Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.12.2017 – 6 Sa 983/16
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Pensionskasse in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen regelt, dass diejenigen Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, erst ab dem Monat der Antragstellung eine Betriebsrente wegen einer Erwerbsminderung erhalten.
2. Nicht zulässig ist es aber, diese Antragstellung mit dem Erfordernis des Nachweises einer Erwerbsminderung durch Vorlage des Rentenbescheides des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers oder eines amts- oder werksärztlichen Attestes zu verbinden. Hierdurch werden die Pensionsberechtigten unangemessen benachteiligt i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB . Der Beginn der Bezugsberechtigung wird damit davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung bzw. ein Amts- oder Werksarzt im konkreten Fall arbeitet. In den Fällen, in denen die Erwerbsminderung zunächst zu Unrecht verkannt und erst zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend anerkannt wird, könnten keine Betriebsrentenansprüche ab Eintritt des Versorgungsfalls bezogen werden.
3. Diesem Nachteil der Pensionsberechtigten steht kein schützenswertes Interesse der Pensionskasse gegenüber. Zwar hat sie ein berechtigtes Interesse daran, nur bei einer nachgewiesenen Erwerbsminderung Leistungen zu erbringen. Hierfür ist es aber nicht notwendig, dass der Nachweis bereits bei Antragstellung vorliegen muss.
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 22.09.2016 – AZ. 3 Ca 459/16 lev – abgeändert.
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 17.846,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 3.937,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.
II. Die Beklagten haben jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 1. zu 82% und der Beklagten zu 2. zu 18% auferlegt.
III. Die Revision wird für beide Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger rückwirkend eine Betriebsrente wegen Erwerbsminderung zusteht.
Der am 21.11.1957 geborene Kläger war vom 02.03.1973 bis zum 30.09.2005 bei der Beklagten zu 2. bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Beklagte zu 1. ist eine Pensionskasse, deren Mitglied der Kläger seit dem 01.01.1984 ist.
Dem Kläger wurde unter dem Datum des 28.10.2005 im Auftrag beider Beklagten die Auskunft erteilt, dass ihm folgende unverfallbaren Anwartschaften auf Altersruhegeld zum 65. Lebensjahr zustünden:
?Anwartschaft aufgrund der Satzung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zu 1. in Höhe von monatlich 540,80 EUR und eine
?Anwartschaft auf Firmenleistungen der Beklagten zu 2. aus firmenfinanzierten Zusagen in Höhe von 119,32 EUR.
Nachdem ein entsprechender Antrag des Klägers zunächst abgelehnt worden war, gab die Deutsche Rentenversicherung S. einem Widerspruch des Klägers statt und bewilligte ihm mit Bescheid vom 03.11.2015 rückwirkend zum 01.02.2013 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Rentenbescheids (Bl. 102 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Mit einem Schreiben vom 23.11.2015 beantragte der Kläger bei den Beklagten die Bewilligung einer Betriebsrente. Ihm wurde daraufhin eine von der Beklagten zu 1. zu leistende Pensionskassenrente in Höhe von 540,80 EUR und eine von der Beklagten zu 2. zu erbringende Firmenleistung in Höhe von 119,32 EUR mit Wirkung zum 01.11.2015 bewilligt, wie einer Berechnung der C. E. Services GmbH (Bl. 101 d.A.) zu entnehmen ist. Die vom Kläger weitergehend begehrte rückwirkende Bewilligung zum 01.02.2013 lehnten die Beklagten mit einem Schreiben vom 13.01.2016 ab.
