Monatsarchiv 29. Juni 2016

Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus betrieblichen Termingeschäften verfassungsgemäß

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 45/16, Pressemitteilung vom 29.06.2016, Urteil vom 28.04.2016,  Aktenzeichen IV R 20/13

Die Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus betrieblichen Termin­ge­schäf­ten nach § 15 Abs. 4 Satz 3 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist grundsätzlich verfassungsgemäß. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. April 2016 IV R 20/13 entschieden hat, gilt dies zumindest dann, wenn derartige Ver­luste noch mit späteren Gewinnen aus entsprechenden Ge­schäf­ten verrechnet werden können und es deshalb noch nicht zu einer endgültigen Einkommensteuerbelastung kommt.

Im Urteilsfall hatte eine Personengesellschaft, deren Geschäfts­zweck in erster Linie die Verpachtung von Grundstücken war, liquide Mittel in Zins-Währungs-Swaps investiert und daraus erhebliche Verluste bezogen. Das Finanzamt hatte die Fest­stellung getroffen, dass die Verluste solche aus Termingeschäften i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG seien. Deshalb kam es nicht zu einer Verrechnung mit den im Übrigen erzielten Gewinnen. Zugleich ergab sich aus der Feststellung, dass die Verluste nur mit künftigen Gewinnen aus Termingeschäften verrechenbar waren.

Die sich aus § 15 Abs. 4 Satz 3 ff. EStG ergebende Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung ist nach dem Urteil des BFH jedenfalls in den Fällen verfassungsgemäß, in denen dem Steuerpflichtigen eine entsprechende Verlustnutzung in zukünftigen Jahren grund­sätzlich noch möglich ist. Denn verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, dass sich ein Verlust steuerlich schon im Ver­an­lagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Auch die Schlechterstellung betrieblicher Verluste aus Termingeschäften gegenüber sonstigen betrieblichen Verlusten, die grundsätzlich in vollem Umfang im Veranlagungsjahr verrechnet werden können, ist sachlich gerechtfertigt. Denn bei den von der Regelung be­troffenen Termingeschäften handelt es sich um hoch­spe­ku­la­tive und damit besonders risikogeneigte Geschäfte, und der Eintritt von Verlusten bei solchen Geschäften ist daher deutlich wahr­scheinlicher als der Eintritt von Verlusten bei sonstigen be­trieb­lichen Tätigkeiten. Der Gesetzgeber ist berechtigt, derartige risikogeneigten be­trieb­lichen Tätigkeiten, auch wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen werden, steuerlich anders zu behandeln als sonstige betriebliche Tätigkeiten, die nicht einen vergleichbar spekulativen Charakter haben. Ob die Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung als verfassungswidrig anzusehen sein könnte, wenn eine Verlustnutzung in späteren Jahren z.B. wegen einer verlustbedingten Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht möglich ist, war im Streitfall nicht zu entscheiden.

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Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist durch Klageerhebung

Gilt in einem Arbeitsverhältnis eine tarifliche Aus­schlussfrist, innerhalb derer ein Anspruch ge­gen­über dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht werden muss, reicht es zur Fristwahrung nicht aus, dass das Anspruchsschreiben vor Ablauf der Frist bei Gericht ein­ge­gangen ist und dem Anspruchs­gegner ggf. später zugestellt wird. Entscheidend ist der Zugang beim Anspruchsgegner selbst. § 167 ZPO findet für die Wahrung einer ein­fachen tariflichen Aus­schluss­frist bei der außergerichtlichen Geltend­machung keine Anwen­dung.

