Das FG Schleswig-Holstein hat mit Datum vom 04.05.2016, Aktenzeichen 3 K 148/15, entschieden, dass ein Alleinerbe nach dem Tod des verpflichteten Erblassers seinen nun gegen sich selbst gerichteten Pflichtteilsanspruch auch noch geltend machen und als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen kann, wenn der Anspruch bereits verjährt ist.
Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vater und die Mutter des Klägers hatten ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, worin sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den Sohn zum Erben des Überlebenden einsetzten. Zuerst verstarb der Vater, dann die Mutter. Der Sohn beerbte die Mutter. In seiner Erbschaftsteuererklärung setzte er als Nachlassverbindlichkeit seinen eigenen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Vaters an. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest, ohne diesen Pflichtteilsanspruch zu berücksichtigen. Daraufhin erhob der Sohn Klage. Die Klage war erfolgreich.
Das FG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass das Finanzamt im vorliegenden Fall zu Unrecht den als Nachlassverbindlichkeit geltend gemachten Pflichtteilsanspruch bei der Erbschaftsteuerfestsetzung nicht steuermindernd berücksichtigt hat. Für die Abziehbarkeit von Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeit gilt Folgendes:
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 5 Nr. 1 ErbStG sind vom Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden persönlichen Verbindlichkeiten als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Das sind die Verbindlichkeiten, die gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, § 45 Abs. 1 AO im Rahmen der Rechtsnachfolge auf den Erben übergehen. Der Abzug setzt voraus, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und im Regelfall den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belasten. Mit dem zusätzlichen Erfordernis der wirtschaftlichen Belastung weicht das Erbschaftsteuerrecht somit vom Zivilrecht ab.
§ 10 Satz 2 ErbStG beinhaltet, dass gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen gemäß §§ 2303 ff BGB zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt ein Pflichtteilsanspruch jedoch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er auch geltend gemacht wird. Dies ist Voraussetzung für die Abziehbarkeit.
Unter Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches versteht man das ernstliche Verlangen auf Erfüllung des Anspruches gegenüber dem Erben. Es muss eine Bekundung des Pflichtteilsberechtigten in geeigneter Weise stattfinden, aus der ersichtlich ist, dass er die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruches verlangt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG wirkt die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben zurück, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Es handelt sich somit um ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Die Verbindlichkeit geht zivilrechtlich auf den Erben über, wenn der Pflichtteilsverpflichtete vor der Erfüllung des Pflichtteilsanspruches verstirbt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch vorher geltend gemacht wurde gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB. Abweichend vom Zivilrecht stellt die Pflicht, den Pflichtteil zahlen zu müssen, nur eine vom Erblasser herrührende Schuld und somit eine abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Berechtigte diesen Anspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nun geltend macht. Geschieht dies vor Verjährung des Pflichtteilsanspruches, gilt der Pflichtteilsanspruch als Erwerb des Pflichtteilsberechtigten von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Somit ist eine Abziehbarkeit als Nachlassverbindlichkeit des Pflichtteilsanspruches gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 5 Nr. 1 ErnStG möglich.
Herauszustellen ist, dass der Pflichtteilsanspruch zwar zivilrechtlich verjährt ist, der Anspruch jedoch nicht untergegangen ist. Die verjährte Forderung ist voll wirksam und kann auch eingeklagt werden, es besteht nur die Möglichkeit durch den Erben die Einrede der Verjährung zu erklären, so dass der Anspruch nicht durchsetzbar ist. Somit ist der Pflichtteilsanspruch erbschaftsteuerrechtlich nicht erloschen.
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