Die bei Ausscheiden des Klägers im Jahr 2005 gültige Satzung der Beklagten zu 1. beinhaltete u.a. folgende Regelungen:
„… § 2 Mitgliedschaft Mitglieder der Kasse sind ?ordentliche Mitglieder ?außerordentliche Mitglieder und ?Bezieherinnen und Bezieher von Mitgliedsrenten. § 3 Ordentliche Mitgliedschaft … 5. Die ordentliche Mitgliedschaft endet mit ?der Beendigung des ihr zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses, … ?dem Eintritt des Versicherungsfalles … § 4 Außerordentliche Mitgliedschaft 1.Außerordentliche Mitglieder werden diejenigen ordentlichen Mitglieder, die aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles ausscheiden, sofern nicht die ordentliche Mitgliedschaft gemäß § 3 Nr. 4 ruht. … Soweit die ordentliche Mitgliedschaft vor dem 1. Januar 2003 begonnen hat, gilt § 14. … § 14 Übergangsbestimmungen 1.Soweit die ordentliche Mitgliedschaft vor dem 1. Januar 2001 begonnen hat, ist § 4 Nr. 1 Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass außerordentliche Mitglieder diejenigen ordentlichen Mitglieder werden, die nach Vollendung des 35. Lebensjahres und ?nach zehn Jahren ununterbrochener ordentlicher Mitgliedschaft oder ?nach zwölf Jahren ununterbrochenen Dienstjahren einschließlich drei Jahren ununterbrochener ordentlicher Mitgliedschaft aus dem der ordentlichen Mitgliedschaft zugrunde liegenden Arbeitsver- hältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles ausscheiden, sofern nicht die ordentliche Mitgliedschaft gemäß § 3 Nr. 4 ruht. …“
Die oben zitierten Bestimmungen waren auch in der im Februar 2013 gültigen Satzung enthalten. Die seit dem 01.07.2005 gültigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) beinhalteten u.a. Folgendes:
„… § 5 Leistungen der Kasse 1.Die Kasse gewährt Mitgliedsrenten (§ 6, § 14 Nr. 3 und 4), Hinterbliebenenrenten (§ 8, § 14 Nr. 5, § 15 Nr. 7) und Beitragsrückerstattung (§ 10). 2.Der Anspruch auf Rentenleistungen setzt eine fünfjährige Wartezeit voraus. 3.Die Leistungen sind von der oder dem Bezugsberechtigten oder der Firma unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise schriftlich bei der Kasse zu beantragen. 4.Die Rentenleistungen werden in Euro monatlich nachträglich unbar erbracht. Sie beginnen nach Eintritt des Versorgungsfalles ?für ordentliche Mitglieder mit dem Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. mit Beginn der vorübergehenden Pensionierung durch die Firma, ?in allen übrigen Fällen mit dem ersten Tag des Monats, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingeht, frühestens jedoch im Anschluss an die letzten laufenden Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. … § 6 Mitgliedsrenten 1.Mitgliedsrenten erhalten ordentliche und außerordentliche Mitglieder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Altersrente, vorgezogene Altersrente sowie Rente wegen Erwerbsminderung. 2.Altersrenten … 3.Vorgezogene Altersrenten … 4.Renten wegen Erwerbsminderung werden bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt, wenn und solange das Mitglied durch Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit nicht mehr imstande ist, die Obliegenheiten einer den bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden Stellung bei der Firma zu erfüllen. Sie werden auch im Falle einer vorübergehenden Pensionierung gewährt. Als Nachweis gilt der Rentenbescheid der allgemeinen Rentenversicherung über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder ein amts- bzw. werksärztliches Gutachten. Bei Erreichen der Altersgrenze 65 wird ab dem Folgemonat Altersrente gemäß Nr. 2 in gleicher Höhe gezahlt. …“
Die oben zitierten Regelungen finden sich im Wesentlichen auch in den im Februar 2013 gültigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Es wurden lediglich wegen einer Änderung der Bezifferung in § 5 Nr. 1 AVB statt § 15 Nr. 7 § 16 Nr. 7 zitiert, in § 5 Nr. 2 zusätzlich eine Regelung für den Fall einer familiengerichtlichen Entscheidung aufgenommen und in § 6 Nr. 1 ergänzend zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Formulierung „bzw. bei Nichtbestehen“ hinzugefügt.
Zum 01.01.2014 traten neue Allgemeine Versicherungsbedingungen in Kraft (im Folgenden AVB Neu). Diese waren bezüglich der oben zitierten Regelungen hinsichtlich der Vorgängerbestimmungen inhaltsgleich. Es wurde jedoch unter § 6 Nr. 5 folgende Regelung eingefügt:
„§ 6 Mitgliedsrenten … 5.Das Erfordernis der Beendigung bzw. des Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß Nr. 1 kann entfallen, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit durch einen Rentenbescheid nach Nr. 4 Satz 2 oder das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung im Sinne der allgemeinen Rentenversicherung durch amtsärztliches Gutachten mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird; längstens jedoch für den Zeitraum, für den durch den Rentenbescheid nach Nr. 4 Satz 2 eine rückwirkende Erwerbsminderungs-, Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt wird oder durch amtsärztliches Gutachten die Erwerbsminderung festgestellt wird. Die in § 5 Nr. 4 Satz 2 und Satz 4, 1. HS genannten Zeitpunkte verschieben sich entsprechend. Voraussetzung ist jeweils ein entsprechender Antrag des Mitglieds auf rückwirkende Rente wegen Erwerbsminderung sowie die Zustimmung der Firma.Für die Zeit nach dem rückwirkenden Bezugszeitraum besteht ein Anspruch auf Renten wegen Erwerbsminderung nur, wenn und solange sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wobei § 6 Nr. 4 Satz 5 unberührt bleibt.“
§ 16 Nr. 8 der AVB Neu lautet:
„§ 16 Übergangsbestimmungen … 8.§ 6 Nr. 5 sowie die weiteren daran anknüpfenden Bestimmungen, die im Zusammenhang mit der rückwirkenden Gewährung von Erwerbsminderungsrenten stehen, finden nur Anwendung, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung bzw. eines nach § 6 Nr. 5 gleichgestellten Tatbestands mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wurde, wobei der Zeitpunkt des Eintritts der rückwirkend festgestellten Erwerbsminderung bzw. eines nach § 6 Nr. 5 gleichgestellten Tatbestands nicht vor dem 1. Januar 2014 liegen darf.“
Grundlage der von der Beklagten zu 2. gewährten Firmenrente ist eine von der C. AG mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Versorgungsordnung vom 11.02.2005 (Bl. 410 ff. d.A.) i.V.m. der „Ordnung der betrieblichen Grundrente vom 05.12.1983“ (Bl. 417 ff. d.A.). In der letztgenannten Versorgungsordnung heißt es u.a.:
„§ 11 Firmenrenten 1.Für Mitarbeiter, deren ordentliche Mitgliedschaft nach dem 31. Dezember 1983 begründet wird, leistet das Unternehmen anstelle der Pensionskasse die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nach Maßgabe der Kassensatzung in ihrer jeweils gültigen Fassung.“
Mit seiner Klage vom 07.04.2016 hat der Kläger für die Zeit von Februar 2013 bis einschließlich Oktober 2015 Ansprüche auf eine Erwerbsminderungsrente gegen die Beklagte zu 1. in Höhe von 540,80 EUR brutto monatlich und gegen die Beklagte zu 2. in Höhe von 119,32 EUR monatlich geltend gemacht.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei bereits bei seinem Ausscheiden im Jahr 2005 erwerbsgemindert gewesen. Da der Versorgungsfall damit bereits zum Zeitpunkt seines Ausscheidens vorgelegen habe, sei ein Antrag nach den AVB nicht erforderlich gewesen. Zudem habe er der Beklagten zu 1. bereits im Oktober 2005 mitgeteilt, dass er ausgeschieden sei und einen Rentenantrag stellen werde. Auf erneute telefonische Nachfrage sei ihm mitgeteilt worden, dass er sich nach Erhalt des Rentenbescheids melden solle. Weiter hat der Kläger die Ansicht vertreten, für den Fall, dass entgegen seiner Ansicht von einer außerordentlichen Mitgliedschaft auszugehen sei, käme es für den Rentenbeginn dennoch nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 5 Nr. 4 AVB an, da § 6 Nr. 4 AVB insoweit eine Sonderregelung für die Erwerbsminderungsrente beinhalte. Zumindest aber stehe ihm gemäß § 6 Nr. 5 AVB Neu ab dem 01.01.2014 ein Anspruch zu.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an ihn 17.846,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus aus 540,80 Euro seit dem 01.02.2013, 540,80 Euro seit dem 01.03.2013, 540,80 Euro seit dem 01.04.2013, 540,80 Euro seit dem 01.05.2013, 540,80 Euro seit dem 01.06.2013, 540,80 Euro seit dem 01.07.2013, 540,80 Euro seit dem 01.08.2013, 540,80 Euro seit dem 01.09.2013, 540,80 Euro seit dem 01.10.2013, 540,80 Euro seit dem 01.11.2013, 540,80 Euro seit dem 01.12.2013, 540,80 Euro seit dem 01.01.2014, 540,80 Euro seit dem 01.02.2014, 540,80 Euro seit dem 01.03.2014, 540,80 Euro seit dem 01.04.2014, 540,80 Euro seit dem 01.05.2014, 540,80 Euro seit dem 01.06.2014, 540,80 Euro seit dem 01.07.2014, 540,80 Euro seit dem 01.08.2014, 540,80 Euro seit dem 01.09.2014, 540,80 Euro seit dem 01.10.2014 540,80 Euro seit dem 01.11.2014, 540,80 Euro seit dem 01.12.2014, 540,80 Euro seit dem 01.01.2015, 540,80 Euro seit dem 01.02.2015, 540,80 Euro seit dem 01.03.2015, 540,80 Euro seit dem 01.04.2015, 540,80 Euro seit dem 01.05.2015, 540,80 Euro seit dem 01.06.2015, 540,80 Euro seit dem 01.07.2015, 540,80 Euro seit dem 01.08.2015 540,80 Euro seit dem 01.09.2015, 540,80 Euro seit dem 01.10.2015 zu zahlen; 2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 