Der Kläger begehrt von seinem Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013. Den Anspruch hat er erstmals mit seiner bei Gericht am 18. Dezember 2013 eingegangenen und dem beklagten Arbeitgeber am 7. Januar 2014 zugestellten Klage geltend gemacht. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden § 37 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) verfallen Ansprüche aus dem Arbeits­verhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten – im konkreten Fall für die klägerische Forderung: bis zum 30. Dezember 2013 – schriftlich geltend gemacht wer­den. Der Kläger hat gemeint, zur Wahrung dieser Aus­schluss­frist habe der fristgerechte Eingang der Klageschrift bei Gericht aus­gereicht. § 167 der Zivilprozessordnung (ZPO), der dies jeden­falls für bestimmte Maßnahmen gegen den Ablauf von Ver­jäh­rungs­fristen ausdrücklich regele, sei auch auf die Einhaltung tariflicher Verfallfristen anzuwenden. Der beklagte Arbeitgeber hat dem entgegengehalten, es komme bei außergerichtlichen Fristen allein auf den tatsächlichen Zugang des Geltend­machungs­schreibens an. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Die hiergegen gerichtete Revision des beklagten Landes hatte Erfolg. Der Vierte Senat hat entschieden, dass § 167 ZPO auf tarifliche Ausschlussfristen, die durch eine bloße schriftliche Geltendmachung gewahrt werden können, nicht anwendbar ist. Er folgt damit der langjährigen Rechtsprechung des Bundes­arbeitsgerichts, nach der der Gläubiger einer Forderung sich den Zeitverlust durch die – in der Sache nicht zwingend erforderliche – Inanspruchnahme des Gerichts selbst zuzurechnen hat. Die Zustellung der Klageschrift am 7. Januar 2014 war danach verspätet und die Klage abzuweisen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 12/16 vom 16.03.2016
Urteil vom 16. März 2016 – 4 AZR 421/15 –

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Doppelte Gebührenentstehung bei verbindlicher Auskunft

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 44/16, Pressemitteilung vom 22.06.2016, Urteil vom 09.03.2016,  Aktenzeichen I R 66/14

Beantragen sowohl Organträger als auch Organgesellschaft beim Finanzamt (FA) eine verbindliche Auskunft über den gleichen Sachverhalt, müssen beide Antragsteller die volle Auskunftsgebühr entrichten, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 9. März 2016 I R 66/14 zu einer ertragsteuerlichen Organschaft entschieden hat.

Erteilt das FA einem Steuerpflichtigen auf dessen Antrag hin eine für ihn günstige Auskunft über einen in der Zukunft liegenden Sachverhalt, sind das FA und später ggf. die Finanzgerichte grundsätzlich an den Inhalt der Auskunft gebunden, sodass Planungssicherheit für den Steuerpflichtigen besteht. Seit 2007 ist der Auskunftsantrag gebührenpflichtig; die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem Wert, den die erhoffte Auskunft für den Steuerpflichtigen hat (§ 89 Abs. 3 und 4 der Abgabenordnung).

Im Streitfall hatten der Organträger (eine GmbH) und seine Organgesellschaft (eine AG) im Jahr 2009 beim FA einen ge­meinsamen Antrag auf verbindliche Auskunft über ein und denselben Sachverhalt gestellt. Das FA erteilte die Auskunft antragsgemäß und setzte gegenüber beiden Gesellschaften die volle Auskunftsgebühr von jeweils rd. 5.000 € fest.

Der BFH hat die hiergegen von der AG erhobene Klage ab­ge­wiesen. Er hält die doppelte Gebührenerhebung für gerecht­fertigt, weil das Gesetz die Gebühr typisierend an den jeweiligen Antrag knüpft. Es bestehen keine weitergehenden Sonder­re­ge­lun­gen, aus denen sich ein Entfallen des Gebührenanspruchs für einen Fall der vorliegenden Art ergibt.

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In Härtefällen steht Versicherten ein Anspruch auf Übernahme der den Festbetrag übersteigenden Eigenanteile für ein Medikament durch die Krankenversicherung zu

Das Sozialgericht Berlin hat mit Datum vom 22.06.2016, Aktenzeichen S 211 KR 492/13, entschieden, dass eine Vollversorgung mit Arzneimitteln ohne Begrenzung auf den hierfür festgesetzten Festbetrag auch dann zu erfolgen hat, wenn die allergische Unverträglichkeit von Generika nicht objektiv feststellbar ist, da selbst eine Austestung unter stationären Bedingungen aufgrund der möglichen vitalen Gefährdung nicht möglich ist, seitens eines Gutachters die anamnestische Beschreibung eines anaphylaktischen Schocks jedoch als plausibel bewertet wird.

