In immer mehr Familien lebt einer der beiden Elternteile des Kindes mit einem neuen Partner zusammen. Stiefeltern gibt es in Zeiten von zunehmenden Patchwork-Familien so viele wie nie zuvor. Nach einem Bericht der Bundeszentrale für politische Bildung vom 23.03.2021 wird dabei der Anteil von Stieffamilien auf rund 10 % geschätzt.
Im Gegensatz zu der Kernfamilie, welche aus einer Mutter, einem Vater sowie ihren gemeinsamen leiblichen Kindern besteht, die in einem Haushalt zusammenleben, handelt es sich bei der Stieffamilie um einen Familienverbund, bei dem mindestens ein Elternteil ein Kind aus einer früheren Beziehung in die neue Familie miteingebracht hat. Dabei wird man allein aufgrund der Tatsache, dass man mit einem neuen Partner zusammenlebt, nicht sofort zum Stiefvater oder zur Stiefmutter. Zum Stiefvater oder zur Stiefmutter wird man rechtlich gesehen erst dann, wenn man den neuen Partner heiratet und mit dessen Kindern nicht blutsverwandt ist. Während bereits das Zusammenleben mit dem neuen Partner zu massiven Spannungen mit dem anderen Elternteil des Kindes führen kann, stellen sich mit einer Heirat des neuen Partners auch unterschiedliche rechtliche Fragen.
So ist die weit verbreitete Meinung, dass man mit der Heirat des Partners an die Stelle des anderen Elternteils tritt, falsch.
Auch nach einer Trennung oder Scheidung teilen sich die leiblichen Eltern in aller Regel das Sorgerecht. Das bedeutet, dass der andere leibliche Elternteil, zumindest bei grundlegenden Entscheidungen, zum Beispiel bei der Gesundheitsfürsorge, bei schulischen Belangen oder einem Ortswechsel mit einer größeren räumlichen Distanz, ausdrücklich zustimmen muss. Anders verhält es sich bei Entscheidungen für das Kind im Rahmen des täglichen Lebens. Hier sieht der Gesetzgeber in § 1687b BGB eine Regelung vor, wonach den Stiefeltern ein sogenanntes kleines Sorgerecht gewährt wird. Dieses ermöglicht den Stiefeltern, im Einverständnis mit dem Ehepartner, bei Sachverhalten, die keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, wie zum Beispiel Fragen zur Freizeitgestaltung, mitzuentscheiden.
Ein großes Problem für alle Beteiligten kann bei einer Trennung des leiblichen Elternteils vom Stiefvater oder der Steifmutter entstehen. Nicht selten hat das Kind eine enge Beziehung zum Stiefelternteil aufgebaut. Hier gibt das Gesetz den Stiefeltern, ähnlich wie auch den Großeltern, nach § 1685 Abs. 2 BGB ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben, mithin eine sozial-familiäre Beziehung bestand. Verstirbt der leibliche Elternteil und stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu, geht die elterliche Sorge und damit auch das Recht zu bestimmen, wo das Kind zukünftig wohnen wird, auf den überlebenden Elternteil über. Hat das Kind aber seit längerer Zeit in einem Haushalt mit einem Elternteil und dessen Ehegatten gelebt, kann der Stiefvater oder die Stiefmutter beim Familiengericht beantragen, dass das Kind bei ihm oder ihr bleibt, wenn das Kindeswohl durch den Umzug zum überlebenden Elternteil gefährdet würde (sogenannte Verbleibensanordnung). Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine vorübergehende Maßnahme, welche dem Kind Zeit und Gelegenheit geben soll, sich innerlich auf den Wechsel in den Haushalt des leiblichen Elternteils einzustellen.
Auch der Erbfolge innerhalb der Stieffamilie gilt es besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Nach dem Gesetz sind Stiefeltern und Stiefkinder nicht verwandt. Da die gesetzliche Erbfolge der Blutsverwandtschaft, was bedeutet „Das Gut folgt dem Blut“ unterliegt, sind Stiefkinder im Falle des Todes eines Stiefelternteils gesetzlich nicht erbberechtigt. Besonders starker Handlungsbedarf besteht in einer sogenannten Patchwork-Familie, das heißt in einer Familienstruktur, in der neben Stiefkindern gemeinsame Kinder vorhanden sind. Um eine gerechte Verteilung des Nachlasses zu gewährleisten, empfiehlt es sich dringend, ein Testament zu erstellen, bei welchem aufgrund der unterschiedlichen Verwandtschaftsverhältnisse auf eine sorgfältige, rechtlich einwandfreie Formulierung zu achten ist. Der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ohne testamentarische Verfügung kann ansonsten zu unliebsamen und nicht gewollten erbrechtlichen Ergebnissen führen.
Abschließend noch einige Anmerkungen zur Stiefkindadoption, der in Deutschland häufigsten Form einer Adoption. Mit der Adoption durch den Stiefelternteil hat der andere leibliche Elternteil keine Rechtsbeziehung zum Kind mehr. Rechte und Pflichten, darunter auch das gesetzliche Erbrecht, gehen an den Stiefelternteil. Aber auch hier gilt: eine Adoption ohne Zustimmung auch des leiblichen Elternteils, welcher nach der Adoption alle Rechte gegenüber dem Kind verliert, ist nicht möglich. Ab dem 14. Lebensjahr muss auch das Adoptivkind zustimmen. Ist das Kind volljährig, ist das Einverständnis der leiblichen Eltern nicht mehr notwendig.
Als Fazit bleibt: Alltagsentscheidungen dürfen Stiefeltern für ihre Stiefkinder treffen. Sobald es aber um grundlegendere Dinge geht, haben Stiefeltern gegen den Willen des anderen leiblichen Elternteils keine echte rechtliche Handhabe.
Gez.
Popp