3.937,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz hieraus aus 119,32 Euro seit dem 01.02.2013, 119,32 Euro seit dem 01.03.2013, 119,32 Euro seit dem 01.04.2013, 119,32 Euro seit dem 01.05.2013, 119,32 Euro seit dem 01.06.2013, 119,32 Euro seit dem 01.07.2013, 119,32 Euro seit dem 01.08.2013, 119,32 Euro seit dem 01.09.2013, 119,32 Euro seit dem 01.10.2013, 119,32 Euro seit dem 01.11.2013, 119,32 Euro seit dem 01.12.2013, 119,32 Euro seit dem 01.01.2014, 119,32 Euro seit dem 01.02.2014, 119,32 Euro seit dem 01.03.2014, 119,32 Euro seit dem 01.04.2014, 119,32 Euro seit dem 01.05.2014, 119,32 Euro seit dem 01.06.2014, 119,32 Euro seit dem 01.07.2014, 119,32 Euro seit dem 01.08.2014, 119,32 Euro seit dem 01.09.2014, 119,32 Euro seit dem 01.10.2014, 119,32 Euro seit dem 01.11.2014, 119,32 Euro seit dem 01.12.2014, 119,32 Euro seit dem 01.01.2015, 119,32 Euro seit dem 01.02.2015, 119,32 Euro seit dem 01.03.2015, 119,32 Euro seit dem 01.04.2015, 119,32 Euro seit dem 01.05.2015, 119,32 Euro seit dem 01.06.2015, 119,32 Euro seit dem 01.07.2015, 119,32 Euro seit dem 01.08.2015, 119,32 Euro seit dem 01.09.2015, 119,32 Euro seit dem 01.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe die Erwerbsminderungsrente erst ab dem 01.11.2015 zu, da er vor dem Monat November 2015 keinen Antrag gestellt habe. § 5 Nr. 4 AVB lege auch für die Erwerbsminderungsrente fest, dass die Rente erst mit dem ersten Tag des Monats, in dem der Rentenantrag bei der Kasse eingehe, geleistet werde. § 6 Nr. 4 AVB enthalte keine Sonderbestimmung hinsichtlich des Rentenbeginns. Es werde dort lediglich geregelt, welche Nachweise zu erbringen seien. § 6 Nr. 5 AVB Neu sei auf den Kläger nicht anwendbar, da die Erwerbsminderung bereits vor dem vereinbarten Stichtag „01.01.2014“ eingetreten sei. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 6 Nr. 5 AVB Neu ohnehin nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.09.2016 abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, die Rentenleistungen seien gemäß § 5 Nr. 4 AVB erst mit Eingang des Rentenantrags zu erbringen. Die Beklagten hätten ein berechtigtes Interesse daran, von einem außerordentlichen Mitglied einen Antrag auf Rentenzahlung zu verlangen. Es bestehe aus Gründen der Rechtssicherheit, aber auch aus Gründen der wirtschaftlichen Belastung ein berechtigtes Interesse, nicht im Nachhinein für mehrere Jahre mit einem rückwirkenden Leistungsanspruch konfrontiert zu werden.
Gegen dieses Urteil, welches dem Kläger am 25.10.2016 zugestellt worden ist, hat er am 23.11.2016 Berufung eingelegt und diese – nach einer Fristverlängerung bis zum 15.02.2017 – mit einem am 15.02.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger behauptet, er sei bereits bei seinem Ausscheiden erwerbsgemindert gewesen. Infolge zweier Herzinfarkte sei eine leidensgerechte Beschäftigung bei der Beklagten zu 2. nicht mehr möglich gewesen. Er habe bereits kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis telefonisch die Beklagte zu 1. – die dortige Mitarbeiterin N. – darüber informiert, dass er einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung bei der Deutsche Rentenversicherung S. gestellt habe. Daraufhin habe er die Mitteilung vom 28.10.2005 mit der Information über die unverfallbare Anwartschaft erhalten. Seit seinem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis habe er diverse Verfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung S. betreffend die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente geführt, bis ihm schließlich mit Bescheid vom 03.11.2015 die teilweise Erwerbsminderungsrente ab dem 01.02.2013 zuerkannt worden sei. Er ist der Ansicht, eine fernmündliche Antragstellung sei ausreichend. Jedenfalls sei § 6 Nr. 4 AVB so zu verstehen, dass es sich um eine Sonderregelung gegenüber § 5 Nr. 4 AVB handle. Etwaige Unklarheiten gingen zu Lasten der Beklagten. Zudem sei § 5 Nr. 4 AVB im Zusammenspiel mit § 5 Nr. 3 AVB zu lesen. Danach seien Leistungen von dem Bezugsberechtigten oder der Firma unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise schriftlich bei der Kasse zu beantragen. Solange ihm der Nachweis über seine Erwerbsminderung nicht vorgelegen habe, wäre ihm danach eine Antragstellung gar nicht möglich gewesen. Da es in der Natur der Sache liege, dass Streitigkeiten mit den gesetzlichen Rententrägern über die Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente Jahre dauern könnten, nähmen die Beklagten billigend in Kauf, dass auch ihre Verfahren erst nach dem Abschluss des Verfahrens des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers begonnen und entschieden werden könnten.