Das Sozialgericht hatte die Grundsätze des Bundessozialgerichts auszulegen, wann ausnahmsweise Festbeträge nicht anzuwenden sind. Hierbei handelte es sich um die Auslegung des Urteils vom 03.07.2012, Aktenzeichen B 1 KR 22/11 R.

Die Grundsätze des Bundessozialgerichts beinhalten, dass die Inanspruchnahme teurerer Medikamente möglich ist, wenn eine zusätzliche Krankheit aufgetreten oder eine bestehende Krankheit verschlimmert wurde. Darüber hinaus muss die zusätzliche Krankheit oder Verschlimmerung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die Medikamente, die dem festgesetzten Betrag entsprachen, bedingt sein. Das teurere Medikament darf keine solche Nebenwirkung zeigen und muss daher alternativlos sein. Hierfür wird ein Vollbeweis ärztlicherseits gefordert. Eine schriftliche ärztliche Bescheinigung ist hierfür unerlässlich. Diese muss insbesondere beinhalten:

  1. Welche Generika/Wirkstoffe wurden getestet?
  2. Welche Generika/Wirkstoffe wurden nicht vertragen und was waren die diesbezüglichen Reaktionen?
  3. Liegen besondere Eigenschaften des gewünschten Medikaments vor, was ergibt sich bezüglich der Verträglichkeit?
  4. Besteht eine gesundheitliche Gefahr, wenn andere Medikamente getestet werden?

Somit ist es also möglich, in Härtefällen den Kostenersatz eines Präparats zu erhalten, das den Festbetrag übersteigt.

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Türkischer Brautschmuck: Umgehängt heißt geschenkt

Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 25.04.2016 (4 UF 60/16)
Quelle: Oberlandesgericht Hamm Pressemitteilung vom 17.06.2016

Brautschmuck, der der Ehefrau türkisch­stämmiger Brautleute bei einer in der Türkei stattfindenden Hochzeit umgehängt wird, gilt regelmäßig als Geschenk für die Braut. Veräußert der Ehemann diesen Schmuck ohne Zustimmung der Ehefrau, kann er ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Das hat der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm am 25.04.2016 beschlossen und den Ehemann unter Versagung von Verfahrenskostenhilfe auf die Erfolglosigkeit seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bochum vom 04.02.2016 (87 F 33/13) hingewiesen. Diese Beschwerde hat der Ehemann sodann zurückgenommen.

Der Ehemann aus Bochum und seine Ehefrau aus Kreuztal leben seit dem Jahr 2011 getrennt. Sie hatten 2009 zunächst in Kreuztal standesamtlich geheiratet und im Anschluss hieran ihre Hochzeit in der Türkei gefeiert. Anlässlich dieser Hoch­zeits­feier übergaben verschiedene Verwandte der Ehefrau mehrere Schmuckstücke. Sie erhielt eine Goldkette, 14 gemusterte und zwei glatte Armreifen aus Gold sowie eine Armkette und eine Halskette, ebenfalls jeweils aus Gold. Die Schmuckstücke trug die Ehefrau während der Hochzeitsfeier und auch einige Wochen danach, im Verlauf des weiteren Aufenthalts in der Türkei sowie in der ersten Zeit nach der Rückkehr nach Deutschland. Danach übergab sie die Schmuckstücke im Einvernehmen mit ihrem Ehemann an dessen Bruder, der sie in einem Schließfach verwahren sollte.

Nach der Trennung der Eheleute händigte der Bruder dem Ehemann die Schmuckstücke aus, der sie in der Folgezeit ohne Zustimmung seiner Ehefrau in der Türkei für umgerechnet ca. 14.300 Euro verkaufen ließ. Mit der Be­grün­dung, dass der Schmuck einen Wert von ca. 29.100 Euro ge­habt habe, hat die Ehefrau vom Ehemann nach Bekannt­werden der Veräußerung Wertersatz verlangt. Nach Ein­ho­lung eines Wertgutachtens hat das Familiengericht der Ehefrau ca. 27.300 Euro zugesprochen.

