeschränkt vorbehalten, wurde der Genuss des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben. Ob dies nun aber auch für ein vorbehaltenes Wohnungsrecht gilt, ist nicht abstrakt beantwortbar. Diesbezüglich ist eine Einzelfallentscheidung erforderlich. Der Fristablauf kann beim Wohnungsrecht ausnahmsweise gehindert sein. Maßgeblich ist, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss im Wesentlichen nutzen konnte. Der Erblasser muss seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgeben und darauf verzichten, den Gegenstand im Wesentlichen weiter zu nutzen. Eine Schenkung gilt im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB als geleistet, wenn der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstands auch tatsächlich entbehren muss.
Die Auswirkung der BGH-Entscheidung ist, dass dieser eine Gestaltung billigt, um Pflichtteilsansprüche zu vermeiden. Leben Erblasser und Kind gemeinsam im Haus, kann das Grundstück an das Kind verschenkt werden und der Erblasser kann sich ein Wohnungsrecht an den von ihm genutzten Räumen vorbehalten. Eine Abschmelzung findet statt. Nach 10 Jahren besteht kein Pflichtteilsergänzungsanspruch mehr. Nach dem vorliegenden Urteil ist dies sogar der Fall, wenn sich für den Erblasser hierdurch nichts verändert.
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