Nach einer mit Zustimmung der Beklagten erfolgten teilweisen Klagerücknahme hinsichtlich des Zinsbeginns beantragt der Kläger,
das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 22.09.2016 – AZ: 3 Ca 459/16 lev – abzuändern und 1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an ihn 17.846,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.01.2016 zu zahlen; 2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 3.937,56 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 14.01.2016 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres Sach- und Rechtsvorbringens. Sie weisen darauf hin, dass die Mitarbeiterin N. im Jahr 2005 – unstreitig – in der für Betriebsrentenanwartschaften zuständigen Abteilung, nicht in der für Rentenzahlungen zuständigen Rentenabteilung beschäftigt gewesen sei. § 5 Nr. 4 AVB sei nicht zu beanstanden. Sie hätten im Hinblick auf die Kalkulation von Rentenansprüchen ein berechtigtes Interesse daran, rechtzeitig vor Fälligkeit Kenntnis von etwaigen Ansprüchen zu erlangen. Insoweit verweisen sie auf ein Urteil des LAG Düsseldorf vom 05.10.2012 – AZ: 6 Sa 669/12 -, welches ihre Auffassung stütze. Auch für die Forderung eines Nachweises bestehe ein berechtigtes Interesse. Eine Pensionskasse könne nicht verpflichtet sein, Zahlungen ins Blaue hinein zu erbringen. Ohne Kenntnis von einer Forderung könnten auch keine Rückstellungen gebildet werden. Rückstellungen „auf Verdacht“ seien nicht zulässig. Dass das Verlangen der Vorlage von Unterlagen (z.B. des Rentenbescheids) zu einem anderen Rentenbeginn führen könne als dem Beginn der gesetzlichen Rente, sei vielleicht beklagenswert, führe aber nicht zu einer Unwirksamkeit von § 5 Nr. 3 AVB. Es entspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Fälligkeitszeitpunkte und die Voraussetzungen für die gesetzliche Rentenversicherung und der Betriebsrente nicht identisch sein müssten.
In der mündlichen Verhandlung haben beide Parteien übereinstimmend erklärt, dass die Firmenleistungen an die Rentenleistungen der Pensionskasse geknüpft seien. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die Sitzungsprotokolle erster und zweiter Instanz sowie sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
I. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung.
Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs.1, 2 lit. b) ArbGG.
II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger stehen gegen beide Beklagten monatliche Betriebsrentenansprüche in der eingeklagten Höhe zu.
1. Die Beklagte zu 1. ist verpflichtet, dem Kläger für die Zeit von Februar 2013 bis Oktober 2015 insgesamt 17.846,40 EUR brutto zu zahlen. Der Kläger hatte nämlich bereits ab Februar 2013 einen Anspruch auf die Pensionskassen-Erwerbsminderungsrente.
a) Unstreitig hat der Kläger als Mitglied der Beklagten zu 1. Anwartschaften auf eine Betriebsrente erworben. Gemäß § 6 Nr. 4 AVB werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Renten wegen Erwerbsminderung gezahlt. Eine Erwerbsminderung des Klägers lag – wie dem gemäß § 6 Nr. 4 S. 2 AVB als Nachweis anerkannten – Bescheid der Deutsche Rentenversicherung S. zu entnehmen ist, ab dem 01.02.2013 vor.
b) Allerdings hat der Kläger erst ab November 2015 die Voraussetzung des § 5 Nr. 4 S. 2 Spiegelstrich 2 AVB erfüllt. Danach werden – sofern der Versorgungsfall nicht bei einem ordentlichen Mitglied eintritt – Betriebsrenten erst ab dem Monat der Antragstellung gezahlt.
aa) Entgegen der Ansicht des Klägers gilt dieses Antragserfordernis auch für die Erwerbsminderungsrente. § 6 Nr. 4 AVB beinhaltet insoweit keine Sonderregelung, sondern regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen der Nachweis als erbracht gilt. Die Leistungsvoraussetzungen werden für alle Mitgliedsrenten einheitlich in § 5 Nr. 4 AVB festgelegt. Dies geht daraus hervor, dass dort allgemein die Formulierung „Rentenleistungen“ verwendet wird. Dieser Begriff bezieht sich wiederum auf § 5 Nr. 1 AVB, wo sämtliche Mitgliedsrenten – unter Einbezug der in § 6 AVB näher geregelten Erwerbsminderungsrente – sowie Hinterbliebenenrenten aufgeführt werden.
bb) Der Kläger war bei Eintritt des Versorgungsfalls kein ordentliches Mitglied. Seine Behauptung, er sei bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens erwerbsgemindert gewesen, hat er in keiner Weise substantiieren können und zudem nicht unter Beweis gestellt. Auch wenn er infolge zweier Herzinfarkte längerfristig arbeitsunfähig war, folgt daraus nicht, dass eine Erwerbsminderung vorlag. Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung haben unterschiedliche Voraussetzungen und können nicht miteinander gleichgestellt werden (vgl. BAG v. 17.03.2016 – 6 AZR 221/15 – Rn. 27, juris).