Die Beschwerde des Ehemanns gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Familiengerichts ist erfolglos geblieben. An dem ihr bei der Hochzeit überreichten Goldschmuck habe die Ehe­frau, so der 4. Senat für Familiensachen des Ober­landes­gerichts Hamm, Alleineigentum erworben. Nach dem für die Hoch­zeits­feier in der Türkei maßgeblichen türkischen Zivilrecht werde Goldschmuck, der einer Frau während der Hochzeit umgehängt werde, als ihr geschenkt angesehen, und zwar unabhängig davon, wer den Schmuck gekauft habe. Das gelte auch im vorliegenden Fall. Den Gegenbeweis dafür, dass der Schmuck nicht seiner Ehefrau, sondern ihm geschenkt werden sollte, habe der Ehemann nicht geführt. Mit der Veräußerung des Schmucks habe der Ehemann das Eigentum der Ehefrau verletzt. Deswegen habe er Schadensersatz in Höhe des Wertes des Schmuckes zu leisten, den das Amtsgericht mithilfe des eingeholten Sachverständigengutachtens zutreffend ermittelt habe.

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Häusliches Arbeitszimmer rechtfertigt nicht Berücksichtigung der Aufwendungen für Nebenräume

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 43/16, Pressemitteilung vom 15.06.2016, Urteil vom 17.02.2016, Aktenzeichen X R 26/13

Bei einem steuerrechtlich anzu­er­ken­nen­den Arbeitszimmer sind Aufwendungen für Nebenräume (Küche, Bad und Flur), die in die häusliche Sphäre eingebunden sind und zu einem nicht unerheblichen Teil privat genutzt werden, nicht als Betriebsausgaben oder Wer­bungs­kosten abziehbar. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17. Februar 2016 X R 26/13 entschieden.

Die Klägerin unterhielt in ihrer Wohnung ein häusliches Ar­beits­zimmer, das sie so gut wie ausschließlich für ihre nur von diesem Arbeitszimmer aus betriebene gewerbliche Tätigkeit nutzte. Wäh­rend das Finanzamt (FA) die Aufwendungen dafür als Be­triebs­ausgaben anerkannte, versagte es die Berücksichtigung der hälftigen Kosten für die jedenfalls auch privat genutzten Nebenräume (Küche, Bad und Flur).

Der BFH gab dem FA Recht. Der Große Senat des BFH hatte in seinem Beschluss vom 27. Juli 2015 GrS 1/14 bereits ent­schie­den, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, das nicht nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird („gemischt genutztes Arbeitszimmer“) steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Mit der vorliegenden Entscheidung knüpft der BFH hieran auch für Nebenräume der häuslichen Sphäre an. Die Nutzungsvoraussetzungen sind individuell für jeden Raum und damit auch für Nebenräume zu prüfen. Eine zumindest nicht unerhebliche private Mitnutzung derartiger Räume ist daher abzugsschädlich.

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Zuwendung ist auch bei Verbindung mit einem Erbverzicht unentgeltlich

Der BGH hat mit Datum vom 04.07.2015, Aktenzeichen X ZR 59/13, entschieden, dass nicht allein der Erbverzicht dazu führt, dass ein entgeltlicher Vertrag vorliegt. Vielmehr hängt die Einordnung der Zuwendung einer Schenkung davon ab, ob sich die Vertrags­parteien darüber einig sind, dass diese unentgeltlich erfolgen soll.

Die Leitsätze des Urteils lauten diesbezüglich wie folgt:

  1. Auch bei einer mit einem Erbverzicht verbundenen Zuwendung ist für deren Qualifikation als Schenkung maßgeblich, ob sich die Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind.
  2. Ob eine unentgeltliche Zuwendung gewollt war, ist unter Wür­digung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Maß­geb­liche Bedeutung kann hierbei neben dem Wortlaut des Ver­tra­ges über die Zuwendung und den Erbverzicht den Um­stän­den seines Zustandekommens und seiner Aus­ge­stal­tung im Ein­zelnen zukommen.
  3. Der Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht nimmt der Zu­wendung jedenfalls soweit nicht den Charakter der Un­ent­gelt­lichkeit, als er nach dem Willen der Vertragsparteien der Aus­gleichung der lebzeitigen Zuwendung bei der Erbfolge dienen soll. Ein solcher Wille ist mangels gegenläufiger An­haltspunkte regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt. Der BGH geht in seiner Abwägung davon aus, das der Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht der Zuwendung den Charakter der Unentgeltlichkeit deshalb nicht nimmt, als er nach dem Willen der Vertragsparteien dazu dienen soll, lebzeitige Zuwendungen bei der Erbfolge auszugleichen. Bei Fehlen gegenläufiger An­haltspunkte ist ein solcher Wille regelmäßig anzunehmen, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa dem entspricht, was als Erbe erwartet wird oder dies gar übersteigt.

    Wenn die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter dem zu­rück­bleibt, was als Erbe erwartet wird, kann dies gegen eine Schenkung sprechen. Um den maßgeblichen Willen der Ver­trags­parteien zu ermitteln, können neben dem Wortlaut des Vertrages über die Zuwendung und des Erbverzichtes ins­be­son­dere auch die Umstände bedeutsam sein, wie er zustande ge­kommen und im Einzelnen ausgestaltet ist. Mit dieser Ent­schei­dung gibt der BGH einen Maßstab vor, mit dem geklärt werden kann, ob der Vertrag unentgeltlich ist oder nicht.

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Beschränkung der Lizenz älterer Piloten wirksam?

Der Kläger war seit 1986 bei der Beklagten als Flugkapitän beschäftigt und daneben auch in der Ausbildung anderer Piloten eingesetzt. Er vollendete im Oktober 2013 das 65. Lebensjahr und schied mit Erreichen der Regelaltersgrenze zum 31. Dezember 2013 aus. In den Monaten November und De­zember 2013 beschäftigte die Beklagte den Kläger nicht. Sie hat sich darauf berufen, der Kläger dürfe nach Vollendung des 65. Lebens­jahres nicht mehr im gewerblichen Luftverkehr tätig sein. Der Kläger fordert für diese beiden Monate Vergütung.

Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter, während der Kläger die Stattgabe seines Klageantrags in voller Höhe erstrebt. Für den Senat ist es erheblich, ob FCL.065 b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 vom 3. November 2011, wonach ein Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein darf, mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) vereinbar ist. Deshalb hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Gültigkeit und Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

  1. Ist FCL.065 b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 GRC vereinbar?
  2. Ist FCL.065 b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 mit Art. 15 Abs. 1 GRC, wonach jede Person das Recht hat zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, vereinbar?
  3. Falls die erste und zweite Frage bejaht werden:
    1. Fallen unter den Begriff des „gewerblichen Luftverkehrs“ im Sinne der FCL.065 b bzw. der Bestimmung dieses Begriffs in FCL.010 des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 auch sog. Leerflüge im Gewerbebetrieb eines Luft­ver­kehrs­unternehmens, bei denen weder Fluggäste, noch Fracht oder Post befördert werden?
    2. Fallen unter den Begriff des „gewerblichen Luftverkehrs“ im Sinne der FCL.065 b bzw. der Bestimmung dieses Begriffs in FCL.010 des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 die Ausbildung und Abnahme von Prüfungen, bei denen der über 65-jährige Pilot sich als nicht fliegendes Mitglied der Crew im Cockpit des Flugzeugs aufhält?