cc) Auch hat der Kläger vor November 2015 keinen Antrag gestellt. Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, er habe im Jahr 2005 nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der von ihm benannten Zeugin N. telefoniert und diese darüber informiert, dass er bei der Deutsche Rentenversicherung S. einen Antrag auf Erwerbsminderung gestellt habe, so beinhaltet diese Erklärung keinen Antrag auf Bewilligung einer Betriebsrente, sondern allenfalls die Ankündigung eines solchen. Ein Antrag muss zwingend zum Ausdruck bringen, dass vom Erklärungsempfänger eine bestimmte Leistung erbracht werden solle. Dies ließ sich der behaupteten telefonischen Information nicht entnehmen. Auch fehlte es an der in § 5 Nr. 3 AVB geforderten Schriftform. Zudem konnte der Antrag jedenfalls nicht bereits im Vorfeld für eine erst zum 01.02.2013 eintretende Erwerbsminderung erfolgen.
c) Dem Kläger steht der Anspruch aber dennoch zu. § 5 Nr. 4 S. 2 Spiegelstrich 2 AVB ist – jedenfalls bezogen auf die Erwerbsminderungsrente – unwirksam. Hierdurch werden die außerordentlichen Mitglieder gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligt.
aa) § 307 BGB ist anwendbar. Bei den AVB handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie sind von der Beklagten zu 1. als Verwenderin für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden.
bb) Die in den AVB vorgenommene Begrenzung eines Rentenbeginns erst ab Antragstellung ist auf ihre Angemessenheit im Sinne dieser Vorschrift zu überprüfen. Dem steht § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht entgegen.
aaa) Nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gilt § 307 Abs. 1 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Rechtsvorschriften in diesem Sinne sind dabei nicht nur Gesetzesvorschriften im materiellen Sinn. Darüber hinaus sind u.a. auch Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die sich aus der Natur des Vertrages ergebenden wesentlichen Rechte und Pflichten zum Nachteil des Vertragspartners einschränken (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 30, juris). Dazu gehören auch die aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten. In vollem Umfang kontrollfähig sind Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen modifizieren, einschränken und aushöhlen (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 30, juris; BGH v. 10.12.2013 – X ZR 24/13 – Rn. 16, juris). Abweichungen von der sich aus rechtlichen Vorgaben ergebenden Vertragstypik unterliegen einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 30, juris).
Werden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, sind damit Regelungen, die von den im Betriebsrentengesetz angelegten Formen der Risikoabdeckung abweichen, uneingeschränkt kontrollfähig (BAG v. 21.02.2017, Rn. 31, aaO). Keiner Inhaltskontrolle unterliegt dagegen die Höhe der zugesagten Versorgung, da es insofern an rechtlichen Vorgaben fehlt (BAG v. 21.02.2017, Rn. 31, aaO; BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08 – Rn. 23, aaO).
bbb) Die Erwerbsminderungsrente fällt als Unterfall der Invaliditätsrente (vgl. Rolfs in Blomeyer/Otto/Rolfs, Betriebsrentengesetz, 6. Auflage 2015, § 1 BetrAVG Rn. 23 f.) unter den in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG geregelten Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes. Zu den Merkmalen einer betrieblichen Altersversorgung gehören mithin das Versprechen einer Leistung zum Zwecke der Versorgung, ein den Versorgungsanspruch auslösendes Ereignis wie Alter, Invalidität oder Tod, sowie die Zusage an einen Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 08.05.1990 – 3 AZR 121/89 – Rn. 16 [juris]). Nach dem Betriebsrentenrecht gilt damit für alle Versorgungsformen, dass diese typischerweise mit Eintritt des in der Versorgungsordnung näher geregelten Versorgungsfalls fällig werden (vgl. Rolfs in Blomeyer/Otto/Rolfs, § 1 BetrAVG Rn. 16).
ccc) Demgegenüber nehmen die AVB für außerordentliche Mitglieder eine Einschränkung vor. Versicherungsbeginn ist nicht der Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls der Erwerbsminderung, sondern der Monat der Antragstellung. Diese Einschränkung benachteiligt die betroffenen Versorgungsberechtigten – und damit auch den Kläger – entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
(1) Unangemessen ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Bei einer danach erforderlichen wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragsparteien ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen (vgl. BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 35, juris; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – Rn. 22, juris).
(2) Danach liegt hier eine unangemessene Benachteiligung vor.
(a) Diese ist allerdings nicht darin zu sehen, dass die AVB für außerordentliche Mitglieder – anders als für ordentliche Mitglieder – eine Antragstellung verlangt. Für das grundsätzliche Erfordernis einer Antragstellung besteht ein anerkennenswertes und billigenswertes Interesse der Pensionskasse.