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 4/16 vom 27.01.2016
Beschluss vom 27. Januar 2016 – 5 AZR 263/15 (A) –

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Kindergeld für Elternteile, die im EU-Ausland leben

Quelle: BFH-Pressemitteilung Nr. 42/16, Pressemitteilung vom 08.06.2016, Urteil vom 04.02.2016, Aktenzeichen III R 17/13 , Urteil vom 10.03.2016, Aktenzeichen III R 62/12

Lebt ein Kind im EU-Ausland bei der ge­schie­denen Ehefrau, ist sie, nicht aber der in Deutschland lebende Vater kinder­geld­berechtigt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 4. Februar 2016 III R 17/13 entschieden hat.

Im Streitfall beantragte ein in Deutschland wohnender deutscher Staatsangehöriger Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebte in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau des Klägers. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, der Anspruch auf Kindergeld stehe nicht dem Kläger zu. Kindergeldberechtigt sei die geschiedene Ehefrau. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf­ent­halt verfügt habe. Vor dem Finanzgericht (FG) hatte der Kläger Erfolg. Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab.

Entscheidend ist hierfür die unionsrechtliche Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der ab dem 1. Mai 2010 geltenden VO Nr. 987/2009). Danach ist bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenz­über­schreitenden Sachverhalten die gesamte Familie so zu be­han­deln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Fa­mi­lien­leistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion).

Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheidet, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, ist auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gilt sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit steht ihr der Anspruch auf Kindergeld zu, da nach deutschem Recht das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Da der BFH Zweifel hatte, ob das Unionsrecht tatsächlich eine solch weitgehende Fiktion beabsichtigte, richtete er ein Vorab­entscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), in dem der EuGH (Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 in der Rechtssache Trapkowski) entschied, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchs­berechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

In seinem Urteil folgte der BFH der Beurteilung durch den EuGH. Damit war das Urteil des FG aufzuheben und die Klage des Va­ters abzuweisen. Die Entscheidung des BFH ist von all­ge­mei­ner Bedeutung für Fälle, in denen die Eltern eines Kindes in unter­schiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein ge­mein­sa­mer Haushalt der Eltern und des Kindes besteht. In Bezug auf den Sohn, für den das Kindergeld beansprucht wurde, hat die Familienkasse nunmehr über den Kindergeldanspruch der geschiedenen Ehefrau zu entscheiden.

Inhaltsgleich hat der BFH in einem zweiten Urteil vom 10. März 2016 III R 62/12 entschieden. Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Klägers bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der BFH folgte auch hier dem EuGH-Urteil Trapkowski. Somit war auch hier zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebte. Ein Anspruch auf Kindergeld steht somit ihr zu und nicht dem Kläger.

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Eine sofortige Beschwerde gegen die Bestellung eines Prozesspflegers ist nicht möglich

22Der BGH hat mit Datum vom 22.06.2016, Aktenzeichen XII ZB 142/15, entschieden, dass die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 Abs. 1 ZPO nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist.

Die Bestellung eines Prozesspflegers findet gem. § 57 ZPO dann statt, wenn eine nicht prozessfähige Partei verklagt werden soll, die ohne gesetzlichen Vertreter ist. In diesem Fall hat der Vorsitzende des Prozessgerichtes, falls mit dem Verzug Gefahr verbunden ist, auf Antrag bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters einen besonderen Vertreter zu bestellen. Dieser wird Prozesspfleger genannt.

Im vorliegenden Fall hatte das zuständige Amtsgericht in einem Zugewinnausgleichsverfahren für die Beklagte gem. § 57 ZPO einen Prozesspfleger bestellt, da an der Prozessfähigkeit der Beklagten erhebliche Zweifel bestanden hatten. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hatte das Oberlandesgericht die Prozesspflegschaft aufgehoben. Der Kläger wandte sich hiergegen mit der Rechtsbeschwerde. Diese wurde zugelassen und war erfolgreich. Grund hierfür ist, dass die Beschwerde eines Beklagten gegen die Bestellung eines Prozesspflegers unzulässig ist, da es an einem vom Amtsgericht zurückgewiesenen Gesuch im Sinne des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO fehlt, da dem Antrag nach § 57 ZPO stattgegeben wurde.

Im vorliegenden Fall wurde für das Verfahren noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht, nämlich das FGG, angewandt.

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