Anders als bei ordentlichen Mitgliedern, die mit ihrem Ausscheiden unmittelbar in die Versorgung wechseln, hat die Beklagte zu 1. weder unmittelbar noch mittelbar über die Arbeitgeberin Kenntnis davon, ob und wann bei außerordentlichen Mitgliedern der Versorgungsfall eintritt. Der Schuldner einer betrieblichen Erwerbsminderungsrente hat aber ein berechtigtes Interesse daran, zeitnah zu erfahren, dass und ggfls. in welchem Umfang Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um Planungssicherheit zu haben (vgl. hierzu BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15 – Rn. 31, juris). Ein Antragserfordernis ist in diese Fällen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15 – Rn. 31, juris). Allerdings dürfen an die Antragstellung keine unangemessenen Anforderungen gestellt werden, wie dies insbesondere der Fall sein kann, wenn die Antragstellung zu ihrer Wirksamkeit der Beifügung von Unterlagen bedarf (vgl. BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15 – Rn. 31, juris).
(b) Die Beklagte zu 1. hat die Antragstellung in § 5 Nr. 3 AVB an derartige zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. Der Antrag hat „unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise“ zu erfolgen. Hierunter fallen die Nachweise, die in § 6 Nr. 4 S. 3 AVB niedergelegt sind, denn die Versorgungsberechtigten als Erklärungsempfänger müssen davon ausgehen, dass zumindest diese vom Vorstand verlangt werden. Demnach ist § 5 Nr. 3 AVB so zu verstehen, dass im Falle einer Erwerbsminderung mit dem Antrag ein Nachweis im Sinne des § 6 Nr. 4 S. 3 AVB über deren Vorliegen verbunden sein muss. Da § 5 Nr. 3 AVG als Mussvorschrift formuliert ist („sind … unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise … zu beantragen“ [Hervorhebung durch Unterzeichner]), ist eine Antragstellung ohne Einreichung eines Nachweises ausgeschlossen.
(c) Diese in den AVB vorgenommene Verknüpfung von Anforderungen an die Antragstellung auf der einen Seite und des Rentenbeginns ab dem Monat der Antragstellung andererseits benachteiligt die betroffenen Bezugsberechtigten unbillig. Sie ist nicht durch anerkennenswerte Interessen der Beklagten zu 1. gerechtfertigt.
(aa) In den Fällen, in denen ein Nachweis zunächst nicht erbracht werden kann, weil der Rentenversicherungsträger und/oder ein Amts- bzw. Werksarzt zu Unrecht das Vorliegen einer Erwerbsminderung verneint haben, wird selbst dann kein Rentenanspruch ab Eintritt des Versorgungsfalls begründet, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die ursprüngliche Ablehnung durch die vorgenannten Stellen zu Unrecht erfolgt ist. Der Beginn der Bezugsberechtigung wird damit davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung bzw. ein Amts- oder Werksarzt im konkreten Fall arbeitet. Das außerordentliche Mitglied, welches das Glück hat, dass die Erwerbsminderung sofort zutreffend erkannt und bescheinigt wird, erhält eine Betriebsrente, während der Bezugsberechtigte, bei dem das Vorliegen einer Erwerbsminderung zunächst verkannt wird, keine Leistungen ab Eintritt des Versorgungsfalls beziehen kann.
(bb) Diesem Nachteil stehen keine billigenswerten und schützenswerten Interessen der Beklagten zu 1. gegenüber.
Allerdings hat sie ein Interesse daran, Nachweise zu verlangen, bevor sie Rentenleistungen erbringt, da andernfalls das Vorliegen der Voraussetzungen einer Erwerbsminderung für sie nicht nachprüfbar wäre. Dieses Interesse wird jedoch dadurch gewahrt, dass die Fälligkeit der Erwerbsminderungsrente nicht eintritt, bevor der Nachweis erbracht wird. Hingegen gibt es kein schützenswertes Interesse, dass die Entstehung des Rentenanspruchs an derartige Nachweise geknüpft wird. Soweit die Beklagten meinen, das Interesse ergäbe sich daraus, dass andernfalls keine Rückstellungen gebildet werden könnten, so vermag dies nicht zu überzeugen. Erforderlichenfalls könnten ab Antragstellung Rückstellungen gemäß § 249 Abs. 1 S.1 Alt. 1 HGB für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Die Antragstellung eines außerordentlichen Mitglieds ohne Nachweis reicht aus, um eine solche Ungewissheit zu begründen, denn mit Vorlage des Nachweises würde es ohnehin an der zur Rückstellungsbildung nach dieser Norm erforderlichen Ungewissheit fehlen. Außerdem hat die Beklagte zu 1. mit der Änderung ihrer AVB im Jahr 2014 selbst gezeigt, dass ein solches berechtigtes Interesse nicht besteht. Wenn hiernach sogar ohne eine zeitnahe Antragstellung unter bestimmten Voraussetzungen die rückwirkende Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente an ordentliche Mitglieder möglich ist, so ist kein Grund ersichtlich, warum im Falle der rechtzeitigen Antragstellung eines außerordentlichen Mitglieds berechtigte Interessen bestehen sollten, den Zeitpunkt der Entstehung des Rentenanspruchs an den Nachweis der Erwerbsminderung zu knüpfen.
(cc) § 5 Nr. 3 und § 5 Nr. 4 S. 2 Spiegelstrich 2 AVB lassen sich auch nicht im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion in der Weise aufrecht erhalten, dass für den Rentenbeginn eine einfache Antragstellung ohne Beifügung der Nachweise ausreicht.
(aaa) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB) und sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Eine geltungserhaltende Reduktion von Klauseln auf den zulässigen Inhalt durch die Gerichte findet grundsätzlich nicht statt (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 44, juris; BAG v. 24.08.2016 – 5 AZR 703/15 – Rn. 25, juris). Eine Klausel bleibt nur dann teilweise aufrechterhalten, wenn sie mehrere Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar ist. Verbleibt nach der Streichung der unwirksamen Teilregelung und des unwirksamen Klauselteils eine verständliche Regelung, bleibt diese bestehen – sog. blue-pencil-Test (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 -, Rn. 44, juris; BAG v. 21.04.2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 43, juris). Eine ergänzende Vertragsauslegung ist jedoch ausnahmsweise jedenfalls dann möglich, wenn ein Festhalten am Vertrag auch für den Verwender eine unzumutbare Härte iSv. § 306 Abs. 3 BGB darstellt (BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 297/15 -, Rn. 44, uris; BAG v. 10.05.2016 – 9 AZR 434/15 – Rn. 37 f., juris).
(bbb) Danach können die Klauseln nicht im Wege des blue-pencil-Tests teilweise aufrecht erhalten bleiben.
Zwar wären sowohl § 5 Nr. 3 als auch § 5 Nr. 4 AVB sprachlich weiterhin verständlich, wenn lediglich der Satzteil „unter Vorlage der vom Vorstand verlangten Nachweise“ gestrichen würde. Im Falle der teilweisen Aufrechterhaltung der Klauseln entstünde allerdings eine Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. In der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG v. 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 – Rn. 22, juris). Genau dies wäre hier der Fall, wenn man die o.g. Textpassage im Wege des blue-pencil-Tests lediglich unangewendet ließe, denn für die Versorgungsberechtigten wäre angesichts des eindeutigen gegenteiligen Wortlauts nicht erkennbar, dass sie ihre Rechte durch eine einfache Antragstellung ohne Beifügung von Unterlagen wahren könnten.
(ccc) Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine ergänzende Vertragsauslegung aus.
(ddd) Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus dem von ihnen zitierten Urteil der erkennenden Kammer vom 05.10.2012 – 6 Sa 669/12 – nichts Gegenteiliges. Diese Entscheidung betraf den Antrag eines ordentlichen – also noch im Arbeitsverhältnis stehenden – Mitglieds der Pensionskasse auf rückwirkende Pensionierung. Mit der vorliegenden Fallkonstellation ist dieser Fall nicht vergleichbar.
d) Unstreitig beträgt die Erwerbsminderungsrente monatlich 540,80 EUR, woraus sich für 33 Monate der unter Ziffer 1. ausgeurteilte Betrag in Höhe von insgesamt 17.846,40 EUR brutto errechnet.
2. Zudem hat der Kläger gegen die Beklagte zu 2. einen Anspruch auf Nachzahlung sog. Firmenleistungen für die Zeit von Februar 2013 bis Oktober 2015 in Höhe von insgesamt 3.937,56 EUR.
Der Anspruch folgt aus einer dem Kläger erteilten Zusage i.V.m. der „Ordnung der betrieblichen Grundrente“ vom 05.12.1983 i.V.m. der Satzung der Beklagten zu 1. sowie deren Allgemeinen Versicherungsbedingungen.
Diese Rente ist von der Beklagten zu 2. nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien nicht anstelle, sondern zusätzlich zu den Leistungen der Beklagten zu 1. zu erbringen. Sie ist – unstreitig – an die Voraussetzungen der Pensionskassenrente geknüpft. Da – wie unter Ziffer 1. aufgezeigt – ab dem 01.02.2013 ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1. bestand, ergibt sich damit zugleich der Anspruch auf die ergänzenden Firmenleistungen gegen die Beklagte zu 2. Die Höhe der monatlichen Rente von 119,32 EUR brutto ist unstreitig, so dass sich für 33 Monate der ausgeurteilte Anspruch in Höhe von insgesamt 3.937,56 EUR ergibt.
3. Der Zinsanspruch bezüglich beider Ansprüche folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Mit dem Schreiben vom 13.01.2016 haben beide Beklagten die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, so dass es keiner Mahnung mehr bedurfte.
B.
I. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2 ZPO.
II. Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Vorschriften
§§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG, § 520 ZPO, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, § 307 BGB, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, § 307 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG, § 249 Abs. 1 S.1 Alt. 1 HGB, § 306 Abs. 1 BGB, § 306 Abs. 2 BGB, § 306 Abs. 3 BGB, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, § 288 Abs. 1 S. 2 BGB, §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 2 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG
Quelle: IWW